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14. „Wenn sie euch da sagen: Siehe, Er ist in der Wüste!, so geht nicht hinaus; siehe, Er ist in der Kammer!, glaubt es nicht!“ (Matthäus 24, 26) – „Wo ein Aas ist, da werden sich sammeln die Adler.“ (Matthäus 24, 28)

Am 12. Januar 1844, abends

[14.1] Schreibt nur hin, was ihr habt!

[14.2] „Wenn sie euch da sagen: Siehe, Er ist in der Wüste!, so geht nicht hinaus; siehe, Er ist in der Kammer!, glaubt es nicht!“ – „Wo ein Aas ist, da werden sich sammeln die Adler.“

[14.3] Ihr habt gerade wieder solche Texte gewählt, die das, was wir für unsere Sache brauchen, als ein offenes Schild gerade auf der Nase tragen. Es wäre wirklich hoch zu verwundern, wenn ihr das sogar mit dem bloßen Verstand nicht auf den ersten Blick recht tüchtig wahrnehmen solltet.

[14.4] Was ist denn eine Wüste? Eine Wüste ist ein Boden, da kein Leben ist. Was ist denn aber eine geistige Wüste? Sicher nichts anderes als ebenfalls ein Feld oder ein Boden, auf welchem Ich nicht wandle und daher auch niemals anzutreffen bin.

[14.5] Wo ist aber dieses Feld oder dieser Boden, auf dem so häufig hinausgegangen wird, um allda zu finden die Wahrheit und den Grund des Lebens? Es ist dieser Boden und dieses Feld nichts anderes als die gesamte Literatur! Und demnach könnte dieser Text auch also heißen:

[14.6] „Wenn man zu euch sagen wird: Siehe, die wahre Weisheit, die lebendige Wahrheit ist in den Büchern; lest sie, und ihr werdet sie finden! – Da sage Ich dann darauf: Geht nicht hinaus in diese Wüste; denn da ist weder Weisheit noch die innere, lebendige Wahrheit zu finden! – Sondern Ich sage: Geht in die Liebe zu Mir und zu eurem Nächsten, sucht in der Tat Mein Reich, so wird euch alles andere in der höchsten Überfülle hinzugegeben werden.“

[14.7] Ich meine, über diesen Text bedarf es wohl keiner weiteren Erklärung mehr, indem seine Bedeutung nur zu sehr mit den Händen zu greifen ist. So leicht aber der erste Text ist, ebenso leicht ist auch der zweite, demzufolge niemand glauben soll, dass Ich in den Kammern sei, wenn man das von Mir aussagt.

[14.8] Was sind denn diese Kammern? Kammern sind in naturmäßiger Sphäre geheime Gemächer, in denen nicht leichtlich etwas Offenkundiges zum Vorschein kommt. Gewöhnlich sind sie die Werkstätten mehr oder weniger politischer Falschmünzerei. So hat auch ein jeder Mensch ein paar Herzenskammern und weiß nie, was in selben vorgeht. Nun wüssten wir so ziemlich die naturmäßige Bedeutung von einer Kammer. Selbst eine sogenannte Rumpelkammer enthält gewöhnlich Gegenstände, die von der Öffentlichkeit abgesperrt sind; und der Besitzer von einer solchen Rumpelkammer weiß oft selbst kaum, was alles für unnützes Zeug in ihr der Vermoderung und dem Schimmel übergeben ist.

[14.9] Was aber ist nach solchem naturmäßigen Vorbild eine geistige Kammer? Ich brauche euch dafür keine eigene Erklärung zu geben, sondern bloß einige solcher Kammern anzuführen, und ihr werdet auf der Stelle auf ein Haar wissen, wie ihr damit daran seid. Diese geistigen Kammern heißen: allerlei Konfessionen, Sekten, klösterliche Vereine, Konklaven, allerlei Mystizismen, Konzilien, Konsistorien. Wir haben genug; denn ihr könnt euch selbst noch eine Menge dergleichen Vereine, Kongregationen und Brüderschaften hinzudenken. Diese passen alle hierher.

[14.10] Demnach könnte der Text so heißen: „Wenn man euch sagen wird, das Reich Gottes oder die lebendige Wahrheit oder die reine Lehre Christi ist in dieser oder jener Konfession oder Sekte usw., oder das ist die alleinseligmachende Kammer, so glaubt es nicht; denn der Herr ist nur bei denen, die Ihn lieben im Herzen und in Werken.“

[14.11] Wo zwei oder drei in Meinem Namen oder in Meiner Liebe (es versteht sich von selbst) tätig beisammen sind, da bin Ich mitten unter ihnen; aber sicher nicht da, wo man sich anstatt über Mein Wort und Meine Liebe nur über weltliche, militärische und Geldangelegenheiten beratet, – wo diejenigen, die sich Meine Priester nennen, auch Festungsbau, Maschinenwesen und Eisenbahnen projektieren.

[14.12] Auch hier, meine Ich wieder, dass der Text so klar gegeben ist, dass ihn wohl auch jedermann mit den Händen greifen kann, wie er genau für unsere Sache passt, in der es ebenfalls nicht genügt, dass man bloß nur in ihr Geheimnis eingehe wie in eine Kammer, sondern dass man danach tätig sei.

[14.13] Das ist alles richtig, aber wir haben noch einen dritten Text. Wie werden wir diesen hierherbringen, dass er auch passe für unsere Sache? Das wird noch leichter gehen, als wie mit den zwei früheren!

[14.14] „Wo ein Aas ist, da versammeln sich die Adler.“

[14.15] Wer ist denn das „Aas“ nun auf dieser Welt, vor dem sie sich ihre Nüstern verstopft und es sie ekelt, wenn man von diesem Aas spricht? Dieses Aas habe Ich leider die Ehre Selbst zu sein!

[14.16] Wer sind denn die freilich wohl etwas selten gewordenen „Adler“? Das sind die wenigen ganzen Liebhaber Dessen, der euch hier dieses kundgibt! Diese wenigen Liebhaber haben ein scharfes Gesicht und eine scharfe Nase; oder sie haben ein tiefes lebendiges Gefühl und demzufolge [eine untrügliche Urteilskraft], was zusammengenommen ist der lebendige Glaube.

[14.17] Warum versammeln sich denn die Adler, wo ein Aas ist? Weil ihnen ihr Instinktgefühl sagt: Da gibt’s für uns eine lebendige Kost! – Darum fliegen sie denn auch hin und sättigen sich zur Übergenüge.

[14.18] Also wissen es auch Meine wahrhaftigen Verehrer und Liebhaber, dass Ich ein wahres Brot des ewigen Lebens bin, und dieses Brot ist Meine Liebe; diese genießen sie in vollen Zügen und ernähren sich dadurch zu einem Leben, das ewig nimmer von ihnen genommen wird.

[14.19] Also weiß es der Hungrige, dass er essen muss vom wahren Brot, wenn er gesättigt werden will. Wird er aber auch satt, so ihr ihm statt des Brotes ein Kochbuch zu lesen geben möchtet?

[14.20] Oder was wird ein Adler in kurzer Zeit für ein Gesicht machen, so ihr ihn fangen möchtet und dann einsperren in eine Rumpelkammer? Wird er sich wohl sättigen an den verschimmelten und vermoderten Gegenständen? Sicher nicht; er wird darinnen schwach werden und der Tod wird über ihn kommen.

[14.21] Also geht auch ihr nicht in die Kammern, darinnen wohl ein Aas des Todes, ein Aas Balaams, ein Aas des Heiden- und Götzentums modert, sondern fliegt mit den Adlern hinauf in die Höhe, und ihr werdet leicht gewahr, wo das Aas ist, das euch Leben bringt!

[14.22] Die Höhe ist die reine Erkenntnis Meines Wortes, und das Aas ist das lebendige Wort, das der Welt zum Ekel geworden ist, und die Welt es flieht wie Pest, wo sie dasselbe wittert. Wollt ihr das erfahren, so fangt nur an zu reden mit einem Weltmenschen, Nummer eins, über die Bibel und dann, Nummer zwei, gar über die Möglichkeit eines inneren, lebendigen Wortes aus Mir, so wird er euch im besten Falle fürs Narrenhaus zeitig finden; oder wenn es etwas schlimmer geht, so wird er euch sogleich als staatsgefährliche Narren publik machen, und es wird bei euch hoch an der Zeit sein, sich aus seiner Sphäre zu begeben.

[14.23] Aus dem aber geht doch etwa klar hervor, wer nun das „Aas“ ist, wer die „Adler“, was die „Kammern“, und was die „Wüste“!

[14.24] Geht daher auch ihr weder in die Wüste noch in die Kammern, sondern sucht in der Freiheit eures Geistes das Aas, so werdet ihr das wahre Leben finden!

[14.25] Ich meine, das wird auch wieder klar sein; aber darum dennoch das nächste Mal wieder um eine Zentralsonne weiter!

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