Am 22. Februar 1847
[35.1] Es wird kaum einen Menschen geben, der noch nie von den sogenannten Hexen etwas gehört hätte; denn es ist von der Zeit eben noch nicht gar so lange her, in welcher noch Gerichte Hexenprozesse führten und unter diesem Namen eine große Menge der allerunschuldigsten Menschen mit dem schmerzhaftesten Tode aus dieser in die andere Welt beförderten.
[35.2] Wie kam aber die Menschheit zu den Hexen? Diese Frage wollen wir mit einigen Histörchen beantworten.
[35.3] In den früheren Zeiten, in denen die Menschen noch viel einfacher lebten als jetzt, gab es häufig solche, die das sogenannte doppelte Gesicht hatten und ganz naturgemäß in den beiden Welten lebten. Es könnten auch Menschen in dieser Zeit gar leicht dahin gelangen, so ihre Kost einfacher wäre; aber zuallermeist schadet ihnen die gegenwärtige, komplizierte Kost. Mit dieser Kost verpatzen und verdummen sie so ihre Natur, dass in selber die Seele wie ein Vogel unter den Leimspindeln sich verwickelt und verkleistert, dass sie unmöglich zu jener Regsamkeit und Gewandtheit gelangen kann, in der ihr ein freier Auf- und Ausflug möglich wäre.
[35.4] Worin bestand denn dann die Kost jener früheren, einfachen Menschen?
[35.5] Die Kost bestand zumeist in Hülsenfrüchten, die ganz einfach, weich gekocht, etwas gesalzen und dann nie in heißem Zustand genossen wurden. So war auch einfaches Brot, Milch und Honig ebenfalls eine gar uralte, einfache Kost, bei welcher die Menschen zumeist ein sehr hohes Alter erreichten und fortwährend bis zum letzten Augenblick ihres Lebens im Besitz des zweiten Gesichtes waren.
[35.6] Wohl kann jedermann dann und wann mäßig den Wein genießen, jedoch nie so viel, dass er sich berauscht fühlen würde.
[35.7] Fleischspeisen sollten nur zu gewissen Zeiten, und da nie länger als sieben Tage nacheinander, sehr mäßig und allzeit von frisch geschlachteten Tieren genossen werden, und da ist das Fleisch der Fische besser als das Fleisch der Tauben, das Fleisch der Tauben besser als das der Hühner, und das Fleisch der Hühner besser als das Lämmerfleisch, und dieses besser als das Ziegenfleisch, und dieses besser als das Kälber- und Rinderfleisch, – so wie unter den Brotarten das Weizenbrot das dienlichste ist; jedoch soll von den angezeigten Speisen nie mehr als eine mit etwas Brot, so wie auch das Obst allzeit nur mäßig und allzeit von bester Reife nur sollte genossen werden, desgleichen auch einige Wurzelfrüchte, aber nur eine auf einmal.
[35.8] Bei solcher Kost würde der Leib nie zu jener Wülstigkeit gelangen, in welcher er träg, schläfrig und schwerfällig wird, dass dann die Seele über Hals und Kopf zu tun hat, solch eine schwerfällige Maschine in der Bewegung zu erhalten, geschweige, dass sie sich neben solch einer Arbeit noch mit etwas anderem beschäftigen sollte.
[35.9] Seht, so einfach lebende Menschen, wie schon oben bemerkt, gab es in der früheren Zeit viele, und besonders einfach lebten jene Menschen, die sich an Bergen ihre Wohnstätten aufgerichtet hatten. Diese Menschen hatten denn auch beständig das zweite Gesicht und hatten bei Tag und Nacht einen ganz natürlichen Umgang mit den Geistern und ließen sich von ihnen in den mannigfachsten Sachen belehren. Die Geister zeigten ihnen die Wirkungen der Kräuter und zeigten ihnen auch an, wo hie und da ein oder das andere edle oder unedle Metall in den Bergen verborgen lag, lehrten sie auch das Metall aus den Bergen zu bekommen und durch Schmelzen und Schmieden zu allerlei nützlichen Dingen brauchbar zu machen.
[35.10] Kurz und gut, es war da selten ein Haus auf den Bergen, das da nicht seine eigenen Hausgeister gehabt hätte, die so wie ein anderes Hausgesinde ganz gewöhnlich zum Haus gehörten. Dadurch aber gab es denn auch eine Menge Weiser, namentlich auf den Bergen, welche mit den geheimen Kräften der Natur, mit unseren Geistern nämlich, in der größten Vertrautheit lebten, – oder diese Kräfte oder Geister standen ihnen sozusagen fast allzeit zu Gebote.
[35.11] Wenn dann Menschen aus den tieferen Gegenden, als wie aus größeren Dörfern, Märkten und Städten, zu diesen weisen Gebirgsmenschen kamen, so musste ihnen da freilich so manches für sie Unheimliche und Geheimnisvolle überaus auffallen, und besonders, wenn oft Bösgesinnte es mit einem solchen Bergbewohner in irgendeiner Sache streitend aufnehmen wollten; denn so ein Streiter bekam sicher irgendeinen für ihn unbegreiflichen sogenannten Merks-Tölpel, von dem er freilich nichts anderes halten konnte, als dieser sei ihm von dem leibhaftigen Satan oder wenigstens von seinen Helfershelfern beigebracht worden.
[35.12] Was war da die Folge? Der auf diese Weise gewitzigte Märktler, Dörfler oder Städtler ging sogleich zu seinem Ortsgeistlichen, der in der Zeit gewöhnlich entweder noch dümmer oder doch wenigstens boshafter als der Kläger war. Da wurden Messen, Prozessionen und Exorzismen angeordnet, natürlich fürs bare Geld, welches allzeit eine ganz tüchtige Summe, wo nicht das sämtliche Vermögen samt Haus und Hof des in jedem Falle verhexten, wo nicht schon durch und durch verteufelten Klägers ausmachen musste.
[35.13] Hat der Kläger seinem Geistlichen auf diese Weise Genüge geleistet, so wurde der Fall dem weltlichen Gericht angezeigt. Dieses ging dann mit allerlei, von dem Geistlichen verordneten, geweihten antihexischen und antiteuflischen Apparaten zu dem Haus, wo der Kläger vermeintlicherweise verhext oder verteufelt worden ist. Dieses weltliche Gericht nahm dann gewöhnlich die ganze Einwohnerschaft auf eine scheußliche Weise gefangen und führte sie oft ohne weiteres Verhör schnurgerade auf den brennenden Scheiterhaufen und nahm alle Schätze samt Haus und Grund – aber freilich nach vorhergehender siebenmaliger exorzistischer Weihe – in den Beschlag, für welche Weihe aber freilich wieder ganz tüchtig bezahlt werden musste.
[35.14] In der späteren Zeit trieb man’s oft noch ärger; denn da wurde am Ende schon ein jeder, der außer dem geistlichen Stand im schwarzen Rock gesehen ward und schneller gehen konnte als ein anderer, für einen baren Teufelskerl gehalten, und es brauchte nur eines nur einigermaßen boshaften Klägers, und der Schwarzberockte ward vor das Hexengericht gestellt, – bis in der jetzigen neueren Zeit die Naturforscher und Chemiker es endlich doch dahin gebracht haben, dass die überaus dumme Menschheit einzusehen angefangen hat, dass ihre vermeintliche Hexerei eine allerbarste Dummheit ist.
[35.15] Aber man ging da von einem Extrem zum anderen und vergaß des Sprichwortes: In medio beati [in der Mitte liegt das Richtige]; denn so gefehlt es ist, sich als natürlicher Mensch ganz mit Geistern herumbalgen zu wollen, so und noch mehr gefehlt ist es, das ganze Geisterreich zu verbannen und als null und nichtig zu erklären.
[35.16] Es ist freilich wohl nicht zu leugnen, dass sich in dieser früheren Zeit manchmal Menschen mit bösen Geistern in einen Konflikt gesetzt, mit deren Hilfe sie manchmal irgendeinen örtlichen Schaden angerichtet haben; aber ebendiese Bösen hatten allzeit eine ganz tüchtige Kontrolle und ganz tüchtige Zuchtmeister an ihren guten Nachbarn, welche auf ein Haar wussten, was irgendein Böser in seinem argen Sinne hatte. Allein darauf nahm damals die Geistlichkeit, so wie jetzt, gar keine Rücksicht, und es musste, ob Engel, ob Teufel, alles ins Feuer; denn da sah man nicht, ob gut oder böse, sondern nur ob es was einträgt. Hatte der Kläger kein Vermögen und der vermeintliche Zauberer auch keines, so war es: Requiescant in pace! [Ruhe in Frieden!] Nur wenn bei einem oder dem anderen Teil einiges Vermögen verspürt wurde, da lief die Sache freilich nicht so gut und friedlich ab. Es war damals mit diesen Hexen fast also, als wie gegenwärtig mit den Begräbnissen, wo bei dem Reichen alle möglichen Zeremonien und Gebete verrichtet werden, und der Arme muss sich bloß mit einem pater noster [Vaterunser] und requiescat in pace begnügen; und kann der Arme durchaus nichts zahlen, so mag er sich bloß mit der geweihten Erde begnügen.
[35.17] Heißt das nicht auch Zauberei treiben? Ah nein! Da heißt es: Der Arme kommt ohnedies in den Himmel; nur der Reiche soll noch früher etwas schwitzen, bevor ihm die Himmelspforte aufgetan wird! – Oh, das wird im Geisterreich ganz hübsche Komödien abgeben!
[35.18] Diese Handlungsweisen hält jedermann für ehrbar und rechtlich, während sie in geistiger Hinsicht noch viel ärger sind als alle früheren Hexenprozesse; denn deren Grund war gewöhnlich Dummheit, hier aber ist es reine Habsucht, und ein Hexenprozess aus Habsucht ist viel ärger als einer aus Dummheit. Und was ist so ein Exequienwesen anderes als ein Hexenprozess, durch den man an dem Verstorbenen noch so manches Teuflische wegzuexorzieren wähnt.
[35.19] Ich meine, diese Sache ist klar; daher fürs Nächste nur noch ein paar Histörchen hinzu, und dann weiter!
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