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8. Ursache und Wesen der Sonnenflecken

(Am 17. August 1842 von 3 1/4 bis 6 3/4 Uhr nachmittags.)

[8.1] Ihr werdet schon öfter beobachtet haben, dass die Sonne zumeist auf ihrem Äquator manchmal einen oder mehrere, teils größere, teils kleinere Flecken hat, um welche sich dem bewaffneten Auge eine wallartige Verbrämung zeigt, hinter welcher sich dann nach allen Seiten Lichtwellen, die da von manchen Astronomen „Fackeln“ genannt werden, ausbreiten. Unter gar vielen Weltgelehrten ist oft schon die Frage aufgeworfen worden, was da diese Flecken doch sein möchten? Diese Frage hat auch schon ebenso viele hypothetische Antworten bekommen, aber noch nie eine vollends bestimmte darunter.

[8.2] Ihr aber sollt diesmal eine ganz bestimmte Antwort bekommen. Wie werden wir aber das anstellen, dass ihr eben über diese Erscheinung eine bestimmte Antwort bekommt? Ihr sagt freilich in euch: Auf die leichteste Weise, denn Ich darf es euch ja nur sagen, wie es ist, und ihr werdet Mir vollends glauben. Solches ist wohl wahr; aber was Ich hier sage, möchte einmal doch auch unter die Augen der Weltgelehrtheit gelangen. Wird es diese auch also unbedingt glauben, was Ich euch da sagen möchte in dieser Hinsicht? – O nein, diese Art hat keinen Glauben. Sie glaubt nicht einmal so ganz unbedingt oder vom Herzen weg, dass Ich es bin, oder dass es überhaupt gebe einen Gott, wie Ihn die Offenbarung zeigt, sondern höchstens also, wie Ihn ihre hochweise Vernunft erfindet. Daher also auch, wie gesagt, sie [die Weltgelehrten] einer bloßen Erzählung nicht glauben, sondern alles als das Produkt einer dichterischen Phantasterei erklären würden.

[8.3] Darum auch müssen wir uns auf ganz andere Füße stellen und solchen Füchsen ein ganz kurioses Schlageisen aufrichten, welches nicht nur allenfalls einen Fuß eines solchen Fuchses klemmen möchte, sondern welches solch ein gescheites Wesen sogleich am ganzen Leib packt. Wie aber werden wir solches anfangen? Nur eine kleine Geduld; es soll gleich da sein!

[8.4] Wenn ihr eine Kugel gerade durch den Mittelpunkt durchbohren würdet und diese Kugel sodann stecken auf eine Spindel und möchtet sie dann tauchen ins Wasser und sie im Wasser in eine Rotation setzen, nämlich um diese Spindel herum, und möchtet sie alsdann also rotierend aus dem Wasser heben, was meint ihr wohl, auf welchem Teil der Oberfläche diese Kugel die meisten Wassertropfen von sich schleudern wird? Ihr werdet Mir antworten und sagen: Auf demjenigen Teil der Oberfläche, der von der Spindel am weitesten absteht und daher auch durch die Rotation um die Spindel die meiste Wurfkraft entwickelt.

[8.5] Wieder nehmt ihr eine Glaskugel, welche auf beiden Seiten eine Öffnung hat, so dass man durch die ganze Glaskugel ebenfalls eine Spindel stecken kann; bringt sie in eine horizontale Lage, gebt ein wenig Wasser in die Kugel und dreht sie sodann; wo wird sich bei der Umdrehung das Wasser wohl hinbegeben? Sicher wieder dahin, wo es von der Spindel am weitesten ist.

[8.6] Wir haben an diesen zwei Beispielen genug, um unsere Sache so augenscheinlich als möglich zu machen. Die Sonne ist ebenfalls eine Kugel, wie ihr wisst, und zwar eine Kugel, die da bei zweimal hunderttausend Meilen im Durchmesser hat. Diese Kugel dreht sich ungefähr binnen neunundzwanzig Tagen um ihre Achse. Bedenkt, wie schnell da am Äquator der Sonne die Bewegung sein muss, wenn da ein Punkt in dem vorbenannten Zeitraum von 29 Tagen eine Reise von über 600.000 deutschen Meilen machen muss, welches ungefähr die siebenfache Entfernung des Mondes von der Erde ausmacht, und auf welche Strecke ein Schnellreiter, so er Tag und Nacht fortreiten möchte, über siebzig Jahre vonnöten haben würde.

[8.7] Vergleicht jetzt die Schnelligkeit der Bewegung eines Punktes am Äquator der Sonne, und ihr werdet euch groß verwundern, wenn ihr daraus erseht, wie viele deutsche Meilen er in einer Minute zurücklegt. Wenn ihr aber nun die große Schnelligkeit solcher Bewegung seht, so müsst ihr ja auch notwendigerweise die große Wurfkraft, welche da eben am Äquator der Sonne stattfinden muss, überklar erschauen.

[8.8] Wenn ihr aber diese erschaut, so mache Ich euch aufmerksam auf die zweite Glaskugel, wie sich in derselben das Wasser bei deren Umschwung gegen den Äquator hinzu drängte. Was wird also auch von innen der Sonne aus gegen den Äquator derselben vor sich gehen müssen? Werden sich allda nicht auch alle etwas mehr flüchtigeren Teile unter den Äquator drängen und allda zufolge der großen Wurfkraft das Bestreben haben, die oberste Kruste der Sonne durchzubrechen und sich dann mit der unglaublichsten Wurfheftigkeit und Schnelligkeit ins Unendliche hinaus von der Sonne zu entfernen?

[8.9] Ihr habt aber erst in der vorigen Mitteilung vernommen, was die Materie ist, welcher Art und Gattung sie auch immer sein möchte und was da die Folge ist, wenn sie irgend zu sehr gedrängt, gestoßen oder geschlagen wird. Wird die Materie bei solch ungeheurem Andrang gegen den Äquator nicht auch auf einem oder dem anderen Punkt ebenso unmäßig gedrängt und genötigt, wie unmäßig stark und schnell die Bewegung und somit auch die Wurfkraft der Sonne um den Äquator ist?

[8.10] Seht, jetzt ist das Schlageisen schon aufgerichtet; es bedarf nichts Weiteres als eines Fuchses, und ihr könnt versichert sein, er wird dieser Falle nicht entrinnen.

[8.11] Ihr habt gleich anfangs vernommen, dass das Erdreich des Sonnenplaneten nicht also hart und spröde ist, wie das zum Beispiel eurer Erde; sondern es ist allenthalben wie elastisch, und das vorzugsweise gegen den Äquator zu. Setzen wir aber den Fall, es wäre daselbst das Erdreich also spröde und somit auch leicht zerbrechbar – was würde da wohl der Fall sein zufolge der außerordentlich großen Wurfkraft, besonders am Äquator der Sonne? Nichts anderes als dass dadurch ein Berg und ein Landstück um das andere mit der größten Heftigkeit möchten von der Oberfläche der Sonne in den unendlichen Raum hinausgeschleudert werden. Da aber das Sonnenerdreich also zähe ist, so ist solches wohl nicht möglich, und wäre die Bewegung noch einmal so schnell, wie sie ist.

[8.12] Was kann aber dessen ungeachtet dennoch der Fall sein, wenn sich zufolge der großen Wurfkraft durch den Drang von innen aus auf die schon vorbesagte Art hier und da gewaltige Andrängungen und sonach auch gewisserart Verhärtungen unter der Oberfläche der Sonne in der Gegend des Äquators gebildet haben, welche da gewisserart als eine Krankheit der Sonne anzusehen sind? Denn wohlgemerkt, auch Weltkörper können physisch krank sein. Dadurch kann nichts anderes geschehen, als dass solche verhärtete Knollen endlich auf einem oder dem anderen Punkt das wenn schon zähe Erdreich der Sonne durch ihren großen Drang nach außen und die durch ebensolchen Drang bewirkte Entzündung zerreißen und sich hernach mit der größten Heftigkeit von der Oberfläche der Sonne entweder nahe endlos weit oder wenigstens so weit als die euch bekannten Planeten von der Sonne entfernt sind, entfernen.

[8.13] Seht, das ist nun die Ursache der darauf folgenden schwarzen Flecken der Sonne. Denn bei dem gewaltigen Durchbruch wird auch nicht nur die Kruste des Sonnenplaneten, sondern auch die Lichthülle also auseinandergerissen, dass sie auf einem solchen Punkt dann fürs Erste nicht fähig ist, das aufgenommene Licht von Seite der anderen Sonnen wieder zurückzuwerfen und ebenso wenig auch das eigentümliche Licht ausströmen zu lassen, welches sich fortwährend auf dem elastischen Erdboden der Sonne entwickelt, wenn derselbe nicht auf die euch jetzt bekannte Weise zerrissen und daher für die Entwicklung des eigenen Lichtes untauglich gemacht wird.

[8.14] Wir haben auch vorhin erwähnt, dass diese schwarzen Sonnenflecken dem bewaffneten Auge mit einem etwas weniger dunklen Wall verbrämt erscheinen. Was ist denn dieser Wall?

[8.15] Dieser Wall ist nichts anderes als der jewaige Aufwurf einer solchen Verhärtung, die auseinandergerissen und dann auf allen Seiten gleich einer trichterförmigen Mauer, welche oben enger ist als unten, aufgeworfen wurde. Wollt ihr für die Entstehung eines solchen Walles um den schwarzen Fleck ein noch deutlicheres Beispiel haben, so macht aus zäher Erde, wenn sie noch die rechte Weichheit hat, eine Halbkugel, die inwendig hohl ist, stoßt dann von innen nach außen mit einem stumpfen Stiel ein Loch, so werdet ihr auf der äußeren Seite sobald den durch diesen Durchstoß aufgeworfenen Wall erblicken. Nur wird der Wall mehr zerrissen sein, weil ein solcher Lehm dennoch in seinen Teilen weniger gleichartige Kohäsion besitzt als das Erdreich der Sonne.

[8.16] Dass dieser Wall aber gegen den eigentlich schwarzen Punkt dennoch matt erleuchtet erscheint, hat Folgendes zum Grunde, weil die also zerrissenen Teile, wenn über ihnen auch keine atmosphärische Glanzluft sich befindet, aber dennoch durch ihre heftigen Schwingungen ein hinreichendes eigenes Licht entwickeln, welches da gleichkommt dem ursprünglich eigentümlichen Licht der Sonne. Dadurch könnt ihr auch sehen, wie stark die Sonne mit ihrem eigenen Licht leuchten würde ohne Beihilfe des allgemeinen Lichtes.

[8.17] Ferner haben wir noch vernommen, dass sich über solche Wälle hinaus gewisse Sonnenlichtwellen oder Fackeln bilden. Diese entstehen durch das durch einen solchen Durchbruch bewirkte Wogen der atmosphärischen Glanzluft der Sonne. Denn eine Woge spiegelt sich dadurch in ihrer nachbarlichen Woge, wodurch dann der Glanz potenziert wird, während die Wogenfurchen dann notwendig matter leuchtend erscheinen müssen.

[8.18] Seht nun, bisher hätten wir alles nicht nur klar, sondern sogar handgreiflich dargestellt. Aber ich sehe schon im Voraus einige gelehrte Füchse, die da einen vollen Backen Luft nehmen und dann mit furchtbar weiser Miene fragen und sagen: „Nun, die Sache lässt sich hören, und die Hypothese hat viel für sich; aber der Autor scheint bis jetzt noch vergessen zu haben, dass solche Sonnenflecke wieder vergehen und zu dem Behuf auch ihre Gestalt nach und nach sehr verändern. Wie wird nun der Autor sich allda mit seinem aufgeworfenen Wall aus der Schlinge ziehen? Auch hat man mehrererseits auf ebendiesem Wall durch starke Augenwaffen die unglaublichst schnellen Bewegungen beobachtet. Dieser Fall möchte etwa wohl sehr bedeutend den mauerartigen Wallaufwurf unseres Autors beeinträchtigen oder ihn am Ende ganz zunichtemachen?!“

[8.19] O nein, Meine lieben Füchse. Das ist eben ein Hauptwasser auf unsere Mühle. Denn belieben dieselben nur ein wenig zu bedenken, dass wir schon gleich anfangs und bis jetzt her, und zwar aus dem besten und wohlerwiesenen Grunde von einem elastischen Erdreich der Sonne gesprochen haben, welches nach dem Durchbruch sicher nicht fortwährend mauerfest gleich dem Krater eines Feuerspeiers auf der Erde beständig bleiben wird, sondern sich nach und nach, zufolge ebender elastischen Eigenschaft, wieder zusammenzieht, und also die durch solchen Durchbruch bewirkte Wunde wieder also verheilt, wie da die Wunde, welche zum Beispiel auf eurem Leib durch ein Ass [Eitergeschwür] entstanden ist, sich nach der Vereiterung desselben wieder verringert und endlich sich so ganz und gar ausheilt, dass nach einiger Zeit nicht eine Spur mehr zu entdecken, auf welchem Teil des Leibes ein solches Ass eiternd durchgebrochen ist.

[8.20] Wenn aber dieser Wall somit kein mauerfester ist, sondern nur ein elastischer, so werden sich etwa wohl die schnellen und weitgedehnten Bewegungen und Veränderungen eines solchen Walles aus ebendemselben Grunde wie dessen allmähliches Verschwinden gar überaus leicht erklären lassen.

[8.21] Nun, gibt es keinen Einwurf mehr? Seht, es lauert noch ein Fuchs im Hintergrund. Dieser hat mit seinen mathematischen Instrumenten mehrere solcher Flecke gemessen und hat manche so groß gefunden, dass in ihrem schwarzen Raum gar leicht dreißig Erden nebeneinander Platz hätten.

[8.22] Was will er denn damit sagen? Er will damit nichts anderes sagen als: Wenn ein solcher Fleck auf die vorbeschriebene Art entsteht, so müsste man pro primo [fürs Erste], wenn ein solcher Fleck sich am von der Erde aus sichtbaren Rand der Sonne befindet, den also aufgeworfenen Wall mehr erhaben erblicken, als es gewöhnlich der Fall ist, wo man eben von einer solchen Erhöhung gar nichts merkt.

[8.23] Fürs Zweite aber lässt sich noch diese sehr bedeutende Frage aufwerfen: Wenn die Sonne bei solchen Gelegenheiten ebensolche inwendige Massen von sich schleudert, wohin kommen diese? Und beeinträchtigen solche gewaltige Verluste das Volumen der Sonne nicht? Denn man kann ja doch bei den größten Sonnenflecken annehmen, dass im kubischen Verhältnis eine solche hinausgeschleuderte Masse wenigstens, in runder Zahl genommen, tausend Erdkörper groß ist. Nehmen wir nun an, die ganze Sonne hat in kubischer Hinsicht den millionenfachen Inhalt der Erde; somit müssen tausend solche große, aufeinanderfolgende Flecke ja notwendig die Sonne bei Butz und Stängel aufzehren.

[8.24] Seht, dieser Fuchs hat scharfe Zähne und noch schärfere mathematische Augen. Allein auch dieser soll in der Falle steckenbleiben. Denn so gut rechnen, als da solche Füchse es können, kann Ich wohl auch, wo nicht ums Kennen besser. Ich will zwar auf die sehr kritische Frage dieses scharfzahnigen und scharfäugigen Fuchses nicht sogleich eine erklärende Antwort geben, sondern will ihm bei dieser Gelegenheit nur einige kleine Fragen zur Beantwortung vorlegen, und beantwortet er Mir diese, so soll ihm auch die Antwort auf seine Frage werden.

[8.25] Wie oftmal ist zum Beispiel das Volumen alles dessen, was eine Eiche im Verlauf eines Jahres abwirft, in dem Eichbaum selbst enthalten, und das noch dazu im Verlauf von ungefähr zweihundert Jahren? Wenn er aber den Eichbaum jährlich misst, so wird er sicher finden, dass der Baum dadurch nicht kleiner und magerer, sondern stets dicker, größer und höher geworden ist. Wie ist solches möglich? Die Antwort: durch den beständigen Ersatz aus allen den Nahrungsquellen für einen Baum. So sage Ich denn auch: Stoße mit derselben Nase auch in die Sonne, und du wirst auch allda finden, dass sich das Verlorene gar wohl ersetzen lässt. Also hätten wir auch diesen schauderhaften Einwurf im Hintergrund.

[8.26] Was aber da noch die geringen Erhöhungen bei großen Sonnenflecken bezüglich des aufgeworfenen Wallrandes betrifft, so soll der Einwerfler einmal mit freiem Auge versuchen, auf zehn Meilen Ferne einen Grashalm zu erblicken, welches doch bei weitem nicht so viel sagen will, als wenn er mit seinem bewaffneten Auge möchte in einer Entfernung von nahe 23 Millionen Meilen einen Aufwurf entdecken, der im allergroßartigst strengsten Sinne über die Lichthülle der Sonne hinaus kaum den zehntausendsten Teil des Durchmessers der Sonne erreicht.

[8.27] Solches möchte der Einwerfler wohl beachten, so wird es auch ihm klarwerden, dass die Sache sich gar gut also verhalten kann, wie da ist erklärt worden, wenn er auch mit seinen geschliffenen Gläsern über den Stand [Rand] der Sonne hinaus eben keine babylonischen Türme erblickt. Zudem aber werden auch diejenigen Teile des Walles, welche bei einem solchen Durchbruch etwa über die Sonnenlichthülle zu ragen kommen, von der innersten Intensität der Strahlen ebendieser Lichthülle in mehr als Blitzesschnelle zersetzt und gewisserart zusammengeschmolzen, aus welchem Grund dann schon ganz vorzüglich keine solche vermisste Randhervorragung zu erblicken ist.

[8.28] Somit wären wir mit den Flecken auch vollkommen fertig. Nächstens wollen wir mit den Bewohnern der Sonne eine solche Stelle selbst mit ansehen, wo ein solcher Durchbruch geschieht. Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!

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