(Am 28. April 1849)
[1.73.1] Pathetikus: „‚No, gut, gut; sehr gut hast du es gemacht‘, sprach ich. ‚Aber mit diesen drei großen und schweren Kästen wird es seine geweisten Wege haben?‘ Spricht der Kammerdiener: ‚Nichts zu sagen, Euer Gnaden, waren die andern doch auch nicht viel kleiner und sind doch schon in der Ordnung! Viele Hände, und geschickte Hände können ja Wunder wirken! Nur ganz unbesorgt, Euer Gnaden, in ein paar Stunden ist alles in der Ordnung. Oh, Euer Gnaden werden eine rechte Freude haben mit der Wohnung! Sie ist zwar nicht in der Stadt, sondern in einer der Vorstädte. Aber eine wahre Prachtwohnung, versehen mit allen möglichen Bequemlichkeiten und kostet wirklich eine Bagatelle! Acht Herrschaftszimmer, drei Zimmer für Dienstboten, einen Stall für sechs Pferde, Wagenremise, Holzlage, eine schöne, ganz englisch eingerichtete Küche, Speisekammer, ein bedeutender Keller und der ganze Dachboden! Was glauben Euer Gnaden, was das kostet?‘
[1.73.2] Sage ich: ‚No, so gegen drei- bis viertausend Gulden!‘ – ‚Oh, oh‘, verwundert sich der Kammerdiener und spricht: ‚Nicht zweitausend, sechzehnhundert macht die ganze Geschichte aus! No, ist das wohlfeil oder nicht?!‘ Sage ich: ‚Sehr wohlfeil, wahrlich sehr wohlfeil!‘ Spricht auch der General: ‚Ja wahrlich sehr billig! Aber in welcher Vorstadt ist es und im wievielten Stock?‘ Spricht der Kammerdiener: ‚Die Vorstadt nenne ich aus guten Gründen nicht (dabei auf mein Weib hindeutend); Stock aber ist es der zweite! Denn wenn man sich vor dem Feind zurückzieht, so darf man ihm nicht auf die Nase binden, wohin man sich zurückzieht! Hab ich recht oder nicht?!‘ – ‚Ganz vollkommen‘, sagte der General. ‚Ihr müsst einmal auch schon vor dem Feind gedient haben, weil Ihr das so gut wisst?‘ Spricht der Kammerdiener: ‚Zweifach, Euer Exzellenz! Einmal als Wachtmeister vor dem wirklichen, wo es Bomben, Granaten und Kartätschen geregnet hat; und bald darauf vor dem unwirklichen, nämlich vor meinem Weib. Da hat es zwar keine Bomben, Granaten und Kartätschen geregnet, aber dafür ganze Heuschreckenzüge von Lästerzungen! Fünf Jahre und drei Monate habe ich’s ausgehalten und behandelte die Rackalie mit aller Geduld und Zartheit. Aber das war alles umsonst! Denn je zärtlicher ich mit dem Rabenbratl war, desto mehr stieg in ihr der Hochmutspitzl bis zu einer solchen Höhe, gegen die der Stephansturm ein reiner Spitzbube wäre! Kurz, es war mit ihr um keinen Preis mehr auszukommen. Ich zog mich daher auch vor diesem meinem zweiten Feind zurück, suchte mir einen Dienst und fand auch bald einen – nämlich hier! Mein eheweiblicher Feind hat mich zwar hier schon aufgefunden und kam schon einige Mal mit Friedensvorschlägen zu mir. Aber ich war allzeit so frei und keck zugleich und gab der Pazifizentin einen Fuß vor’n A… hätte bald gesagt – und einmal sogar eine ganz geschmeidige Ohrfeige. Und sehen Euer Gnaden, jetzt ist’s gut! Denn gottlob, es sind nun bereits sieben Monate vergangen, und ich habe meinen zweiten Feind nicht wieder gesehen, außer manchmal zur Nachtzeit so ganz inkognito im Schlossergässl auf dem bekannten Schnepfenstrich! Prosit Mahlzeit, hab ich mir da gedacht, wer das Glück hat, über dich zu kommen, der wird viel zu genießen bekommen! Wenn vielleicht von Euer Gnaden Frau Gemahlin gewünscht werden würde, bei meiner liebenswürdigsten Gattin in allen nützlichen Dingen einen gründlichen Unterricht zu nehmen, so könnte ich ihr kein tauglicheres Individuum anempfehlen!?‘
[1.73.3] Meine Emma, aus Ingrimm an einem entferntesten Fenster dieses Zimmers stehend und mit ihren Fingern an einer Scheibe einen ganz wohlkonditionierten Zapfenstreich herunterarbeitend, kehrt sich auf einmal um, läuft auf meinen Kammerdiener zu mit verbissenen Lippen und zieht ihre zarte Hand für eine recht energische Ohrfeige gewisserart vom Leder. Aber der Kammerdiener pariert ihr aus, und spricht dabei: „Aber oha! Solches Gfraß kann ich mir drunten bei einer saubern Obstlerin schon selber holen! Mein Gsicht ist nicht so nobel, dass es sich zum Rasieren von einer hochadeligen Hand sollte einseifen lassen! Nur drei Schritte von meinem ehrlichen Feldwaibelleibe, sonst könnte ich auf den Gedanken kommen, mit der gnädigen Frau Baronin einen echten Straßburgischen (Tanz) anzugehen; und da möchte es dann ganz kurios verdrehte Geschichten absetzen, verstanden?!‘ – Die Emma zerbarst nahe vor Zorn und schrie: ‚Mir aus den Augen, Kanaillenvolk; mir aus den Augen, Bestien!! Er niederträchtiger Kujon! Wie kann Er sich unterstehen, miiiiiiir solche Sottisen ins Angesicht zu sagen, miiir, einer Baronin vom ältesten adeligen Geschlecht?! Packe Er sich nun augenblicklich aus meinen Augen, sonst lasse ich Ihn durch die Polizei holen!‘
[1.73.4] Spricht der Kammerdiener: ‚Hat nicht nötig, Euer Gnaden, Frau Baronin! In einer halben Stunde werden wir ohnehin gottlob aus dem Bereich Ihrer schönen Augen kommen. Zürnen Sie sich jetzt nicht; denn das könnte ja auf Ihre zartesten Nerven von einem sehr üblen Einfluss sein! Was würden Ihre für den heutigen Abend schon gestern bestellten Herren Gesellschafter sich alles denken können, wenn die gnädige Frau Baronin sie so zerstört empfinge!?‘ – ‚Schweige Er, impertinenter Lümmel, sonst soll Er es sogleich empfinden, was es heißt, eine Baronin so zu beleidigen!!! Ich bin imstande und werfe ihm, was mir in die Hände kommt, in sein scheußlichs Affengfriß!‘ Spricht ein anderer Bedienter zum Kammerdiener: ‚No, du, itzt hast bald Zeit ’s Maul z‘ halten, sonst erleb mer noch so a klans Vorspiel zum Jüngsten Tag! Schau, dass mer weiter koammen!‘ Sage ich: ‚Ja, ja, tummelt euch; denn jetzt möchte ich schon selbst lieber hinausfliegen als gehen!‘
[1.73.5] Als ich solches noch kaum ausgeredet habe, springt die Emma zu mir hin und schreit: ‚Nein, nein! Habe ich das um dich verdient, dass du mich nun im Ernst verlässt und mich noch obendrauf dem Gespött deiner frechsten Dienerschaft preisgibst! Ich glaubte, du werdest meine diesmalige leidige üble Laune nicht so nehmen, sondern wirst mit ihr deine alte Geduld haben!? Aber nein, dein Herz ist zu einem Stein geworden, und dein Auge sieht [n]immer die einzige Krankheit deiner armen Emma! Habe ich dir, als ich noch jünger und gesünder war als jetzt, alles zum Opfer gebracht, was ich nur deinem Herzen ansah; nun aber, wo ich krank bin, ja sehr krank, wenn mein leidiger Paroxismus [eine heftige, leidenschaftlich Aufregung] mich befällt, hast du keine Geduld mehr mit mir! O du hartes Männerherz, das auch die sanftesten Worte einer kranken Gattin nicht mehr zu erweichen vermögen! Warum verlässt du mich denn jetzt, was habe ich dir denn getan?! Siehe, ich war in eine üble Laune geraten, wie und warum, das wird nur Gott wissen; kurz, ich wurde krank und bin dir gewiss in solch einem Zustand meines Leidens roh und bitter entgegengekommen. Aber nun fiel es mir wieder wie Schuppen von den Augen; ich gewahre es dumpf, dass ich dich, wie den Herrn General, muss ganz tüchtig beleidigt haben, vielleicht dich gar aus dem Haus geschafft?! Und du hast es nicht erkannt, dass dies nur deine arme, kranke Emma getan hat, die ihrer gesunden Sinne nicht mächtig war! O du mein teuerster Gemahl! Tue mit mir, was du willst; strafe mich, wenn ich Strafe verdient habe! Aber nur verlasse mich nicht!‘
[1.73.6] Mit diesen Worten fällt sie mir schluchzend und weinend an die Brust und umfasst mich krampfhaft. Die Dienerschaft macht große Augen und fragt mich, was nun zu machen sein möchte ob weiter fortzuziehen oder ob wieder zurückzuwandern?! Spricht die Emma: ‚Augenblicklich auf meine Rechnung wieder zurückzuziehen und die Miete der Wohnung auf ein halbes Jahr zu bezahlen!‘
[1.73.7] Spricht darauf der General: ‚Ja, wenn die Sachen also stehen, da bedauere ich dich und noch mehr deine Gattin, die mir auch im Ernst krank zu sein vorkommt. Natürlich kannst du als Kavalier, Mensch und Gatte bei so bewandten Umständen deine Emma in gar keinem Fall verlassen! Ich aber werde nun einen notwendigen Gang machen und in ein paar Stunden wieder bei euch sein. Richtet mir ein Zimmer ein, denn ich werde einige Tage bei euch zubringen.‘ Der General empfiehlt sich nun. Die Diener gehen an ihre Rückwanderungsarbeit, was ihnen etwas fatal ist, und meine Emma ist wie ausgewechselt, und weiß sich kaum an etwas zu erinnern, was früher zwischen uns vorgefallen ist! Ich staunte und staunte heimlich; aber die Sache war nun einmal so, wie sie war! Die Emma kurz vorher noch ein Teufel – ward jetzt zu einem Engel.“
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