Hier ist Dein Kapitel

57. Das Tierreich auf dem Miron. Der Dampfer, der Donnerer und der Windmacher

(Am 28. Oktober 1842 nachmittags 3 1/2 bis 5 3/4 Uhr.)

[57.1] Was hier das Tierreich betrifft, so ist zum Teil erwähnt worden, wie dasselbe bis zu einer gewissen Stufe der immerwährenden Metamorphose unterliegt, und zwar wechselweise von den Pflanzen bis zu den Tieren und von den Tieren bis zu den Pflanzen. Sonach wollen wir nicht bei dieser Stufe der Tiere, welche so sehr der Metamorphose unterliegt, unsere Betrachtungen anfangen, sondern wollen uns sogleich zu jener Klasse der Tiere wenden, welche auf diesem Erdkörper schon einen bleibenden Standpunkt einnimmt.

[57.2] Zu der Klasse dieser Tiere gehört vorerst eine bedeutende Gattungsanzahl verschiedener großer, vierfüßiger Tiere, welche das Land bewohnen. Fürs Erste eine sonst nirgends als auf diesem Planeten vorkommende Tierklasse, nämlich die zweifüßigen Tiergattungen; sodann einiges Geflügel. Und endlich erst wollen wir den Menschen selbst in Augenschein nehmen.

[57.3] Ein Tier aus der vierfüßigen Tierreihe unter dem Namen „der große Dampfer“, ist eines der seltensten Tiere dieses Planeten. Dieses Tier hat eine Größe, dass es derzufolge von den Füßen bis auf den Rücken bei dreißig Klafter misst und hat einen Leibumfang von wenigstens sechsunddreißig Klaftern, das heißt um den Bauch. Seine Füße sind verhältnismäßig lang und stark und sind nahe so gebaut wie die Füße eines Elefanten bei euch; nur sind sie zuunterst an den Tritten, anstatt mit stumpfen Klauen, mit starken, einer Bärentatze ähnlichen Krallen versehen. Dieses Tier hat ebenfalls einen in seinem Verhältnis langen und starken Schweif, der mit einem reichlich gekrausten Haarbusch versehen ist, etwa so wie der Schweif eines Löwen bei euch. Der Kopf dieses Tieres sitzt auf einem kurzen, aber desto stärkeren Hals und hat eine bedeutende Ähnlichkeit mit dem Kopf eines Rhinozeros bei euch.

[57.4] Statt des Horns auf der Nase hat es einen weiten und sehr geräumigen Trichter, welcher mehrere eurer Klafter im Umfang hat. Ober dem Trichter, an der Stirn, hat es zwei bis zu dreißig Klaftern dehnbare Rüssel. Mit diesen Rüsseln sammelt dieses Tier Wurzeln und allerlei andere, für dasselbe genießbare Früchte, legt dieselben in den weiten und geräumigen Trichter; und ist der Trichter angefüllt, so lässt dieses Tier gar bald einen ganz heißen Dampf durch seine Nüstern in diesen Trichter. Dadurch werden die Früchte förmlich gekocht, und wenn sie gehörig weich geworden sind, so langt dieses Tier dann mit dem Rüssel in den Trichter, hebt die erweichten Viktualien nach und nach heraus und schiebt dieselben in den zwar ziemlich weiten Rachen. Der Rachen aber ist zahnlos und besitzt statt der Zähne nur sehr starke Quetschmuskeln, mittels welcher es die in den Rachen gelegten und zuvor in dem Trichter schon gekochten Viktualien zerquetscht und sodann zu seiner Sättigung verschlingt.

[57.5] Wenn dieses Tier seine Speisen kocht, so verbreitet es aus seinem Trichter nicht selten einen bei weitem stärkeren Dampf, welcher in dichten Wolken aufsteigt, als wenn bei euch auf der Erde ein sehr großes Gebäude in Flammen stände. Aus diesem Grunde das Tier auch, wie schon anfänglich bemerkt wurde, der große Dampfer genannt wird.

[57.6] In keinem Planeten, wie in dem, gibt es so viele entgegengesetzte tierische Polaritäten, die sich aus dem Grunde allzeit feindlich begegnen. Und so geschieht es denn auch, dass unser großer Dampfer eine Menge tierischer Feinde hat, welche ihm nach dem Leben streben. Aber alle dieses Tier anfeindenden anderen Tiere kommen sehr übel zum Teile im Kampf mit ihm; denn so groß dieses Tier ist, so ist es aber dennoch äußerst behände und ganz besonders mit seinen beiden Rüsseln pfeilschnell. Wenn sich demnach ihm Feinde nähern und es merkt solches dieses Tier, so stellt es sich, als wenn es dieselben nicht merkte und lässt darum die Feinde ganz in seine Nähe kommen; sodann aber schießt es mit seinen Rüsseln plötzlich nach den Feinden, wirft sie in seinen weiten Dampftrichter, welcher sehr fest ist, und lässt sogleich seinen heißen Dampf über sie los. Wenn noch einige andere sich ebenfalls nahenden Feinde solches Spektakel erblicken, so kehren sie gewöhnlich um und machen keine Miene mehr, diesen Feind anzufallen, sondern ziehen sich, wie ihr zu sagen pflegt, ganz bescheiden zurück und versparen ihren feindlichen Groll auf eine bessere Gelegenheit, bei welcher es aber einem und dem anderen um kein Haar besser ergeht, als wir es soeben gehört haben. Nur gegen Menschen, vor welchen dieses Tier eine eigene Achtung hat, übt es nie diese Art Verteidigung aus, sondern treibt dieselben, wenn sie es zu sehr reizen, mit seinen stark schwingenden Rüsseln davon; lässt aber bei dieser Gelegenheit dennoch eine solche Masse Dampf seinem Trichter entsteigen, dass darob die Menschen in eine ganz dichte Wolke eingehüllt werden und dann nicht leicht merken können, wohin das Tier seinen Weg genommen hat. Die Menschen aber, wenn sie sich noch in dieser eben nicht gar zu angenehm duftenden Dampfwolke befinden, verhalten sich ebenfalls ruhig so lange, bis sich die Wolke wieder gelichtet hat; und ist solches geschehen, so ziehen sie sich ebenfalls gewöhnlich unverrichteter Sachen zurück.

[57.7] Das ist sonach schon ein denkwürdiges Tier dieses Planeten. Seine Nützlichkeit hat zumeist nur das metaphysische Feld zum Grunde, vermöge welchem es eine Übergangsstufe bildet von dem gewöhnlich metamorphosischen Pflanzenleben in das konstante Tierleben. Seine Farbe ist grünlichgrau.

[57.8] Ein zweites nicht minder denkwürdiges Tier dieses Planeten ist der sogenannte Donnerer. Dieses Tier ist um ein Drittel kleiner als das vorige und ist in seiner Art eben einzig und allein diesem Planeten eigen. Dieses Tier hat einen besonders großen Bauch, welchen dieses Tier noch obendrauf bei gewissen Gelegenheiten durch die Entwicklung einer inneren Luft so außerordentlich auftreiben kann, dass es dann nicht selten einen Umfang von mehr als vierzig Klaftern um die Bauchgegend bekommt, während es sonst nur einen Umfang von etwas über zehn Klaftern hat. Dieses Tier hat nahe die Ähnlichkeit mit einem sogenannten Känguru bei euch, welches Tier bei euch auch den Namen „Beuteltier“ führt; nur hat es einen runden Kopf, ungefähr wie ein Affe bei euch, und seine Füße sind ebenfalls so gestaltet wie die eines Affen bei euch, aber natürlicherweise im Verhältnis zur übrigen Größe des Tieres gehörig stark und fest.

[57.9] Auch dieses Tier nährt sich von Kräutern, mitunter auch von Baumfrüchten, und hält sich vorzugsweise gern in der Nähe der Gewässer auf. Warum aber wird es denn der Donnerer genannt? Solches wird sogleich ersichtlich werden.

[57.10] Wenn dieses Tier von seinen Feinden verfolgt und irgend in die Enge getrieben wird, so treibt es seinen Bauch auf, wodurch es dann ein überaus lächerliches Aussehen bekommt. Ist der Bauch nun aufgetrieben, so begibt es sich augenblicklich ins Wasser und schwimmt behände vom Ufer hinweg. Ist es nun etwa bei zehn oder zwanzig Klafter schon vom Ufer entfernt, so fängt es, im Wasser schwimmend, mit seinen Vorderfüßen auf seinem stark gespannten Bauch zu trommeln an. Dadurch verursacht es einen solchen Lärm, dass darob sogar das Ufer in eine Art Schwebung gerät, als wäre ein kleines Erdbeben vorhanden. Durch diesen Lärm erschreckt es dann seine Feinde nicht selten so gewaltig, dass sich dieselben nicht so leichtlich wieder in eine solche schauderhafte Gegend zu begeben getrauen.

[57.11] Selbst Menschen sind eben nicht die größten Freunde von diesem ziemlich unangenehmen Bären [Lärm], welcher manchmal, besonders bei den Männchen, von so intensiver Art wird, dass sich bei euch auf der Erde ein ziemlich naher Kanonendonner weidlichst schämen müsste.

[57.12] Die Nützlichkeit dieses Tieres ist mit der des vorhergehenden homogen. Und es wird auch von Seite der Menschen nie Jagd auf dasselbe gemacht, weil es sonst überaus sanfter Natur ist und keinem anderen Wesen etwas zuleide tut, außer, wenn es verfolgt wird, durch seinen Lärm, den es gewöhnlich so lange fortsetzt bis sich dessen Feinde weithin geflüchtet haben. Sodann aber begibt es sich wieder ans Ufer, entladet seinen Bauch von der Luft und treibt da wieder seine gewöhnliche Lebensweise fort. Die Farbe dieses Tieres ist rücklings dunkelblau, vorwärts aber am Bauch ins Grünlichgelbe übergehend.

[57.13] Das wäre sonach das zweite denkwürdige Tier dieses Planeten. Und so gehen wir wieder zu einem anderen über, welches ebenfalls nicht weniger merkwürdig ist.

[57.14] Dieses Tier hat den Namen „der Windmacher“. Bevor wir aber die Ursache seines Namens betrachten wollen, werden wir uns mit seiner etwas sonderbaren Gestalt beschäftigen. Wie sieht es denn aus? Für euch, wie ihr zu sagen pflegt, im wahren Sinne komisch. Ihr habt auf eurer ganzen Erde nicht eine so lächerliche Tiergestalt wie die da ist dieses Tieres. Ein Esel bei euch könnte dagegen als ein wahrer Weiser des Morgenlandes auftreten. Aus diesem Grunde wird auch dieses Tier gewöhnlich zahm gehalten, indem es den Bewohnern dieses Planeten sehr viele erheiternde Spektakel macht, wovon sie große Freunde sind, indem sie auch in geistiger Hinsicht in dem großen Menschen den Lachdrüsen des Bauches entsprechen.

[57.15] Dieses Tier hat eine zehnfache Größe von einem Pferd bei euch. Die Farbe dieses Tieres ist ungefähr so rot, wie etwa ein schmutziger Ziegel bei euch. Die Füße sind im Verhältnis ziemlich lang und etwas auswärts gebogen, besonders in dem Teil unter dem Kniegelenk, und sind vom Bauch an bis auf die beiden kamelartigen Stumpfklauen mit plump gekrausten Haaren stark bewachsen. Die Hinterfüße sind ebenfalls, wie die vorigen, nach auswärts gebogen und sind ebenfalls so behaart wie die vorigen. Die Bauchgegend ist mit zwei Reihen nackter Zitzen behangen, welche nicht selten eine halbe Klafter lang sind. Das Männlein hat zwar etwas kürzere Zitzen, aber desto ausgezeichnetere Genitalien; besonders ist der Hodensack bis zu den Knien der Hinterfüße herabhängend. Der Schweif ist vom Rücken weg ebenfalls mit plump gekrausten Haaren reichlich versehen und ist sehr lebhaft beschäftigt, um allfällige Insekten vom Leib zu treiben. Die Rückengegend ist ebenfalls mit plump gekrausten Haaren versehen. Und so sieht der Mittelleib, besonders da der Steiß ziemlich stark aufgeworfen ist, einem riesigen Pavian bei euch der Form nach nicht unähnlich, bis auf die Füße und bis auf den Schweif. Von dem ziemlich plump voluminösen Leib erhebt sich ein schlanker Schwanenhals. Auf diesem zierlichen Schwanenhals sitzt ein euren Mauleseln nicht unähnlicher Kopf; nur sieht er noch stumpfer aus als der Kopf eines Maulesels und hat auch noch bei weitem größere und weniger gespitzte Ohren als ein Maulesel. Die Ränder der Ohren sind ebenfalls stark behaart in der Art wie die Füße. Und vom unteren Kinnbacken hängen ein paar lange, ganz nackte Zitzen von graulicher Farbe, welche nur hier und da mit einigen ziemlich langen Haaren bewachsen sind. Zudem hat es einen sehr weit aufzusperrenden Rachen, aus welchem es eine mehrere Klafter lange Zunge nach Bedarf strecken kann. Also wäre die Gestalt dieses Tieres.

[57.16] Warum heißt es aber „der Windmacher“? Wenn dieses Tier, zufolge seiner für die Bewohner dieses Planeten sehr lächerlichen Gestalt, über die Maßen geneckt und gereizt wird, so bläht es sich dann auf, rollt seine Zunge zu einem Rohr zusammen und bläst dann aus diesem Rohr sogestaltig, dass es einen Menschen, der in diesem Planeten eine sehr beachtenswerte Größe hat, wenn er sich nicht versieht, mit leichter Mühe umwirft. Besonders aber wendet dieses Tier seinen Wind allda gern an, wo es vor sich eine Menge lockerer und zugleich schmutziger Gegenstände erblickt. Diese bläst es dann seinen Neckern und Beleidigern zu; und da geschieht es dann nicht selten, dass einige zu mutwillige Necker dieses Tieres ganz übel bedient werden. Aber ebendiese Erscheinung macht dann erst den sogenannten Hauptspaß dieser Bewohner aus, und zwar nicht so sehr wegen des Faktums selbst, als besonders wegen der überaus lächerlichen Stellung, welche dieses Tier bei dergleichen Operationen annimmt.

[57.17] Das ist aber auch die ganze Nützlichkeit von Seite der Menschen betrachtet, für welche sie sich dieses Tieres bedienen. Sonst aber ist seine Nützlichkeit homogen mit der der zwei früheren Tiergattungen. Und so denn sind wir mit diesem Tier fertig und wollen fürs nächste Mal unsere Betrachtungen fortsetzen.

TAGS

Kein Kommentar bisher

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Letzte Kommentare