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77. Die Japanesen

Am 8. Mai 1847

[77.1] Zunächst den Braminen, Chinesen und unseren Hochtibetsbewohnern kommen als Religionsverwandte die Japanesen, welche, wie sie jetzt sind, ebenfalls aus Mittelasien abstammen. Sie sind, was Religion betrifft, ein Gemisch; sie sind in dieser Hinsicht wie ein sogenanntes Potpourri, haben aus allem etwas und im Ganzen doch nichts.

[77.2] Sie sind Braminen, Zoroasters, Parsen und Gebern und somit Dalai-Lamaisten, aber zugleich auch wie die Braminen Ormuzisten, welch letztere Weise, auch die böse Gottheit anzubeten, sie noch zu Menschenopfern nötigt.

[77.3] Sie nehmen es mit diesen Menschenopfern wohl freilich nicht so genau, aber genug, dass solche Opfer noch gang und gäbe sind; es müssen dennoch zu gewissen Zeiten die schönsten Knaben und Mägdlein geopfert werden.

[77.4] Es werden zwar diese Knaben und Mägdlein nicht mehr geschlachtet, wie es einmal der Fall war; dafür aber muss dann eine doppelte Anzahl Staatsverbrecher ins Meer sich versenken lassen.

[77.5] Ein Mehreres darüber habt ihr schon bei einer anderen Gelegenheit empfangen, was, so ihr wollt, hier hinzugefügt werden kann.

[77.6] Aus allem aber werdet ihr auch ersehen, dass mit diesen im höchsten Grad stoischen Japanesen in der geistigen Welt noch weniger zu machen ist als mit den anderen bisher angeführten asiatischen Völkern. Denn bis jetzt existiert naturmäßig wie geistig kein Volk auf der Erdoberfläche, das wegen seines im höchsten Grad ausgebildeten Stoizismus unzugänglicher wäre.

[77.7] Aber doch leichter noch ist es, sich diesem Volk naturmäßig zu nahen, als wie geistig im Geisterreich, wo es sich derart verschanzt hält, dass es nicht leicht möglich ist, sich ihm ohne irgendeinen Schaden zu nähern; denn sein Stoizismus entwickelt eine eigene Art geistiger Giftluft, dem nur Engelsgeister aus dem dritten Himmel opponieren können.

[77.8] Geister unterer Art dürfen diesen Ort nicht betreten, denn er ist ärger wie die eigentliche Hölle selbst. Das Rarste bei der Sache aber ist, dass sich ihnen auch kein Geist aus der eigentlichen Hölle nahen darf. Wenn er so etwas wagen würde, so würde es ihm aber auch da alsogleich um tausend Mal schlechter gehen als in der untersten Hölle selbst.

[77.9] Er würde augenblicklich gefangen genommen, gefesselt und auf die allerschrecklichste Weise gepeinigt werden; denn ihr wisst, dass die sogenannten Teufel die Demut am allerwenigsten leiden können, so wie auch die Wahrheit und die Aufrichtigkeit und die damit verbundene Genügsamkeit, die alles euch Denkbare übertrifft.

[77.10] Alle diese Tugenden: Demut, Aufrichtigkeit, strengste Wahrheitsliebe, Dienstfertigkeit, Selbstverleugnung bis in den tiefsten Kulminationspunkt, dann eine Ordnungsliebe, die kein zweites Beispiel auf der Erde aufzustellen hat, die größte Gastfreundschaft unter sich, die strengste Gerechtigkeit und vollkommene Geringschätzung des Lebens, das alles findet man bei den Japanesen in einem solchen Grad ausgebildet, von dem ihr euch keinen Begriff machen könnt.

[77.11] Von der Übertretung irgendeines Gesetzes ist da nie die Rede, und hat jemand zufälligerweise ohne sein Wissen und Wollen einen Fehltritt getan, so sucht er selbst die strengste Züchtigung dafür an.

[77.12] Man kann da sagen: Der Japanese ist in seiner Art der tugendhafteste Mensch auf der ganzen Erdoberfläche; von einer Sünde ist bei ihm nie die Rede, aber eben in dieser seiner strengen Tugend, die er genau erfüllt, sucht er auch seinen größten Lohn, und die Selbstzufriedenheit ist seine höchste Glückseligkeit.

[77.13] Das sehr Schlimme bei dieser Sache ist freilich, dass er dieser seiner stoischen Selbstzufriedenheit wegen keinen Gott braucht, wenn er schon an Ihn glaubt; und statt Gott zu lieben und Ihm seine Herzensdankbarkeit zu bezeigen, macht er Ihm nur Vorwürfe darum, dass Gott ihn zu einem weisen Wesen gemacht hat, und überhaupt zu einem Wesen, das sich seiner selbst und der etwaigen Bedürfnisse bewusst ist.

[77.14] Bei ihm ist alles Verschwendung und unnützer Prunk; denn der Japanese sagt: Es ist viel besser gar nicht, als unnütz sein – nun aber sieht er ein, dass er Gott in nichts nützen kann, und betrachtet sich daher als rein überflüssig und wirft Gott die Unweisheit vor, und sie sagen noch dazu: „Zu einem Spielzeug für Gott sind wir in Seinem Anbetracht zu nichtig und zu schlecht, in unserem Anbetracht aber zu gut und zu edel, indem wir Gott lieber zu etwas nützen würden, wenn es möglich wäre, Ihm, dem Allmächtigen, einen Dienst zu erweisen; so aber sind wir da, und keine Weisheit vermag es zu enträtseln, warum. Unsere Verehrung und unser Opfer reicht kaum bis zu den höchsten Bergspitzen; was soll sie Ihm sein, den die Erde, Sonne, Mond und Sterne kaum vernehmlich preisen können? Wir pflügen wohl die Äcker, aber dennoch zeigt Er, dass die Wälder und die Wiesen durch Seinen Hauch besser bestellt sind als unsere Äcker. Wir bauen auch Schiffe; was sind sie aber gegen die Schwimmfähigkeit der Fische und gegen die Flugkraft der Vögel? Wir bauen große Paläste und Tempel; aber was sind sie gegen Seine Erde und gegen Berge, die auf derselben sind wunderbar gebaut von Seiner Hand?

[77.15] Hat Er uns etwa erschaffen, dass wir Ihn erkennen sollen, damit Er dann eine Freude hätte an unserer Erkenntnis über Ihn? Wann kann aber ein unendlich kleiner Wurm den unendlich großen Gott erkennen, wie Er ist? Wer in einer Art unvollkommen ist, ist das auch in einer anderen; wann kann Gott von uns eine vollkommene Erkenntnis Seiner Selbst erwarten? Sicher ewig nie; denn das Unvollkommenste kann das Vollkommenste nie fassen, so wenig als jemand in einen kleinen Topf das ganze Meer hineinschöpfen kann. Kann aber das Meer eine Freude haben, wenn man aus ihm einen Topf voll nimmt? So wenig kann auch Gott eine Freude haben, wenn wir aus seiner ganzen Unendlichkeit kaum das kleinste Fünkchen fassen; freut Ihn aber so etwas, so kann Er nicht weise sein, da uns schon so etwas unmöglich erfreuen kann, die wir nur höchst unnotwendigerweise das kleinste Fünklein Seiner unendlichen Weisheit besitzen.“

[77.16] Dergleichen stoische Philosopheme kursieren in übergroßer Fülle unter diesen Menschen und sind, wie ihr leicht ersehen könnt, den eigentlichen satanischen Maximen allerblankst und schnurstracks entgegen; daher es, wie schon früher bemerkt wurde, einem Teufel, der über alles herrschen will, hier am allerärgsten geht, wenn er in diese Gegend kommt, wovor sich aber die bösen Geister auch ganz absonderlich hüten; denn die Prinzipien sind für sie das Allerwidrigste, durch welche nicht nur allein alle Herrschsucht, sondern alles nur kaum denkbare Gewicht zur Seite geschoben wird, durch welches irgendeine wenn noch so geringe Bewertung eines Wesens an den Tag gelegt werden könnte.

[77.17] Es wird aber aus dem auch ersichtlich, warum sich in eine solche Gegend nur die stärksten Himmelsgeister begeben können. Der Grund liegt in dem, weil schwächere Geister gar leicht von diesen seltenen Prinzipien könnten gefangen genommen werden, und das ist ebendas vorbesagte eigentümliche geistige Gift, vor dem sich schwächere Geister auf das Sorgfältigste hüten müssen.

[77.18] Ihr selbst, wie ihr da seid, dürftet nicht mit einem so recht stoischweisen Japanesen zusammenkommen; wenn ihr seiner Sprache mächtig wärt, so könntet ihr ihm auf Tausend nicht Eines erwidern.

[77.19] Aus dem Grunde aber lasse Ich es auch irdisch politischerseits nicht zu, dass die anderen Völker der Erde mit diesen Erzstoikern in irgendeine zu nahe Verbindung treten möchten, weil sie nur zu bald den Japanismus in der ganzen Welt ausstreuen könnten.

[77.20] Denn ein Stoizismus für sich allein, wenn er sich atheistisch gestaltet, ist so gefährlich nicht, indem er bald verkümmert, weil er keine Wurzeln hat; aber ein Stoizismus in Verbindung mit dem strengsten Deismus ist das Gefährlichste für den Geist, weil dieser Stoizismus mit seinem strengen Gottglauben ganz natürlich eine unvertilgbare Wurzel hat.

[77.21] Euch in sein Wesen weiter einzuweihen, wäre sehr unnütz und sogar schädlich; daher wollen wir unsere Japanesen wieder verlassen und zu einem anderen Volk übergehen.

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