Ein scheinbar unbedeutend, nichtig Ding / erscheint dem Aug’ ein eh’rner Siegelring, / doch wenn ein Fürst ihn trägt an seiner Hand, / hat er ein groß Gewicht fürs ganze Land. / So ist ein Ring, den da ein Fürst getragen, / ein großer Wert, danach in spätsten Tagen / so manche Tatenforscher eifrig fragen / und emsigst nach solch altem Schatze jagen.
Es gibt ein Amt sogar in manchem Staat, / das da den Namen „Siegelwahrung“ hat, / und dem da ist ein solches Amt vertraut, / auf den der Fürst auch sicher Großes baut. / Nur eines Landes alterprobte Treuen / ermächtiget der Fürst nach dem zu freien; / ein andrer mag sich da zu Tode schreien, / nie doch wird er des Amtes sich erfreuen.
So mancher Fromme auch von Mose spricht: / „Er war des Herren Ring, ein großes Licht!“ / Fürwahr, er ist dies noch zu dieser Stund, / ein Siegel Gottes für den alten Bund, / den Gott in Abraham schon hat gestellt; / und was Er diesen weislich hat erhellt, / hat Er, zu künden aller Welt, erwählet / den Mosen, ihn hat Er mit Sich beseelet.
Wenn solches aber denn von Mose gilt / und ist in jeglichem Propheten Moses Bild, / nachdem in solchem Geiste jeder spricht, / dem Volk ist er ein unerforschlich Licht. / Wenn nun so hoch ein Moses, der vergangen, / warum da nicht nach dem, was da, verlangen, / warum an Mose nur hochachtend hangen, / warum nicht auch, was da, also umfangen?!
So merk es denn, du eitle Gegenwart, / Ich sag es dir: Du bist in dir so hart, / erkennest nicht bei dir den Siegelring, / er scheint dir, wie dem Aug’, ein nichtig Ding. / Doch so des Fürsten Ring du hältst in Ehren, / der sich doch pflegt nach Weltlichem zu kehren; / o sieh, wie magst du dich denn so betören, / so schwach in Meinem Ringe Mich zu ehren?!
Ist auch an sich schon jeder Siegelring / ein nichtig, unbedeutend kleines Ding, / so ist doch Der, der selben braucht und führt, / erhaben hoch und voll der höchsten Würd’. / Die da demnach den Fürsten ehren wollen, / die müssen auch dem Ringe Achtung zollen; / so aber jemand möcht dem Ringe grollen, / wird der nicht auch des Fürsten Ehre schmollen?
Es sei, und wär der Ring von schlechtem Erz, / gesteckt an Meinen Finger durch das Herz, / er ist es nicht, wohl aber der ihn trägt, / doch wert, dass man fürs Siegel Achtung hegt. / Es soll darum da niemand weise streiten, / nicht betend gar zu Meinem Ringe schreiten; / doch einem Ringe trübe Zeit bereiten, / dadurch wird niemand viel von Mir erbeuten.
Was da gesagt, dem biete niemand Trutz, / wohl aber mach’ sich jeder solch’s zu Nutz’! / Kannst du nicht achten, was dein Auge sieht, / wie ehren dann, das stets dein Auge flieht? / Was da von Mir zum Ringe ist gestaltet, / ist er auch gleich dem Moses nicht veraltet, / so wird durch ihn doch alles neu umstaltet, / so da durch ihn die Lieb’ der Liebe waltet. Amen.
Das ist etwas allein für dich. So du es jemandem zeigen willst, kannst du es ja tun, Pflicht jedoch sei dir solches nicht. Es gebührt zwar solches dir Meinetwegen! Für dich selbst aber doch ist es besser zu dulden und zu haben, wie bisher, ein demütiges Herz! Darum sei es dir keine Pflicht, solches auch sogleich den anderen mitzuteilen. Amen.
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