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104. Vom Lesen des Gotteswortes – 2. Juli 1847 [Aehrenlese 1856]

Wie manche das Wort Gottes lesen – und wie dasselbe von den Menschen gelesen oder angehört werden soll mit Nutzen für Seele, Geist und Leben.

  1. Es gibt allerlei Leser des Wortes Gottes, des lebendigen, ja desjenigen, durch das alles, was da ist, gemacht wurde.
  2. Einige lesen es wie die alte Geschichte des Prinzen Piripinker, wie die Geschichte der Genovefa, des daumlangen Hansel und die der vier Haimonskinder! Die Bibel — sagen viele — ist ein altes, aus allen Zeiten zusammengestoppeltes Werk, das sich mit der neuen Literatur nicht mehr messen kann. Es enthalte eine große Menge mystischer Wundermärchen, welche mit einer alten, manchmal sehr saftlosen Moral unterspickt sind, manchmal mit historischen Skizzen und am häufigsten mit Droh- und Strafpredigten und prophetischen Unglücksverheißungen, die aber nicht viel besser wären als die Witterungsvoranzeigen in den Bauernkalendern, von denen auch sicher jede richtig wäre für irgendeinen bestimmten Teil der Erde; denn regne es hier nicht, so kann es ja in China oder auf Tahiti oder Otahaiti regnen, in Kamtschatka oder in Südamerika. Ebenso stände es auch mit den Prophezeiungen in der Bibel. Treffen sie in Europa nicht ein, so gäbe es ja noch Asien, Afrika, Amerika, Australien und eine zahllose Menge großer und kleiner Inseln im großen Weltmeer, allwo auf einer oder der anderen so eine Prophezeiung sicher und ungezweifelt in Erfüllung gehen muss!
  3. Bei solchen Lesern macht das Wort aber auch eine Wirkung, o eine herrliche Wirkung! Es macht, dass sie gähnen und bald darauf zu schlafen beginnen, leiblich und geistig für ewig, d. h., sie gehen so recht sanft in den ewigen Tod über! Denn wer nach dem Wort nicht tätig wird, der stirbt für ewig geistig und leiblich mit.
  4. Ich aber habe für solche schon zu öfteren Malen das Wort des Alten wie Neuen Bundes durch verschiedene Seher und Knechte klar enthüllen lassen, d. i. durch Meinen heiligen Geist in ihnen. Aber da macht die Enthüllung denselben Effekt, und man sagt dazu: die alte Bibel sei wie ein Proteus und wie ein Chamäleon, das in allen Gestalten und Farben brauchbar ist, und ein geweckter Kopf kann daraus machen, was er will, wie ein geschickter Bildner aus der rohen Materie. – Mit dieser Kritik werden für den Geist des Menschen wohl sicher keine goldenen Berge im Reich des Lebens erwachsen!
  5. Wieder gibt es andere Leser, diese haben zwar wohl einen gewissen Respekt vor der Bibel und lesen wohl auch manchmal recht aufmerksam darinnen; aber da sie denn doch gar vieles darin nicht fassen, und manchmal sogar auf buchstäbliche Widersprüche stoßen, da sagen sie dann gewöhnlich bei sich, und manchmal wohl in Gegenwart ihrer Freunde: Wenn Gott durch die Bibel seinen Willen an die Menschen hätte offenbaren wollen, so müsste es Ihm ja doch vor allem daran gelegen gewesen sein, fürs Erste von jedermann und fürs Zweite zu allen Zeiten verstanden zu werden und, um den letzten Zweck zu erreichen, dahin Sorge zu tragen, dass solch ein heiligst sein sollendes Kleinod aller Menschen auch für alle Zeiten unverfälscht erhalten werden möchte.
  6. Diese Kritik ist zwar um ein Haar besser als die obige, aber sie hält nicht Stich; denn um was sich so ein Kritiker abmüht, für das ist ohnehin tausendfältig gesorgt. So er aber blind ist und solches nicht merkt, so kann er sich nur selbst zuschreiben, wenn er dabei ein Esel bleibt und seines Geistes Kräfte um eine Eselskost vergeudet!
  7. Wer heute politische Weltsachen vor Augen hat, morgen allerlei andere Dinge, am dritten Tag Geldgeschäfte, am vierten Mist- und Heugabeln, am fünften allerlei Obstbäume und Rebenverbesserungen, am sechsten Tag schöne Mädchen, Theater und dergleichen, am siebenten Tag vor lauter Welt nicht weiß, wo ihm der Kopf steht, am achten sich allenfalls in einem Gasthaus mit seinen Weltfreunden über allerlei Welt bespricht, um sich doch ein wenig zu zerstreuen und auszuheitern, am neunten Tag nichts als bloß denkt und simuliert, was ihm der elfte, zwölfte, dreizehnte und vierzehnte Tag alles für Arbeiten geben und machen wird, und höchstens am fünfzehnten Tag ein paar Verse aus der Bibel auf die Art verschluckt, wie ein Reisender ein paar Löffel Suppe, wenn der Postillion schon zur Abfahrt das Zeichen gibt; – frage, kann der wohl verlangen, dass ihm, wie ihr zu sagen pflegt, etwa gar des heiligen Geistes gebratene Vögel ins Maul fliegen sollen? Da ist’s, wie es heißt: Von Dornen und Disteln erntet man nie Feigen und Trauben.
  8. So wenig als Lilien und Rosen auf Brennnesseln und Stechäpfeln wachsen, ebenso wenig kann in einem mit allen Weltangelegenheiten angepfropften Gemüt das innere geistige Verständnis Meines Wortes je emporkommen und noch weniger zur Reife gelangen! Und so kann sich ein solcher Weltweiser dann ja auch keineswegs darüber aufhalten, wenn er dem Geiste nach ein Esel verbleibt, zeitlich und gar leicht auch ewig.
  9. Womit aber jemand umgeht, darin wird er mit der Zeit auch klug. Wer mit der Welt umgeht, der wird mit der Zeit weltklug; aber fürs Gottesreich bleibt er ein Tor voll Blindheit. Wer mit Pferden umgeht, der wird ein kluger Stallmeister, wer mit der Malerei, der wird ein Maler, wer mit der Musik, der wird ein Musiker, und dergleichen mehr. Wer aber vor allem mit Meinem Wort umgeht und darnach tut, der wird klug in Meinem Reich des ewigen Lebens, das da jedermann verkündet ist im Wort und was er zu tun hat, um selbes zu erlangen.
  10. Aber so jemand sozusagen nur zu allen heiligen Zeiten einige Stellen aus der Bibel oder sonstiger Offenbarung liest wie ein beschriebenes Stück Papier, darein ein Stück Käse gewickelt war, oder wie mancher am Abtritt halbzerrissene Intelligenzartikel aus Langerweile wie einen sogenannten Rebus entziffern will, da – wahrlich wahr, ist der heilige Geist wohl so hübsch ferne, etwa wie die zwei äußersten Pole der endlosen Schöpfung.
  11. Bei Mir ist nichts mit einem Deus ex machina [Gott aus der Maschine], sondern lediglich nur aus einer diligentia [Achtsamkeit] des Geistes ausschließend in rebus divinis [göttlichen Dingen]; wo diese ausschließliche diligentia mangelt wegen allerlei machinis Mundi [Weltmaschinen], da ist auch nichts oder nur sehr wenig mit dem Deus in nobis [Gott in uns] und daher auch ebenso viel mit dem wahren Verständnis des alten oder neu geoffenbarten Wortes Gottes!
  12. Dergleichen Menschen sind Mir aber auch wahrlich wahr am zuwidersten, weil sie lau sind für das Allerwichtigste und das verheißene ewige Leben gerade mit der Zuversicht betrachten wie ein Lotteriespieler sein Lotterielos: Ist was und kommt was, so ist’s gut; ist aber nichts und kommt nichts, so ist es so auch gut. – Ja wahrlich, bei denen wird’s wohl ewig so auch gut sein, wenn’s mit dem ewigen Leben nichts wird und auch nichts kommen wird, was ihnen dazu verhelfen könnte.
  13. Wer aber Mein Wort liest, der lese es aufmerksam und behalte es wohl im Herzen und tue nach seiner Kraft nach dem Wort und sei nicht bloß ein eitler Leser oder Hörer desselben, sondern ein wahrer und lebendig warmer Täter, so wird er auch die rechten Früchte ernten, wie sie im Wort der alten und neuen Offenbarung verheißen sind. Aber das denke sich ja keiner, dass Ich jemandem, der Meine Sache also behandelt wie einen Alten-Weiber-Prozess oder höchstens wie eine dumme Prise Schnupftabak oder wie ein Flickschuster-Konto, Mein Reich, Meine Gnade und Meine große Erbarmung an den Rücken nachwerfen werde! O nein, das werde ich sicher ewig nicht tun.
  14. Glaube aber ein jeder in seiner Torheit, was er will; Ich aber werde tun, was Ich will, und werde Mich von der Dummheit der Menschen ewig nicht beirren lassen; denn Ich brauche euch Menschen nicht, wohl aber braucht ihr Mich! Ich aber werde der Menschen Dummheit mit einer Plage heimsuchen und werde sehen, wie lange sie Mir trotzen werden. So endlos gut Ich aber dem bin, der Mich ernstlich sucht, ebenso unerbittlich bin Ich auch dem, der Mich in seinem Herzen der Welt gegenüber nicht viel besser als eine Prise Schnupftabak betrachtet. Amen, wahrlich, wahrlich, Amen, Amen, Amen!

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