In armem Stübchen ruht die Leiche. / Die Freunde stehn um sie herum / und seh’n noch einmal an das bleiche / Gesicht, und weinen, trauern stumm.
Wohl trocknen sie die heißen Zähren, / doch nicht versiegt der Wehmut Strom; / denn bald soll’n sie gar hart entbehren / den, der da war so gut und fromm!
Als sie doch aus der Trauerkammer / zurück sich zieh’n ins Schlafgemach, / und da sie hält ihr tiefer Jammer / vom Schlafe los und trauernd wach;
da zuckt herab ein heller Schatten / zur Bahre hin in Mondesstrahl; / denn eh’ den Leichnam sie bestatten, / will er ihn seh’n zum letzten Mal.
„So hab ich dich (spricht er) verlassen, / hab wie ein Kleid dich abgelegt; / ich kann ja kaum die Wonne fassen, / in der mein Sein sich nun bewegt.
Ich – nun ein freies, reinres Wesen, / bin leicht geflügelt, hell und klar. / Ein neu’ Gewand ist mir erlesen, / viel hehrer als dies alte war.
O Tod! Wie doch so sanft gelinde / hast du im Schlummer mich entrückt; / o – wie ich mich nun seligst finde / und über jeglich Maß entzückt.
Wie macht mich der Gedank’ nun bangen, / dass nur auf eine kürz’ste Rast / der Leib mich wieder könnt umfangen / mit seiner schweren toten Last!
Wie zogst du mich zu toten Freuden, / Leib, gegen meinen Willen hin, / wie musst drum oft mit dir ich leiden / für schlecht’sten Lohn, für Tods Gewinn!
Doch fühl ich jetzt ein Mitleidsbeben, / und muss hier einen Dank dir weih’n; / war matt auch unser einig’s Leben / so konnt ohn dich ich doch nicht sein.
Du gabst mir wohl auch manche Wonnen, / so sie, die nun der Schlaf umhüllt, / des Hauptes seelenvolle Sonnen / entzückte zarter Schönheit Bild.
Wenn süße Tön’ das Ohr umflossen, / die Hand gedrückt des Freundes Hand, / wenn meine Arm’ ein Glück – umschlossen / und selbst die Lippe Lieb’ empfand.
Doch nun bist du allein geblieben, / so sink denn auch allein zur Gruft; / denn ich hab all’s ja schöner drüben, / dort in der Himmel reinster Luft!
Nur eins stört meinen sel’gen Frieden / und macht mir ein wehmütig Herz; / die, welche ich beließ hienieden, / ergeben sich zu sehr dem Schmerz!
Ich hör sie mächtig um mich weinen, / der süße Schlaf sie stärket nicht, / wie gern doch möcht ich euch erscheinen / umstrahlt von hellstem, klarstem Licht!
Wie gern möcht ich euch all’s entdecken, / welch eine Wonne mich umfleußt! / Doch würdet ihr gar sehr erschrecken; / ihr fürcht’t ja den verklärten Geist!
So will ich harren denn zur Schwelle, / ganz heimlich nur nach euch hinseh’n, / und fließt um euch des Schlafes Welle / mit leis’sten Tritt zu euch dann gehn!
Da werd zu eurem Haupt ich treten, / umwehen es mit sanftem Hauch, / euch segnen, liebend für euch beten, / denn das ist da der Segensbrauch.“
Dieses Liedchen ist gut und wahr; daher sollte es wohl recht beherziget werden. Es gibt zwar schon ähnliche Lieder in guten Reimen, aber es klebt ihnen noch so manches Irdische an, darum sie auch minder zu beachten sind.
Dieses aber ist geistig wahr und rein, darum soll es auch beachtet sein von jedermann, denn es stellt wirklich eine Abschiedsszene eines guten Geistes von seinem Leibe dar.
Ganz besonders aber sei dieses Liedchen dem Töchterchen J. des A. H. W. zu ihrem Leibesgeburtstage beschieden, damit sie in dieser Kleingabe ersehen möchte, um wie vieles der Geist besser ist als der dem Tode anheimfallende Leib!
Sie soll aber darum etwa nicht sterben oder einen Tod befürchten, sondern nur daraus den hohen Wert des Geistes vor dem Leibe erschauen. Amen!
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