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56. Jellineks Herz entbrennt in Liebe zu Roberts Freund. Ein himmlischer Wein. Jellineks Trinkspruch und des Herrn Erwiderung.

[1.56.1] Der Jellinek aber schaut Mich so recht freundlich fest an und fragt Mich, sagend: „Lieber, holdester Freund unseres Freundes und Bruders Blum, dürfte ich Dich nicht bitten, dass Du Dich uns auch näher zu erkennen geben möchtest! Denn Du musst sicher auch ein äußerst edler und guter Mensch sein, sonst Du Dich sicher nicht in der Gesellschaft unseres edelsten Freundes Blum befinden möchtest!“

[1.56.2] Rede Ich: „Die Folge wird dir alles enthüllen, was dir nun noch dunkel ist! Gehe aber nun mit Mir nur auch zum Tisch des Herrn hin und stärke dich dort zuvor, alsdann wirst du viel geeigneter sein, so manches zu begreifen anzufangen, was dir bis jetzt noch ein Rätsel sein musste. Komm also, mein lieber Freund und Bruder Jellinek!“

[1.56.3] Spricht Jellinek: „O Freund, Deine Stimme klingt wunderbar freundlich! Jedes Deiner Worte schwellte mir das Herz auf eine bisher noch nie empfundene Weise! So Du nicht ein Engel aus den Himmeln Gottes bist, so leiste ich auf meine Menschheit ewig Verzicht! Ja, ja, Du bist, Du musst ein Engel sein! Weißt, ich werde bei Dir bleiben und mich ganz besonders an Dich so recht ausschließend [ausschließlich] festhalten! Denn ich muss Dir’s offen bekennen, so lieb ich auch den guten Freund Blum habe, so habe ich Dich nun, seit Du mit mir geredet hast, aber dennoch ganz unbegreiflich um sehr vieles lieber! Aber jetzt also zum Tisch und ein Gläschen miteinander zur ewigen Freundschaft! Denn ich glaube, hier wird es doch etwa keine W. G. und R. [die Feldmarschalls Windisch-Graetz und Radetzky] geben, die über dies Haus ein Standrecht verhängen könnten?!“

[1.56.4] Rede Ich: „O nein! Diese Furcht lasse du für ewig beiseite! Nun aber also nur zum Tische hin; denn die andern trinken uns schon eine rechte Gesundheit entgegen.“

[1.56.5] Der Messenhauser geht dem Jellinek sogleich mit einem sehr schönen Kristallpokal voll des besten Weins entgegen und spricht: „O Bruder Jellinek, das ist eine wahre Tausendessenz all der besten Weine, die wir je irgend wann und wo auf der Erde verkostet haben! Da, trink den Pokal aus! Trink ihn auf das Wohl aller unserer Freunde und Feinde! Auch der Windisch-Graetz soll leben! Dies blinde Werkzeug der irdischen Völkerbeherrscher wird vielleicht wohl [auch] einmal zu einer besseren Einsicht gelangen!“

[1.56.6] Jellinek nimmt erfreuten Gemüts den Pokal und spricht: „Liebe Freunde! So gefallt ihr mir besser, als ehedem im Verlauf unserer nichtssagenden Debatten in jenem Haftkämmerchen dort, wo du, Bruder Messenhauser, noch immer aufs Todesurteil in aller ersichtlichen Verzweiflung harrtest!

[1.56.7] Aber hört, ich habe mir hier den Freund unseres Bruders Blum zu meinem Herzensfreund erwählt. Und so müsset ihr mir’s schon vergeben, dass ich von diesem göttlichst duftenden Saft eher keinen Tropfen auf meine Zunge geben will, als bis nicht Er zuvor aus diesem nun mir gereichten Pokal getrunken hat!“

[1.56.8] Alle stimmen überfröhlichen Mutes in den Wunsch des Jellinek. Dieser aber reicht sogleich Mir mit sichtlich intimster Freundschaftsliebe den Pokal und spricht: „O Du lieber, göttlich erhabener Freund! Verschmähe es nicht, aus der Hand eines armen Sünders, aus der Hand eines irdischen Staatsverräters diesen Becher anzunehmen! Wahrlich, hätte ich hier etwas Besseres, wie gerne würde ich Dir’s als ein Zeichen meiner innigsten Verehrung und vollsten Hochachtung reichen! Aber so muss ich denn hier auch, wie einst der Apostel Petrus zum Lahmen an der Pforte des Tempels, sagen: ‚O Du lieber Freund! Sieh, Gold und Silber besitze ich nicht!‘, aber was ich nun habe, nämlich diesen mir dargereichten Becher und dann ein warmes Dich als einen allerwertesten Freund erfassendes und begrüßendes Herz, das gebe ich Dir! Oh, nehme es also an, wie ich es Dir darreiche! Es ist wohl sicher eine große Keckheit von mir, dass ich, als ein sicher in den Augen eines Engels für die Hölle ganz reifer Sünder, es wage, Dir, der Du sicher so ein Engel bist, diesen Becher und mein schlechtes Herz als Freundschaftspfand anzubieten. Aber ich liebe Dich einmal auch mit diesem meinem schlechten Herzen, weil ich ehedem in Deinen wenigen Worten, die Du an mich zu richten die Güte hattest, gar so viel Freundliches, Liebes und Weises fand! Bin ich auch ein ganz unreiner Geist oder Mensch, da drücke Du ein wenig Deine gar so himmlisch milden Augen zu und denke Dir: Der Kerl versteht’s nicht besser! – Weißt, ich bin ganz irdisch verfasst und weiß die Manieren noch lange nicht, wie man mit Geistern Deiner Art umzugehen hat. Aber das kannst Du versichert sein, dass bei mir Herz und Zunge fest aneinandergewachsen sind! Gelt ja, Freundchen, Du nimmst mir diese meine kecke Freiheit nicht übel!?“

[1.56.9] Ich nehme gar sehr freundlich den Becher aus der Hand des Jellinek, trinke daraus und sage dann zu Blum: „Bruder, gehe hin, in dem Speiseschrank steht noch eine Flasche voll Meines eigentlichen Leibweins! Diese trage her, auf dass Ich diesem Meinem neuen, wärmsten Herzensfreund zeige, wie gar sehr teuer Mir nun seine Freundschaft geworden ist!“

[1.56.10] Blum springt geschwind hin und bringt eine förmlich diamantene Flasche voll des allerköstlichsten Weins und reicht sie Mir unter sichtlicher Rührung dar.

[1.56.11] Ich aber nehme die Flasche und schenke denselben Becher voll ein. Darauf nehme Ich den Becher und sage: „Hier, lieber Freund und Bruder, nimm den Becher hin und trinke dir daraus die vollste Überzeugung, wie gar überaus lieb, wert und teuer Mir deine Freundschaft ist! Was sprichst du von deinen Sünden? Welcher Mensch wohl könnte je ein Herz, das so voll der uneigennützigsten Liebe [ist], als ein mit Sünden behaftetes ansehen!? Bruder, Ich sage es dir, vor Mir bist du rein. Denn deine Liebe zu Mir bedeckt die Menge deiner irdischen Sünden! Was du aber noch irgend der Welt schuldig warst – weißt du, Ich müsste dir ein schlechter Freund sein, so Ich dir diese Schuld nicht abnähme und sie an deiner statt nicht berichtigte! Also trinke nun, Bruder Jellinek auf unsere ewige Freundschaft!“

[1.56.12] Jellinek, ganz zu Tränen gerührt, spricht: „O Du göttlicher Freund, Du, wie gar so lieb und gut bist Du! Oh, wenn ich mir nur jetzt das Herz aus dem Leib reißen könnte, und schieben in Deine Brust hinein! Aber gib nun den Becher her!“

[1.56.13] Er nimmt den Kristall, trinkt daraus und spricht: „Nein, o Du himmlischer Engelbruder! So Deine Freundschaft diesem Saft gleicht – und Du [dieser] natürlich zuerst selbst –, dann, dann, dann bist Du kein Engel, sondern ein reinster Gott selbst! Denn etwas Göttlicheres von einem Geschmack und Geist kann die ganze Unendlichkeit unmöglich irgendwo mehr aufzuweisen haben! Brüder, kostet auch ihr davon und sagt, ob ich nun nicht ganz vollkommen richtig geurteilt habe!“

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