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134. Auf der Kleinalpe – 15. Juli 1841 [Psalmen und Gedichte 1898]

Am 14. Juli 1841 bestiegen L. B. J. und A. H. bei günstiger Witterung die höchste Spitze der Kleinalpe und verweilten – eines anhaltenden kalten Sturmes aus Westen ungeachtet – drei Stunden auf der Höhe, von wo aus die bedeutendsten Hochgebirge der Obersteiermark wie auch die Städte Judenburg und Leoben deutlich erblickt werden konnten. Am 15. Juli erging dann an den Knecht des Herrn folgende Mahnung:

Schreibe, es ist ein lieblich Wort wohl zu vernehmen von den Höhen der Berge auf der freien schönen Höhe der Kleinalpe:

  1. Was starrst du, müde Schar, dahin nach jener Berge Reihen, / da schroffe Scheitel Mir, dem Schöpfer, ihre Düfte weihen? / Erkenne deine Schuld und lern es wohl von diesen Helden, / was all’s sie dir von deinem Vater, ihrem Schöpfer, melden, / wie kühn und mächtig sie da stehen, diese großen Zeugen, / und wollen nimmer, so wie ihr, von Meiner Größe schweigen! / Um ihre heil’gen Spitzen häufig frohe Nebel kreisen / und helfen dankend ihnen still den großen Vater preisen. / Und heitre Winde rauschen mächtig über hohe Zinnen, / um anzuzeigen, dass die Felsen da Mein Lob beginnen.
  2. Es banget dir, du matter Seher, vor den ries’gen Höhen, / du schauerst, wenn der Alpe reine Geister dich umwehen, / als kühle Winde deinem Auge manche Trän’ entlocken. / Doch wenn du sehen möchtest, da Äonen weißer Flocken / sie emsig aus den müden Wolken freudig formen, bilden, / und dann sie sorglich streu’n auf all den hohen Moosgefilden, / und möchtest sehen noch all dies mit deines Geistes Augen / und schaun, wozu all diese Geisterarbeit möchte taugen – / sodann erst möcht’st du rufen: Wer da achtet Gottes Werke / hat eitle Lust; sie zeigen ihm des heil’gen Vaters Stärke!
  3. Ihr habt geseh’n des Oberlandes kühn gestellte Berge / und auch geschaut auf deren Schoß die niedren, stein’gen Zwerge, / den hohen „Schwab“ und „Reiting“ saht ihr alle duftend prangen, / den „Pred’gerstuhl“ und andre Berge, die mit Wolken rangen, / o höret diese seltnen hohen Berggebilde sprechen, / vernehmt ihr Wort in eures stein’gen Herzens sand’gen Schwächen! / Es lautet kurz also: „Du schwacher Mensch auf dieser Erde, / du schaust ganz wonnetrunken, stumm für unsere Beschwerde / die hehre Pracht an uns; doch würdest du uns näher treten, / dann möcht’st du schauern wohl vor unsern schweren Prüfungsketten!“
  4. Und also weiter legen Worte euch ans Herz die Berge, / also verständlich: „Seht uns an und schaut die alten Särge, / wie wir da stehn und majestätisch in die Lüfte ragen, / also auch eine Unzahl Toter stets in uns wir tragen, / und wenn die Barmlieb’ Gottes uns nicht möchte kühlen, / fürwahr: des Grimmes Wüten würde bald das Land erfüllen, / denn die wir fest in unsern harten Leibern müssen halten, / die möchten flammend hier in einer Stund die Erd’ umstalten! / Doch solches zu verhüten und zu wahren euch den Frieden, / da tragen wir an eurer statt die große Last hienieden!“
  5. O lasst der Berge mächt’ge Worte tief ins Herz euch bohren, / denn wieder weiter legen sie die Zung’ an eure Ohren, / also vernehmlich: „Wenn die Nebel uns behänd umkreisen, / verhüllend unsre hohen Scheitel; sehet, da beweisen / gar hehre Wesen mächtig uns schon alte Totenwächter / und sänften da mit ihrer Lieb’ in uns die Gottverächter / durch ungezählter Tränen Menge aus der Liebe Augen. / Die da in uns der Liebe Spende sorglich in sich saugen, / die werden dann erweckt, auch zu erstehn ins freie Leben / und nach und nach ins höh’re, wie’s euch Menschen ist gegeben.“
  6. Und da der Berge Mund für euch schon einmal offen stehet, / so horcht noch ferner, was der Hohen Hauch zu euch hinwehet: / „Wenn mächtig über unsre Häupter frische Winde eilen, / dass ihr darob auf uns nicht lange könntet forschend weilen, / da ist’s, dass Legionen neue Leben sich erheben / und sorglich eilend nach den pflanzenreichen Eb’nen streben, / um solches vorbestimmte Ziel baldmöglichst zu erreichen, / vereinen sie zu Nebeln sich nach alten Lösgebräuchen / und fallen dann als leichter Regen über Pflanzentriften, / allda sie neubelebend selbst sich in das Leben lüften!
  7. Und wenn im spät’ren Herbst die frühen Flocken uns bekleiden, / darob uns dann all warmes reges Leben pflegt zu meiden, / ja selbst so manche heitre Quelle eisig stockt im Fallen / und also all’s verstummt auf unsren freien Lebenshallen, / da winkt dir, Forscher, eine neue Zeit, ihr treu zu bleiben / mit deinem Aug’ und Ohre. Denn da fängt sich’s an zu treiben / hinauf, hinab; nach allen Seiten siehst du nichts als Streben / nach einer festen Form, um so zu künden sich als Leben. / Denn solches ist die Heimwehzeit, da alles sich möcht finden, / darum da jeder Geist sich gerne lässt durch andre binden.
  8. Und wenn dann erst der volle treue Winter ist gekommen, / alsdann wird nicht gar selten unsre feste Brust beklommen, / denn da ereilen uns des hohen Nordens Friedensrichter, / bestreuen unsre tiefen Furchen bald durch ihr Gelichter / von tiefem Schnee und starrstem Eise, uns zur Probe drückend; / o seht, dann ist’s auf unsren Höh’n zu wandeln nicht entzückend, / denn da wird jedes freie Leben also hart ergriffen, / dass es wohl nimmer fühlen mag der Liebe süßes Triefen. / Und wenn des Frühlings Hauch zerreißet auch des Nordens Bande, / da kehrt kein Leben mehr zurück zum frühern Heimatlande!
  9. Nur wenn das stumme Schnee- und Eisgelichter ist gewichen, / allwann ein warmer Frühling hat den Winter weggestrichen, / da kehret dann das Pflanzenleben wohlgestärket wieder; / doch nimmer wiederkehren da erfror’ner Vöglein Lieder, / selbst Menschen, die auf unsrem Rücken hat der Nord erdrücket, / die werden schwerlich mehr von unsrer Sonne Strahl erquicket. / Doch so ein freies Leben hier gefährdet ist geworden / durch ein zu friedsam’s Walten unsres übertreuen Norden, / da soll darob wohl niemand gar zu sehr uns Berge klagen, / denn solch Gefangnen fängt ein andres Leben an zu tagen!“
  10. Und so mag dieses Liedchen euch zu einer Fahne dienen, / mit der ihr all der Berge Sinn könnt überleicht gewinnen, / und leichter zu verstehen auch, das Ich euch noch werd geben; / fürwahr, ihr werd’t durch diese Fahne manchen Zweifel heben, / denn leichter ist’s auf Berge gehn und von da andre schauen, / als zu verstehn, woher auf selben rührt solch wonnig Grauen. / Darum denn gab Ich vor der größren Gabe diese Fahne / zu Handen euch, damit sie euch getreu zuvor ermahne, / dass Meine nächste Gabe sich in Weisheit wird ergießen, / die ihr durch diesen Schlüssel doch gar leichtlich werd’t erschließen!
  11. Ich der Herr / euch das bescher! / Wollt ihr mehr, / so kommt nur her;
  12. der gibt gerne, / der da lenkt die Sterne / in der weiten Ferne, / der gibt gerne!
  13. Der heil’ge Vater – gut / jedem Kind gern Gutes tut, / weil allein der Vater gut, / darum keins wie Er es tut.
  14. Am Himmel wohnen / viele Sonnen; / Engel thronen / in den Sonnen,
  15. auf den Sonnen, / um die Sonnen / ruhn die Kronen / aller Zonen!
  16. Darum ist der Vater heilig, groß und gut, / da er solche große Ding’ euch künden tut, / und sagt auch allzeit Amen / als guter Vater. Amen.

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