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38. Roberts Rückschau auf sein Erdenschicksal. Er will Demütigung und Züchtigung annehmen, so ihn nur Jesus nicht verlässt.

(Am 30. Jan. 1849)

[1.38.1] Spricht Robert: „Freund, Deine Worte sind wohl voll Ernstes, und Du scheinst es mit mir ganz ernstlich nehmen zu wollen, wofür ich Dir nur aus allen meinen Lebenskräften dankbar sein muss. Aber wie Du mich als noch viel zu wenig gedemütigt ansehen kannst, das ist mir völlig unbegreiflich! Bin ich denn, schon von meiner elenden Geburt angefangen, nicht durch alle möglichen allerwidrigsten Erfahrungen ohnehin bis auf den letzten Blutstropfen gedemütigt worden?

[1.38.2] Als ich mich trotz aller Hemmnisse mit der Zeit aus meinem angeborenen Staub denn doch ein wenig nur zusammenraffte, da brachen Unruhen in meinem Staat aus, und siehe, ich dämpfte sie durch meinen sicher redlichsten Willen und Verstand, ohne mich darauf dafür vom Staat erhöhen und verehren zu lassen! Als darauf sozusagen ganz Europa rebellisch ward, da wurde ich als ein Deputierter meines Staates nach Frankfurt abgesandt und vertrat dort meinen Staat nach meiner möglichst besten Ansicht und Kenntnis, geleitet von einem mir bewussten guten Willen. Denn wahrlich, es war nie nur im entferntesten Sinn meine Absicht gewesen, jemand zu schaden, sondern allein nur zu nützen, d. h. freilich nur in der Art, als wie ich es für die Völker nach meiner damaligen Überzeugung als nützlich erachtete; ob es ihnen aber wirklich zum Nutzen geworden wäre, so für sie meine Projekte realisiert worden wären, das ist freilich eine andere Frage. Aber ich konnte damals dennoch unmöglich anders reden und handeln, als wie ich es redlichstermaßen mit meinem Wissen und Gewissen für billig, gut und recht fand! Und ich meine, dass eine jede Rede und Handlung, die einem ganz redlichen Gemüt entstammt, vor Gott und vor aller Welt als redlich anerkannt werden muss. Denn ich glaube, dass Gott auch nur auf die Redlichkeit des Willens und nicht auf den Erfolg sieht, der ohnehin allzeit in der Hand der rein göttlichen Macht liegt!

[1.38.3] Als in Österreich die wütendsten Unruhen ausbrachen, da dachte ich daran, wie es mir in meinem Staat gelungen ist, einen Volksaufstand gegenüber dem König zu dämpfen und dachte danach auch, dass mir so etwas auch in Österreich gelingen dürfte! Ich fasste den Entschluss dahin zu eilen.

[1.38.4] Als ich aber allda ankam, fand ich die Sachen bei Weitem anders stehen, als wie ich sie mir in Frankfurt vorstellte. Das Volk war bedrückt und klagte laut über die Wortbrüchigkeit seines Regenten. Die schwärzeste und geldsüchtigste Reaktion war allen Dynasten und allen Aristokraten, Kaufleuten und Gold- und Silberjuden ohne Brille von der Nase herabzulesen. Das arme Volk wurde nur Luder und Kanaille benannt und gescholten. Und jeder, der (es) mit dem armen, über alle Maßen geistig und körperlich bedrückten Volk hielt und ihm mit Gut, Blut, Rat und Tat helfen wollte, wurde als ein Volksaufwiegler und Meuterer aufgegriffen und, wie bekannt, ohne Gnade und Pardon ums irdische Leben gebracht, welche Ehre auch mir allerschnödest widerfuhr, was aber doch niemand für eine Ehre halten wird?! Denn so man, als ein sonst aller besseren und gebildeten Welt achtbarer und angesehener Mann, wie ein gemeinster Verbrecher vor den Augen gar vieler Menschen auf den Richtplatz hinausgeschleppt und dort wie eine gemeinste Bestie erschossen wird, so glaube ich doch, damit zur Genüge für jede Ehre, die einem je irgendwo zuteilgeworden ist, gedemütigt worden zu sein?!

[1.38.5] Oder ist dir das auch noch zu wenig Demut? Soll ich wohl noch, oder kann ich wohl noch mehr gedemütigt werden?! Ich finde besonders in dieser meiner Lage, dass so was geradewegs unmöglich ist. Denn weniger zu sein und elender zu sein, als ich es nun bin, wird wohl kaum irgendwo ein Wesen sein!

[1.38.6] Nichts habe ich als Dich, meinen allergeliebtesten Freund, ganz allein. Du bist mir alles, mein Trost, mein größter Reichtum, meine einzige Entschädigung für alle meine irdischen Leiden und großen Demütigungen! Und Du, statt mich zu trösten, erweckst durch Deine weisheitsvollen Reden in mir auch noch eine Menge neuer, qualvoller Bedenklichkeiten, die mein großes Elend nur vermehren, nie aber verringern können! O sieh, Du mein geliebtester Freund, das ist etwas hart von dir!

[1.38.7] Es mag wohl sein, dass Du mit mir alles dessen ungeachtet die besten Absichten hast, und so es mir möglich ist, das zu tun, was Du mir rätst, so kann das auch leichtlich mein größtes und ewiges Glück sein. Aber nur das Einzige bedenke dabei, dass ich ein elendestes und über alle menschlichen Begriffe unglückliches Wesen bin, das allerwahrst von allem, was das Gemüt aufrichtet und aufrichten könnte, vollends blank und leer ist – so wirst Du Deine sonst allerweisesten Lehren wenigstens also stellen, dass sie mich nicht allzu sehr erschrecken und beängstigen möchten!

[1.38.8] Ich will mich fürderhin auch gar nicht mehr, auch nur mit dem schwächsten Gedanken, loben. Alle meine Handlungen sollen für ewig mit dem unvertilgbarsten Stempel der vollsten Schlechtheit und Verächtlichkeit gebrandmarkt werden und bleiben. Gerne will ich vor Dir, so Du es verlangst, das letzte und wertloseste Wesen der ganzen Unendlichkeit sein.

[1.38.9] Aber nur verlasse Du mich nicht! Und mache mich dadurch nicht gar zu unendlich elend! Drohe mir ja nicht mehr mit Deiner Entfernung, sondern stärke mich mit der Versicherung, dass Du mich ewig nie verlassen wirst, so gebe ich Dir die allergetreuste Versicherung, dass ich alles tun werde, was Du nur immer von mir verlangst!

[1.38.10] Habe ich auf der Welt je und wie immer gesündigt, so züchtige mich dafür, und demütige mich, so tief es nur immer möglich ist, und ich werde nie aufhören, Dich zu lieben. Aber nur vom Verlassen rede nichts mehr! Denn das wäre das Schrecklichste, was Du mir nur immer antun möchtest!“

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