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214. Aufgabe der Jugend – 23. Januar 1849

Anfrage des Felix Hüttenbrenner über Mat. 22,14: „Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“

  1. Mein lieber Studiosus Felix! Ich habe dich recht lieb, und es freut Mich, dass du Meiner schon öfter zu gedenken anfängst und wünschst von Mir auch „Nebenwörtlein“ zu bekommen. Aber du bist noch zu wenig reif für derlei.
  2. Aber sei du vorderhand nur recht fleißig in deinen Studien und reinige deinen Lebens- und Erkenntnisbaum von der äußersten, faulen und toten Rinde, von dem Moos und von den hie und da vorkommenden Raupennestern – da werde Ich dann den Kern deines Baumes schon beleben und stärken zur Tragung edlerer Früchte. Und so wirst du ein Auserwählter sein, was nur wenigen beschieden ist.
  3. Wirst du aber nicht gut und genau erfüllen, was dir deine gegenwärtigen Studierpflichten zu erfüllen auferlegen, und wirst also nicht fleißig reinigen deinen Lebens- und Erkenntnisbaum von der äußersten, toten Rinde, vom Moos und von den Raupennestern, darunter verstanden werden die eigenen Geister der Trägheit – da wird dann der Kern deines Baumes schwach und matt verbleiben, und du wirst kein Auserwählter werden und verbleiben, sondern bloß nur ein ganz einfach Berufener, wie es deren gar viele Tausende gibt.
  4. Siehe, wenn im Winter ein Brunnen stark gefroren ist, so muss die Eisdecke zuerst durchgebrochen werden, ehe man zum Wasser gelangen kann. Ebenso musst auch du zuerst durch einen rechten Fleiß das Eis deines Verstandes durchbrechen. Dann erst muss es sich zeigen, ob dein inneres Lebenswasser entweder zum Kochen oder allein zum Waschen der schmutzigen Wäsche taugt. Das Kochwasser ist ein „Erwähltes“, und das Waschwasser ein „Berufenes“. Schaue demnach, dass du ein „Kochwasser“ wirst!
  5. Es gibt aber noch gar vieles Wasser, das da weder zum Kochen noch zum Waschen taugt, sondern allein zum Tragen großer Lasten und zur Aufnahme alles Weltunflates, wie exempli gratia [zum Beispiel] das Meerwasser. Daher schaue ja und sieh dich gut vor, dass sich in deinem Lebensbrunnen nicht ein „Meerwasser“ ansammle! Denn das ist vorderhand weder berufen und noch weniger erwählt, sondern allein nur gerichtet.
  6. So viel es dir nun vonnöten ist, deinen angeführten Text zu verstehen, habe Ich dir jetzt zu verstehen gegeben. Wenn du aber reifer wirst, dann wirst du eine reifere Erläuterung erhalten. Das also zu deiner Darnachachtung! Amen.

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