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28. „Danach gingen viele Seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit Ihm.“ (Johannes 6, 66)

Am 8. Februar 1844, abends

[28.1] „Danach gingen viele Seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit Ihm.“

[28.2] Dieser Text passt, wie ihr zu sagen pflegt, auf ein Haar für unsere Sache in jeder Beziehung.

[28.3] Warum gingen denn viele Meiner Jünger von Mir und wollten nicht mehr mit Mir wandeln, da Ich ihnen die Lehre vom Genuss Meines Fleisches und Blutes gab? Die Ursache dieser Erscheinung lag vorerst in der Trägheit Meiner Jünger, darauf folgend aber auch sogleich in ihrem Hochmut.

[28.4] In der Trägheit lag der Grund darum, weil sie nicht wollten sich so viel Gewalt antun, dass sie Mich wenigstens fragten, wie es hernach Meine Brüder taten, wie solche Lehre zu verstehen ist.

[28.5] Und der Hochmut war darauf also die Folge: Da die Jünger vorerst zu träge waren, sich einer höheren Kenntnis zu befleißen, aber dennoch Meine Schüler waren, so verdross es sie nun, dass Ich eine Lehre gab, die über ihren Erkenntnishorizont hinausging. Sie fühlten sich dadurch vor dem anderen Volk beschämt, weil sie Mich auch nicht verstanden hatten, wollten Mich aber nun auch zufolge dieses Hochmutspitzels nicht fragen vor dem Volk, um sich dadurch nicht das Zeugnis zu geben, als hätten sie Mich als Meine Schüler nicht verstanden.

[28.6] Denn gewöhnlich geschah es, dass nach einer Lehre von Mir Meine Jünger von dem Volk häufig gefragt wurden, wie dieses oder jenes zu verstehen sei. Da gab es dann gewöhnlich allzeit eine Menge Seitenerklärungen von Seiten Meiner Jünger, und in ihrem Ehrgeiz schmeckte [ihnen] oft so manche Belobung über ihre verständige Erklärung irgendeiner fürs Volk etwas schwer verständlichen Lehre.

[28.7] Auch bei dieser Gelegenheit waren viele dieser Jünger über den Sinn dieser Lehre befragt, konnten aber diesmal keine Erklärer abgeben, weil sie die Lehre selbst nicht verstanden hatten; daher zogen sie sich diesmal auf eine andere Art aus der Schlinge. Sie beschuldigten Mich einer harten Lehre wegen, die kein Mensch verstehen könne, und da ihnen solches zu keiner Ehre vor dem Volk gereichte, so schmähten sie lieber über Mich, erklärten alle Meine frühere Lehre für gleichlautend mit dieser und glaubten nicht mehr an Mich und verließen Mich.

[28.8] Aus dieser ganz getreuest aus dem damaligen Leben gegriffenen Darstellung kann jedermann mit der größten Leichtigkeit erkennen, dass an diesem üblen Begebnis nichts schuld war als vorerst die Trägheit und dann der Hochmut Meiner Jünger. Die Trägheit, weil sie immer um Mich waren und glaubten ebenso viel zu verstehen wie Ich – wozu sollten sie sich dann irgendeine Mühe geben, um dadurch tiefer in den Geist Meiner Lehre einzudringen? Der Hochmut aber ward rege, als Ich sie einmal auf die Probe stellte, wie viel sie verstehen, und ihnen handgreiflich zeigte, dass der Jünger nicht ist über den Meister.

[28.9] Und seht, diese zwei Grundursachen sind auch die Hauptstützen der meisten Verderbtheit des menschlichen Geschlechts! Denn zuerst ist der Mensch träge und steht müßig da den ganzen Tag über. Wenn er aber dann gefragt wird: „Warum stehst du den ganzen Tag müßig?“, so wird er sagen: „Es hat mich ja niemand gedungen!“

[28.10] Und wenn Ich dann zu ihm sage: „So gehe doch wenigstens nun am Abend hin, und arbeite eine Stunde, und Ich will dir geben, was recht ist!“, da wird er sagen: „Herr, wie kannst Du mir diese Schande antun und mich hinstellen zum Gelächter derjenigen, die den ganzen Tag gearbeitet haben? Willst Du mir schon etwas geben, so schenke es mir lieber, aber mache mich nicht als einen Faulenzer ruchbar vor den Arbeitern!“

[28.11] Seht, hier will der Träge anfangs nicht arbeiten; am Ende aber schämt er sich zu arbeiten vor den Fleißigen. Warum denn? Weil das seinem verborgenen Hochmut nicht schmeichelt! Er möchte wohl fürs Wohltun seinem Hochmut mit den Fleißigen gleichen Lohn haben; aber zur Arbeit ist er anfangs zu träge und bald darauf zu hochmütig.

[28.12] Der Herr aber wird nicht so unweise sein und wird die Trägheit und den Hochmut dem Fleiß gleichsetzen und [wie] ihn belohnen.

[28.13] Dass solches alles höchst richtig ist, will Ich euch noch durch mehrere kleine Beispiele zeigen:

[28.14] Nehmen wir an zwei Studierende; der eine ist von Anfang an fleißig und der andere träge. Der Fleißige wird auch am Ende die Früchte seiner Mühe ernten; was wird aber der Träge am Ende für einen Vorwand und für eine Gunstrede für seine Trägheit hervorbringen? Er wird sagen:

[28.15] „Der Fleißige war ein dummer Kerl und hat nicht eingesehen, dass er lauter dummes Zeug in seinen Gehirnkasten hineinschoppt; ich aber fand das entsetzlich Alberne der Lehrgegenstände und habe es den ersten Augenblick für unwürdig gefunden, meinen viel erhabeneren Kopf mit solcher Torheit anzustopfen. Und da nichts anderes vorgetragen ward, so fand ich diese meine erste Erkenntnis für viel höher und besser als all den zu erlernenden Quark!“

[28.16] Seht, da geht offenbar der Hochmut aus der Trägheit hervor. Wer sich davon werktätig überzeugen will, der setze sich nur in eine vertrauliche Zwiesprache mit dergleichen Individuen, und er wird alles das von Punkt zu Punkt bestätigt finden.

[28.17] Nehmen wir aber zwei Musiker; der eine hat es durch seinen Fleiß zu einer großen Kunstfertigkeit sowohl in praktischer als in theoretischer Hinsicht gebracht, der andere aber, ein Sohn der Trägheit, blieb zufolge seiner geringen Mühe bei der untersten stümperhaften Mittelmäßigkeit stehen. Nun fragt ihn aber, warum er es nicht auch so weit gebracht habe wie sein Mitschüler. Da wird er sagen:

[28.18] „Weil ich nicht so wie jene blutarmen Teufel darauf angestanden habe; denn ich bin ohnehin reich. Warum sollte ich mich da also plagen? Solcher Fleiß gehört nur für arme Teufel, und was liegt denn daran, ob man solch schweren musikalischen Quark selbst spielen kann oder nicht? Wenn man ihn nur versteht, wozu eben nicht viel gehört; spielen werden ihn schon solche armen Teufel, damit sie dadurch auch ein Stückchen Brot sich verdienen können. Zudem rührt ja auch alle solche schwere Musik von armen Teufeln her, und es wäre für einen Reichen eine barste Schande, sich mit dergleichen Früchten der Armseligkeit zu befassen.“

[28.19] Seht hier wieder ein aus dem Leben gegriffenes Beispiel, und ihr werdet daraus wieder ersehen, aus welchem Grunde Meine Jünger Mich verließen. Gehen wir aber weiter!

[28.20] Also spricht jemand, der gefragt wird, warum er sich nicht eifriger mit der Erkenntnis der rein christlichen Religionsgrundsätze befasst: „Ich verstehe diese Sachen nicht und habe mich auch nie damit abgegeben, und das aus dem Grunde, weil ich es fürs Erste für eine Läpperei halte, an der nicht viel daran ist, und fürs Zweite, weil man durch dergleichen religiöse Grübeleien am Ende höchstens ein Narr werden kann.“

[28.21] Seht, bei diesem Menschen war zuerst die Trägheit und dann sein daraus hervorgehender Hochmut der Grund, dass er gleich diesen Jüngern spricht: „Wer kann solch eine Lehre für wahr halten und sich daran kehren? Daher ist es besser, gleich diesen Jüngern den Herrn im Stich zu lassen.“

[28.22] So sagt auch ein verarmter Lump, wenn er gefragt wird: „Warum bist denn du in solche Armut gekommen? Du hattest doch, wie nicht leichtlich ein anderer, Gelegenheit, dir so manchen Groschen zu ersparen.“ Und seine Schutzrede lautet: „Ich habe solches Sparen zufolge Meiner erhabenen Natur für bettelhaft armselig gefunden, und es gehört nun zu meiner Ehre, dass ich dürftig herumgehe.“

[28.23] Seht, da ist wieder ein Beispiel, wo ein Mensch zuerst träge ist und kann sich nicht insoweit verleugnen, seinem Wesen einen Abbruch zu tun, und sich dadurch ein Vermögen zu sammeln; am Ende aber, da es ihm klar wird, dass er nichts hat, da wird er erst hochmütig und pocht noch obendrauf auf seinen lumpigen Zustand.

[28.24] Ich meine, wir haben der Beispiele genug, um aus ihnen allerklarst einzusehen, wie vielseitig Ich bei jeder Gelegenheit von Meinen Jüngern verlassen werde, wenn es heißt: „Von jetzt an leidet das Himmelreich Gewalt!“

[28.25] Also gehen auch eine Menge Wanderer auf ein hohes Gebirge. Solange es bequem geht, da gehen alle recht hurtig mit; wenn aber die Steilen des Hochgebirges kommen und es heißt: „Von da an braucht die Besteigung des Berges Gewalt und Kraft!“, da kehren sie um, und nur sehr wenigen gelingt es, die Spitzen des Hochgebirges zu erklimmen.

[28.26] Demselben Sinne unterliegt auch das: Solange der Mensch Mein Reich beim Lesepult sucht, da geht es gut; aber wenn es heißt: „Das Lesen genügt nicht, sondern nur der Handlung gebührt die Krone. Denn das Fleisch ist zu nichts nütze. Der Buchstabe tötet; nur der Geist ist es, der lebendig macht!“, da wird der Herr auch allzumeist von Seinen Jüngern verlassen, wie der Text zeigt.

[28.27] Beachtet somit diese Erklärung tätig, so werdet ihr nicht, wie die Jünger, euren Herrn verlassen! Amen.

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