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60. Ein kurzer Überblick über die Tierwelt auf dem Miron. Die zweifüßigen Tiere

(Am 2. November 1842 von 4 bis 5 3/4 Uhr abends.)

[60.1] Wir haben schon bei der Gelegenheit der Darstellung des Planeten Saturnus recht klärlich dargetan vernommen, dass in einem jeden Planeten, der zu einer und derselben Sonne gehört, sich ähnliche oder verwandte Dinge vorfinden, also wie sie vorhanden sind auf einem oder dem anderen Planeten. Somit könnt ihr auch füglich annehmen, dass auf diesem Planeten, den wir soeben vor unseren Augen haben, auch sicher ähnliche Tiere eurer Erde vorkommen, welche freilich wohl in den einzelnen Teilen sich von den eurigen unterscheiden, sowohl in der Gestalt als in der Größe und Farbe; dessen ungeachtet aber würdet ihr eben nicht mit zu großer Schwierigkeit diejenigen Tiere dieses Planeten bald herausfinden, welche mit denen eures Erdkörpers verwandt sind. Aber nicht nur die Tiere eures Erdkörpers, sondern auch die Tiere anderer Planeten existieren hier unter manchen Abartungen, sowohl der Größe als der Form und der Farbe nach.

[60.2] Ja es fehlt hier sogar das Mud des Saturnus nicht und bewohnt ebenfalls nur einige Inseln außerhalb des eigentlichen Kontinentallandgürtels; aber es ist ein großer Unterschied bezüglich der Größe zwischen dem Mud des Planeten Miron und dem des Planeten Saturnus. Denn auf dem Planeten Miron ist dieses Tier kaum zwanzigmal so groß als etwa ein Elefant bei euch. Wenn ihr das gegeneinanderhaltet, so wird euch der Unterschied sicher auffallend sein.

[60.3] Also gibt es auch noch andere Tiere; aber wie schon gesagt, mit so mancher Veränderung, welches alles kundzugeben für unseren Zweck dieser Mitteilung zu viel Zeit benötigen würde. Denn auf diesem Planeten gibt es über einmalhunderttausend Tiergattungen der alleinigen Vierfüßler, welche nicht der Metamorphose unterliegen. Denkt euch erst das Heer derjenigen Tiere, die man alldort die Übergangstiere nennt; endlich das eben sehr zahlreiche Reich der Zweifüßler. Daraus wird euch wohl klar werden, welche Zeit es dazu benötigen würde, um jede Gattung dieser Tiere beschaulich darzustellen. Daher genüge für das gesamte Tierreich dieser allgemeine Überblick und zugleich die Versicherung, dass es beinahe auf keinem Planeten also wie auf diesem wesenbunt zugeht, ohne dass darum der Mensch in was immer für einer Sphäre seines Dortseins und Wirkens beeinträchtigt wird. Denn des Platzes gibt es eine Menge, und das von großer Ausdehnung, von dem allein solche Tiergenerationen Besitz nehmen können. Besonders dienen dazu die transmontanischen [jenseits der Gebirge liegenden] Ufergegenden der Meere, an denen es wahrhaft wimmelt von Wesen aller Art, welche nur selten, und manche gar nie, über die beiden großen Gebirgszüge kommen, um im eigentlichen, für Menschen bewohnbaren Land ihre Wohnung aufzurichten; und kommen auch manchmal einige über diese Gebirge, so werden sie als Fremdlinge auch gar bald wieder von den landeinheimischen Tieren zum Rückzug genötigt.

[60.4] Da wir somit mit den Vierfüßlern nichts Besonderes mehr unternehmen wollen, so wenden wir uns sogleich zu den Zweifüßlern hinüber. Ihr werdet hier wohl fragen und sagen: Was Wunder müssen denn das für Tiere sein? Sind es Vögel oder Affen? Denn diese zwei Tiergattungen sind wohl so beschaffen, dass sich der Vogel auf zwei Füßen bewegen muss, und der Affe sich zumeist auf seinen zwei Hinterbeinen bewegen kann.

[60.5] Ich sage euch aber: Mit den Zweifüßlern hat es hier eine ganz andere Bewandtnis; denn sie sind weder Vögel noch Affen. Ihr werdet euch vielleicht hier denken, dass darunter etwa gar eine Art Viertel-, Drittel- oder Halbmenschen sind? Auch dieses ist nicht der Fall; denn diese Tiere haben nicht selten mit dem Menschen die allergeringste Ähnlichkeit. Jetzt fragt es sich erst, was denn das eigentlich für Tierwesen sind? Seht, da auf diesem Planeten schon alles einen gewissen wunderbaren Anstrich hat, so ist solches auch mit dieser nur allein diesem Planeten eigentümlichen Tiergattung der Fall, und hat einen ähnlichen etwas wunderbaren Anstrich.

[60.6] Damit wir aber, wie ihr zu sagen pflegt, auf einen Hieb einen Baum zum Falle bringen und gleich einem Helden Makedoniens einen verworrensten Knoten lösen, so sage Ich euch, um diese Tiergattung mit einem Strahl zu beleuchten, dass sie im Grunde nichts anderes ist als eine Wiederholung sämtlicher vierfüßiger Tiere, die sich aber statt auf vier Füßen allein nur auf zwei Füßen bewegen.

[60.7] Was die Körper anbetrifft, so besteht in den Formen bloß darin ein Unterschied, dass dieselben durchaus mehr als ums Fünffache kleiner sind als die der eigentlichen Vierfüßler, und dass die zwei Füße natürlicherweise etwas verschiedener sind als entweder die Vorder- oder Hinterfüße der Vierfüßler. Denn fürs Erste sind die zwei Füße im Vergleich durchaus stärker als bei den Vierfüßlern; und fürs Zweite sind die Tritte der Füße gedehnter und ausgezeichneter; sind aber dessen ungeachtet von den Füßen des Menschen dadurch allgemein unterschieden, dass sie die Knie ihrer Füße nach rückwärts haben, während sie der Mensch nach vorwärts hat.

[60.8] Ein besonders merkwürdiger Unterschied der Füße dieser Zweifüßler von den Füßen der Vierfüßler besteht darin, dass die Füße dieser Zweifüßler entweder vom Bauch bis zum Knie mit einer sehr leichten und dehnbaren Haut verbunden und somit gewisserart zusammengewachsen sind, welche Haut aber dessen ungeachtet diese Tiere nicht im Geringsten in ihrem Gehen beirrt. Zu welchem Behuf diesen Tieren solche Haut ist, wird sich im Verfolg ganz klar zeigen. Wenn diese Tiere große, weitgedehnte, vogelartige Krallentritte haben, so sind diese Krallen mit einer solchen Haut verbunden, und die Füße aber damit nur bis zum Knie.

[60.9] Diejenigen Tiere, deren Füße bis zum Tritt mit der Haut verbunden sind, sind in der Gegend, allda der Hals den Leib verlässt, mit verhältnismäßig großen und starken Fächerarmen versehen, nicht unähnlich den Flossen der Fische bei euch. Diejenigen Tiere aber, die da nur bis zum Knie mit der Haut bewachsen sind, da sie behäutete Krallen besitzen, haben diese Fächerarme nicht, dafür aber einen ziemlich langen, ebenfalls fächerartigen Schweif.

[60.10] Warum sind denn sonach diese Tiere so eingerichtet? Diese Tiere sind darum so eingerichtet, weil sie samt und sämtlich Bewohner sowohl des Landes als auch der Luft sind, fast auf dieselbe Weise wie bei euch die Fledermäuse und noch andere Flattertiere. Alle diese Tiere können sich, zufolge einer in ihrem Organismus entwickelten, überaus feinen und leichten Luftgattung, gleich euren Ballonen in die auf diesem Planeten am meisten intensive Luft erheben, so können sie mittels dieser Zwischenfußhaut und der Fächerarme, oder mittels der Krallenhäute und des Fächerschweifes, in der Luft sich also nach allen Richtungen geschickt bewegen wie alle die Flattertiere bei euch.

[60.11] Ihr werdet hier wohl fragen: Was haben denn diese Tiere eigentlich für einen Zweck auf diesem Planeten? – Einen sehr bedeutenden. Denn fürs Erste bilden sie in metaphysischer Hinsicht die Übergangsstufe vom eigentlichen Tierreich bis zum Menschen. Fürs Zweite aber sind sie in naturmäßiger Hinsicht die in diesem Planeten allernotwendigsten und allerbewohntesten [allerbewährtesten?] Luftreiniger. Denn wie sehr die Luft dieses Planeten nicht selten bis zu einer Höhe von fünfzig bis hundert deutschen Meilen mit allerlei meteorischen und zugleich metamorphosischen Tier- oder mitunter auch Pflanzenwesen erfüllt und belebt ist, ist zum Teil schon erwähnt worden. Aber es bleibt uns noch dessen ungeachtet ein Bedeutendes zu erwähnen übrig, und ihr könnt es mit größter Zuversicht annehmen, dass sich dergleichen Erscheinungen besonders gegen die Abendzeit so anzuhäufen anfangen, dass darob die Sonne so gänzlich verfinstert wird, wie solches bei euch noch gar nie, außer einer totalen Finsternis, bemerkt wurde. Wenn denn eine solche meteorische oder metamorphosische Erscheinung im Anzug ist, sodann erheben sich auch sobald Millionen solcher Tiere mit ungemeiner Steigschnelligkeit von den Gebirgen, manchmal auch mehr unwirtbaren Tälern und Gräben, und erreichen gar bald eine solche entweder meteorische oder metamorphosische Wolke. Dass diese Tiere hier eine ihnen wohlschmeckende Mahlzeit halten, braucht kaum erwähnt zu werden; und sie speisen nicht selten eine über hundert Kubikmeilen inhaltsschwere schon besagte Wolke in einem Zeitraum von wenigen Stunden beinahe ganz rein auf. Dass solches dann für die Menschen eine große Wohltat ist, braucht ebenfalls kaum erwähnt zu werden.

[60.12] Auch das auf diesem Planeten fast durchgängig metamorphosische Reich der Vögel, welches ebenfalls in jeder Hinsicht sehr reichhaltig ist, wird von diesen Gästen in gehörigem Zaume gehalten.

[60.13] Ihr werdet hier fragen: Fallen aber diese sonderbaren Zweifüßler nicht auch mitunter den Menschen zur Last? – O nein! Denn diese Tiere sind überaus scheu und bewohnen daher stets nur solche Punkte, Plätze und Gegenden des Landes dieses Planeten, die sonst für Menschen und auch andere Tiere fürs Erste nicht leicht zugänglich sind, und woselbst sie fürs Zweite auch noch zugänglich sind, so erscheinen sie aber allzeit in einer solchen unwirtbaren Nacktheit, dass Menschen und andere Wesen hier nicht viel zu suchen haben.

[60.14] Somit wären wir auch mit dieser Tiergattung fertig und wollen uns daher zum Menschen dieses Planeten wenden.

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