(20. März 1849)
[1.59.1] Der Jellinek aber wendet sich nun auch an Mich und fragt, wie etwa doch Mir diese sonderbare Produktion gefallen hätte?
[1.59.2] Ich aber sage zu ihm: „Lieber Freund, Ich muss dir hier offen bekennen, dass Ich bei solchen Gelegenheiten viel weniger auf das Mittel als nur einzig und allein auf den Zweck Mein Augenmerk richte. Denn es kann an und für sich das Mittel oft noch so sonderbar aussehen, so macht das nichts, wenn damit nur ein in allen seinen Beziehungen edler und guter Zweck erreicht worden ist. Denn hier im Geisterreich heiligt allzeit der erreichte beste Zweck jedes Mittel, durch das er einzig und allein nur hat erreicht werden können! Es liegt hier wahrlich gar nichts an dieser Tanzproduktion; aber in Verbindung mit der durch sie allein möglichen Erreichung eines edelsten und besten Zwecks liegt dann wieder unendlich viel an ihr.
[1.59.3] Ich will dir diesen zwar jesuitisch klingenden Grundsatz aber zuvor irdisch beleuchten, auf dass dir dann sein geistiger Gehalt desto einleuchtender werden möge, und so höre Mich! Siehe, der Grundsatz lautet kurz so: Der gute Zweck heiligt jedes Mittel, durch das er möglich erreicht werden kann. Ob dieser Grundsatz aber auch richtig ist, werden wir nun aus mehreren Beispielen ersehen. Und so habe nur wohl Acht!
[1.59.4] Siehe, ein Sohn auf der Erde hat einen Vater, der bei einer Arbeit das Unglück hatte, sich ein Bein dergestalt zu brechen, dass selbes nur durch eine geschickte Operation wieder geheilt und dem jeweiligen Naturleben der anderen Leibesteile unschädlich werden kann. Was würde der gute, seinen Vater über alles liebende Sohn wohl mit einem so bösen Menschen tun, der seinem Vater rein nur aus Zorn oder bösem Mutwillen einen Fuß mit einem scharfen Beil abhiebe? Siehe, dieser Sohn würde den Übeltäter ergreifen und ihn züchtigen sein Leben lang und doch hätte sein Vater bei dieser Schnelloperation bei Weitem weniger gelitten, da sie an einem ganz gesunden Fuß pfeilschnell wäre bewerkstelligt worden, als sie nun an einem im höchsten Grad leidenden Fuße musste vollzogen werden. Siehe, das Mittel an und für sich, ohne Verbindung mit dem durch eben dies Mittel erreichbaren Zweck, allein genommen, wäre ein Gräuel. Aber in der Verbindung mit dem guten Zweck ist es ein Heil. Und der Sohn wird sich dem geschickten Operateur gewiss im höchsten Grad dankbar erweisen, [da] der seinem geliebtesten Vater das Leben rettete! Denn ohne diesen wäre der Vater am Brand gestorben. Gehen wir aber weiter!
[1.59.5] Was wohl würdest du jemanden tun, der dir mit der Faust einen Zahn einschlüge? Siehe, du würdest diesen Wüterich vors Gericht fordern und von ihm kein kleines Schmerzensgeld verlangen. So du aber einen leidenden Zahn hast, der dir viel Schmerzen verursacht, da gehst du selbst zu einem Zahnarzt und zahlst ihn gerne dafür, so er dir geschickt den schlechten Zahn herausreißt. Wer könnte einen ledigen Zahnreißer loben, der bloß zu seinem Vergnügen den Menschen, wo und wann er nur könnte, die Zähne einschlüge oder ausrisse!? Aber ganz anders verhält sich die Sache in den Händen eines wirklichen Zahnarztes, und das darum, weil er mit seiner oft noch so schmerzlichen Operation einen guten Zweck erreicht. Und du kannst es unmöglich in eine Abrede stellen, dass hier das an und für sich sehr grausame Mittel durch den erreichten guten Zweck geheiligt wird! Aber darum nur weiter!
[1.59.6] Siehe, der Totschlag ist eine der größten Sünden, die ein Mensch an seinem Nebenmenschen begehen kann. Es wandeln aber ein Vater und dessen Sohn durch einen Wald. Ein böser Mensch, der bei dem Vater viel Geld wittert, springt auf einmal gleich einem Tiger aus dem Dickicht hervor, packt den Vater an der Kehle und will ihn erdrosseln (eine [bei] solchen Mördern liebste Hinrichtungsart, weil ihnen dabei die Absicht zum wirklich aus vollem Willen vollbrachten Mord, so sie vors Gericht kämen, nicht so leicht erwiesen werden kann). Der Sohn ersieht die große Gefahr seines Vaters, greift sogleich nach seinem Gewehr und tötet den Raubmörder! Siehe, der Totschlag ist, wie bekannt, also eine der größten Sünden, die ein Mensch gegen seinen Nebenmenschen begehen kann. Ist aber auch der Totschlag, den der Sohn an dem Mörder, der seinen Vater erdrosseln wollte, beging, auch eine Sünde? O nein! Schon der pure Verstand sagt es dir: Der Totschlag ist nur an und für sich, wie auch umso mehr als Mittel zur Erreichung eines schlechten Zwecks, eine der größten Sünden. Aber, wie hier, in Verbindung mit dem besten Zweck, ist er ebenso heilig als der Zweck selbst, und ganz besonders dann, wenn er sich als ein einzig möglich wirksames Mittel herausstellt.
[1.59.7] Und siehe, wie mit diesen drei Beispielen, so verhält es sich auch mit jeder Handlung, deren nur immer ein Mensch oder ein Geist fähig ist, wenn sie nach genauer und weiser Überlegung als das einzig möglich wirksame Mittel zur Erreichung eines guten Zwecks erscheint, so ist sie auch gut, gerecht und durch den erreichten guten Zweck geheiligt.
[1.59.8] Und so wirst du, lieber Freund, bei diesen armen Tänzerinnen schon auch ein Auge zudrücken müssen; denn sie tanzten zur Erreichung eines mehrfach guten Zwecks. Und dieser Zweck ist nun auch wirklich erreicht worden, wie du es gar bald einsehen wirst. Sage, sollen wir diesen Choreografinnen dafür grollen, oder sollen wir ihnen dafür etwa auch vom zweiten Bouteillerl einige Gläschen verkosten lassen?“
[1.59.9] Spricht Jellinek: „Oh, wenn so allerdings, allerdings! Kommt nur her, ihr lieben Herzerln, kommt nur her! Sollt auch einen guten Tag haben!“
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