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143. Drei Fragen zu Schrifttexten (Fortsetzung). Der flüchtige Jüngling – 1. April 1864 [Supplemente 1883]

  1. Dieser Vorfall wird auch nur in aller Kürze von dem Evangelisten Markus berührt, hätte aber auch wohl ganz gut ohne Schaden für sein Evangelium wegbleiben können, indem er nahe gar keinen moralischen Wert hat.
  2. Um aber dieses wirkliche Faktum und dessen Grund näher zu verstehen, muss man wissen, dass sich zu jener Meiner Zeit ein gewisses Kollegium von jungen Menschen zusammengerottet hatte, die einerseits das Pharisäertum verachteten und ihre Wunder auf taschenspielerische Art ganz getreulich nachzumachen verstanden und nicht selten in gewissen Zirkeln ihresgleichen Produktionen machten, durch die sie das Pharisäertum als sehr lächerlich darstellten, und die andererseits sich bei den Römern, die das gerne sahen, beliebt machten und daher eine geheime Protektion besaßen, die Frömmelei und Wundertäterei der Pharisäer besonders im Angesichte der Römer und Griechen ungestraft ins Lächerliche zu ziehen.
  3. Bei einem solchen Klub befand sich denn auch ein Jüngling, der Mich einige Male in Jerusalem angehört und beobachtet hatte und an Meiner Lehre und Meinen Taten ein besonderes, ernstes Wohlgefallen fand und mit seinen Kollegen darin nicht übereinstimmen wollte, die durch allerlei Mittel auch Meine Wundertaten nachzuahmen versuchten. Dieser Jüngling verwies ihnen solches und zeigte ihnen, dass Meine Lehre und Meine Taten von einem ganz anderen Geiste herrühren als die der dummen und blinden Pharisäer. Seine Kollegen aber lachten ihn darüber aus und sagten zu ihm bei mehreren Gelegenheiten: Wenn der galiläische Wundertäter nicht irgend unter einer besonderen Protektion der Römer steht, so wird er der Rache der Templer so wenig entgehen, als wir derselben entgehen würden, so wir nicht die Römer und Griechen zu unseren sicheren Beschützern hätten.
  4. Und seht, diese Jünglinge nun passten sehr darauf, bis Ich wieder nach Jerusalem käme, um zu sehen, was da mit Mir geschehen würde nach der ihnen wohlbekannten Mir geschworenen Rache von Seiten der Templer. Als Ich zu der euch wohlbekannten Zeit nach Jerusalem kam, daselbst verraten und durch Meine eigene Zulassung gefangengenommen und den strengen Gerichten überantwortet wurde, da war denn dieser Jünglingsklub auch, wennschon etwas von ferne, gegenwärtig. Und als dieser wohl merkte, was mit Mir vor sich ging, da holten einige aus diesem Klub auch den einen Mir zugetanen Jüngling, der sich in einem benachbarten Haus schon zur Ruhe begeben wollte, zogen ihn herbei, um ihm zu zeigen, wie mit Mir ihre Voraussage und Behauptung eingetroffen sei.
  5. Als der herbeigezogene Jüngling, der in der Eile nur ein Leintuch von seinem Bett um den Leib gehängt hatte, solches an Mir geschehen ersah und dabei auch der Meinung war, dass seine Kollegen etwa auch ihn den Juden zur Bestrafung ausliefern möchten, da riss er aus, lief, was er nur laufen konnte, und verbarg sich in der Nacht vor seinen Kollegen, von denen er der Meinung war, dass sie ihn verfolgen würden, was sie aber ihres eigenen Heiles willen nicht taten und auch nicht leichtlich getan hätten.
  6. Da habt ihr den eigentlichen, ganz mit Händen leicht zu greifenden Grund der Erscheinung, deren der Evangelist Erwähnung macht, die aber an und für sich gar nichts besagt als nur, dass dieser Jüngling zum Teil aus Furcht vor seinen Kollegen, zum größten Teil aber aus Furcht vor der übergroßen Rachsucht der Pharisäer sein Heil in der Flucht suchte; doch später, als er von Meiner Auferstehung Kunde erhielt, wieder ein fester Anhänger Meiner Lehre wurde, sich aber dennoch in Jerusalem nicht aufhielt, sondern zu den Essäern überging, denen er zuerst die Kunde überbrachte, was mit Mir geschehen sei.
  7. Diese sandten darauf selbst Boten nach Jerusalem, die sich allergründlichst zu erkundigen hatten, was mit Mir vorgefallen sei. Sie erhielten davon denn auch bald die Kunde, da von Jerusalem bis in die halbarabische Gegend des heutigen Suez eben keine zu weite Strecke war, die bei sehr mäßigem Fortschreiten in drei Tagen zurückgelegt werden konnte.
  8. Als die Essäer auf diesem Wege die volle Bestätigung von dem erhielten, so säumten sie auch keinen Augenblick, diese Kunde dem römischen Oberstatthalter Cyrenius nach Tyrus zu hinterbringen, bei welcher Mission auch unser Jüngling beteiligt war. Cyrenius hatte diese ganze Gesandtschaft sehr gut aufgenommen und behielt den Jüngling an seinem Hof, der dem alten Greis vieles zu erzählen wusste, was er selbst von Mir gesehen und gehört hatte.
  9. Dieses erfüllte den Cyrenius wie auch später seinen Bruder Cornelius mit einer allerbittersten Rache gegen alle jüdische Priesterschaft, so dass beide einen Schwur machten, alles Mögliche beizutragen, diese Untat an Mir an allen Erzjuden auf das Allerunerbittlichste zu ahnden.
  10. Pilatus, der Landpfleger in Jerusalem, hatte dadurch auch bald das consilium abeundi [den Rat, wegzugehen] bekommen, durfte nicht einmal mehr völlig nach Rom zurückkehren, sondern er musste seine Heimat in der Nähe des heutigen Neapel und zwar in einer Klause unweit von dem untergegangenen Pompeji aufrichten, allwo man noch heutzutage einen in Felsen gehauenen Gang mit der Aufschrift „Behausung des Pontius Pilatus“ aufgefunden hat und in einer ziemlich tiefen in den Felsen hineingehauenen Nische, die man vermauert antraf, mehrere Schriften, die auf Mich Bezug hatten und sich gegenwärtig in einer Bibliothek von Neapel befinden, aber kaum brauchbar sind, weil sie in einem halbverkohlten Zustand angetroffen wurden.
  11. Das war sonach die erste Rache des Cyrenius, die er an Pilatus nahm. Die zweite geschah an Kaiphas, als dieser nach der bestimmten Zeit die Hohepriesterschaft ablegen und einem anderen überlassen musste, da ein Hohepriester nur auf drei Jahre lang sein Amt verwalten durfte. Diesem Kaiphas wurden schon im Verlaufe von wenigen Jahren alle seine vielen Güter um Jerusalem herum weggenommen und an die Römer verkauft, und er musste am Ende seine Zuflucht an den Grenzen der arabischen Wüste suchen und nahm daselbst ein elendes Ende.
  12. Was die anderen Pharisäer betrifft, so wurden sie dem neuen Landpfleger zur strengsten Aufsicht anempfohlen, was er denn auch nicht sparte. Und dieser tat das umso lieber, da er aus der bekannten Familie Agricola herstammte und auch bei seinen Unterschriften diesen Namen führte, obschon er sonst Antonius hieß.
  13. Dass dieser neue Landpfleger auch dem Herodes Antipas alle erdenklichen Prügel unter die Füße zu werfen verstand, beweist sich schon daraus, dass er nur zu bald so viele Römer und Griechen nach Palästina zu locken verstand, dass dadurch die Einkünfte des Herodes sehr geschmälert wurden und er sich am Ende genötigt fand, seine letzte Zeit in einem starken Kastell am Mittelländischen Meer zuzubringen, indem er sich in Jerusalem nicht mehr völlig sicher fühlte.
  14. Diesem Landpfleger stand auch der bekannte Hauptmann Pelagius, der über mehrere Städte auf dem Aurangebirge zu gebieten hatte, mit allen Hilfsmitteln zu Gebote und noch mehr der Oberst Cornelius, der über ganz Galiläa und einen großen Teil von Syrien bis nach Damaskus hin zu gebieten hatte.
  15. Und die beiden Brüder Cyrenius und Cornelius hätten ihrer Rache noch mehr Luft gemacht, so nicht Ich ihnen bald nach Meiner Auferstehung persönlich erschienen wäre und sie davon abgehalten hätte, indem Ich ihnen haarklein im Voraus sagte, dass ihr Vorhaben an Jerusalem und im ganzen Gelobten Land schon in vierzig Jahren vor sich gehen werde, und zwar eben auch durch die Macht der Römer.
  16. Wie den beiden genannten Römern erschien Ich gar vielen nach Meiner Auferstehung und hielt sie von einer zu strengen Rachenahme an den Juden und Pharisäern ab. Und hätte Ich das nicht getan, so wäre in kurzer Zeit nach Mir in diesem Land ein Blutbad angerichtet worden, wie es die Menschheit noch nie gesehen hätte.
  17. Den bewussten Jüngling aber, den Ich beim Cyrenius antraf, segnete Ich und machte ihn Meines Geistes teilhaftig. Und er ward darauf auch ein tüchtiger Jünger in Meinem Namen, ging wieder zu den Essäern und breitete von dort aus über einen großen Teil Nordafrikas Meine Lehre aus. Er zeichnete sich besonders durch ein liebreiches Leben aus und wirkte viele Zeichen in Meinem Namen.
  18. Das Eigentümliche von ihm aber war, dass er keinen persönlichen Namen annehmen wollte. Sein Titel war: „Allerunwürdigster Knecht des Allerhöchstwürdigsten Gott-Meisters“. Auch gab er sich zuweilen den Namen „Der Knecht der Knechte“, welchen Titel sich auch die alten, von Karthago aus nach Rom übersiedelten sogenannten Kirchenväter sowie nach ihnen auch zum Teil die Päpste beilegten, aber der Tat nach nie beobachteten.
  19. Markus wusste das wohl, aber er machte davon keine weitere Erwähnung, denn er begnügte sich mit dem, dass er diesen Jüngling bloß einfach anführte, wie er die Flucht ergriff.
  20. Das Weitere, was ihr von diesem Jüngling wissen wolltet, erzählte er mündlich; daher denn auch verschiedene mündliche Überlieferungen darüber, wer dieser Jüngling sein mochte, besonders in der römischen Kirche gang und gäbe wurden, darunter eine der allerdümmsten jene war und zum Teil noch ist, darnach man aus diesem Jüngling den Apostel Johannes zu machen bemüht war. Und nun wisst ihr auch von diesem Jüngling das Sicherste und Wichtigste. Und somit begnügt euch mit dem allem in Meinem Namen. Amen.

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