(Am 4. Febr. 1849)
[1.42.1] „O Herr“, spricht Robert nach einer Weile, „wenn Du mich Sünder vor Dir nur doch nicht ‚Bruder‘ nennen möchtest! Denn solch einer zu ungeheuren Gnade bin ich ja doch ewig nicht wert!“
[1.42.2] Sage Ich: „Lasse das nur gut sein! Es lebt ja nun Mein Ebenmaß in dir! Durch deine Liebe zu Mir bist du ja in Mir, wie Ich in dir, und so sind wir eins in der Liebe. Und siehe, diese Einheit ist ein rechter Bruder. Sind wir auch ein jeder für sich ein vollkommenes Individuum, so beirrt aber das dennoch die intimste Verbrüderung nicht, die da ist eine rechte Einung durch die Liebe. Denn es gibt nur eine wahre Liebe und ein wahres Gute; und diese Liebe und dieses Gute ist gleich und somit eins in allen Engeln und anderen seligen Geistern, und ist vollkommen gleich Meiner Liebe und all dem Guten aus ihr. Und siehe, diese völlige Gleichheit heißt wahrhaft ‚ein Bruder‘!
[1.42.3] Und so bist du Mir – zufolge deiner nun wahren Liebe zu Mir in dir – auch ein wahrer Bruder, so wie Ich einst auf der Erde alle, die Mir werktätig nachfolgten, Brüder nannte, nicht etwa aus einer Art freundlicher Höflichkeit, sondern aus gegründetster, vollster Wahrheit heraus. Also mache dir nun künftig nichts mehr daraus, so Ich dich Bruder nenne; denn nun weißt du es schon, warum?
[1.42.4] Nun aber sage Mir auch, ob dir dieser zweite Antrag lieber ist als der erste?“
[1.42.5] Spricht Robert: „O Herr! Du zu überguter, heiliger Vater aller Menschen und Engel, da ist ja gar nichts mehr zu sagen, und jeder Vergleich fällt da von selbst hinweg. Denn was Du bestimmst, möge es so oder so gestaltet sein, so ist es schon allzeit das Allerbeste – darum, da Du, als die endloseste Güte Selbst, es so bestimmt hast: Dass aber mir der zweite Antrag doch offenbarst lieber sein muss als der erste, das versteht sich schon von Ewigkeit von selbst. Denn Dich, o Du liebevollster Vater, wenn auch nur der Erscheinlichkeit nach zu missen, wird doch sicher keinem Wesen, das Dich so unbeschreiblich liebt wie ich nun, ebenso angenehm und beseligend sein, als so es Dich – als sein alles, alles, alles – auch persönlich sichtbar an seiner Seite hat!
[1.42.6] Aber, da Du mir nun gar so endlos gnädig und barmherzig bist, so bitte ich Dich aus aller Tiefe meines Herzens aber auch, dass Du mir gnädigst anzeigen möchtest, was ich wohl tun soll, damit ich solcher Deiner Gnade und Liebe denn doch wenigstens um ein Haar würdiger wäre, als ich es leider bis jetzt war? O Herr! Zeige, zeige mir doch solches gnädigst an!“
[1.42.7] Rede Ich: „Höre, du Mein geliebtester Bruder! Du hast auf der Erde wohl zu öfteren Malen ein Spiel gesehen unter dem Namen: das ‚Scheiben- oder Bestschießen‘? Du sprichst in dir: ‚O ja, hab‘ öfter selbst mitgeschossen und sogar manchmal ein Bestes gewonnen!‘ Da sage Mir, wie und durch welches Verdienst gegenüber dem Bestgeber hast du dir wohl das Beste erworben? Es mussten ja doch alle, die durch die Schüsse, gleich dir, ums Beste sich bewarben, ein gleiches Leggeld [Eintrittsgeld] geben, und dennoch gewannst du das Beste?
[1.42.8] Du sprichst nun in dir: ‚Weil ich das Zentrum der Scheibe glücklicherweise getroffen habe! Es hatte der Bestgeber dadurch freilich wohl im Grunde keinen Nutzen, dass ich das Beste gewann; denn die Leggelder, oder vielmehr deren Bestabzüge von den Leggeldern wären dem Bestgeber noch zum Gewinn geblieben, so niemand das Beste durch einen Zentralschuss gewonnen hätte. Aber er hatte dennoch eine große Freude mit mir, darum ich einen Zentralschuss gemacht habe.‘
[1.42.9] Gut, Mein geliebtester Bruder! Siehe, so geht es auch bei Mir! Ich bin ein ewiger Bestgeber allen Meinen Geschöpfen, und besonders den aus ihnen hervorgehenden Kindern! Die Schießscheibe ist Mein Vaterherz, die Schützen sind Meine Kinder, ihre Schießgewehre sind ihre eigenen Herzen, und das Beste bin wieder Ich Selbst und das vollkommenste ewige Leben mit Mir und aus Mir!
[1.42.10] Was wohl haben demnach die Kinder zu tun, welchen Verdienst haben sie sich zu erwerben, um das von Mir für sie bestimmte Beste zu gewinnen? Siehe, nichts anderes, als recht scharf ihre Herzen zu laden und damit auf das Zentrum Meines Herzens zu schießen. Und so sie es gar leicht treffen, so haben sie dann auch schon das Beste in der Tasche ihres Lebens. Und bei Mir geht es umso leichter, weil Ich gar keine Leggelder brauche, da Ich jedem ein ganz vollkommenes Freischießen gebe.
[1.42.11] Wie du aber nach deinem eigenen Geständnis auf der Erde manchmal ein Hauptschütze warst, so ist es dir auch hier gelungen, ebenfalls das Zentrum Meines Herzens mit dem deinen zu treffen, und so hast du nun auch schon alles, was Ich von dir verlange, nämlich die wahre Liebe. Diese allein macht dich aller Meiner Gegenliebe würdig, da sie vor Mir allein als ein wahres Verdienst angesehen und anerkannt wird. Was sollen da noch irgend andere Verdienste um Meine Gnade vonnöten sein? Daher sei auch deshalb ruhig! Denn so Ich mit dir zufrieden bin, was solltest du denn daneben wohl noch wollen? Siehe, Ich kenne nichts. Und so Ich nichts Weiteres kenne, so möchte Ich denn doch wissen, wie du da noch etwas Weiteres, Größeres und Meiner Würdigeres tun sollst!?
[1.42.12] Ah, wie du aber diese Meine Liebe in dir auch anderen deiner verschiedenartigen Mitbrüder wirst mitzuteilen haben, das wirst du wohl noch durch deine künftige Stellung dir erst eigen zu machen bekommen, was dir aber auch zu keinem höheren Verdienst angerechnet wird. Denn diese größere Vervollkommnung deines Wesens wird dir nur darum zuteil, dass du dadurch selbst desto seliger werden wirst können, also nur ein lediges Bene für dich! Aber von einem Meiner Gnade würdiger werden kann ewig keine Rede mehr sein, indem du unmöglich mehr tun kannst, als Mich über alles lieben, was allein Ich auch von dir, wie von jedem anderen, verlange.
[1.42.13] Sei also nun ganz unbesorgt wegen der größeren Verdienste, deren Ich ewig nicht benötige. Und habe nun Acht, was jetzt vor deinen Augen vor sich gehen wird.
[1.42.14] Siehe, wir sind nun noch auf unserer dürftigsten, kleinen Welt beisammen, und du erschauest noch nichts außer dieser Welt, die uns einen kärglichen Standpunkt bietet. Du hast gemeint, diese Welt ist so ein kleiner, angehender Komet, aus dem sich etwa nach Trillionen von Erdjahren allenfalls ein Planet bilden könnte, und entstehe etwa zufolge der Anziehungskraft Meines Wesens, durch die sich Atome aus dem endlosen Äther um Mich her versammeln. Allein, dem ist nicht so, sondern ganz anders.
[1.42.15] Siehe, diese kleine, sehr nackte und dürftige Welt ist aus dir und entspricht völlig deinem bisherigen inneren Zustand, in und aus dem freilich Ich wohl das Allerbeste bin. So also, wie diese Welt, und wie du Mich auf ihr zuerst erschautest, war dein Inneres beschaffen: der Grund klein und schwach, und Ich auf diesem Grund nur als ein purer Mensch!
[1.42.16] Nun aber, als dein Herz Mich erkannte und in aller Liebe zu Mir erbrannte, wird aus dieser kleinen und sehr dürftigen Welt sogleich eine größere und festere und reichere hervorgehen!
[1.42.17] Ich halte nun noch die innere Blende in dir, dass sich das starke Licht deines Geistes noch nicht in die Seele ergießen kann. Aber so Ich nun in dir diese Blende zerreißen werde wie einst den Vorhang des Tempels, wodurch das Allerheiligste freigegeben wurde, so wirst du sogleich eine ganz andere Welt erschauen und dich verwundern über alles! Und so habe denn nun recht Acht!“
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