(Am 17. September 1842 von 3 bis 6 1/4 Uhr nachmittags.)
[30.1] Was die häusliche Verfassung betrifft, so ist diese einerseits sehr einfach, anderseits aber dennoch wieder sehr kompliziert. Wie ist solches wohl möglich, dass ein und derselbe Zweig auf der einen Seite einfach, auf der anderen Seite aber kompliziert erscheinen kann? Es ist nichts leichter als das; denn es gehört dazu nur die rechte Erkenntnis, und dieser zufolge kann kein Ding anders betrachtet und erkannt werden, als so, dass es einerseits ganz einfach, anderseits aber dennoch wieder überaus kompliziert erscheinen muss.
[30.2] Nehmt ihr zum Beispiel nur einen Apfel, beseht ihn von außen, und er wird euch unmöglich anders als höchst einfach und monoton vorkommen. Öffnet ihn aber und untersucht alle seine inneren Teile mikroskopisch, so werdet ihr diesen ganz einfachen Apfel so vielfach kompliziert erblicken, dass euch von der Fülle seiner Teile zu grauen und zu schwindeln anfangen wird.
[30.3] Seht, ebenso verhält es sich mit der häuslichen Verfassung unserer Gürtelbewohner. Wenn ihr so zu einem Haus kommen möchtet und dasselbe samt seinen Bewohnern einen Zeitraum von zehn Jahren beobachtetet, so würdet ihr fast nichts anderes als ein sich immer wiederholendes Einerlei erblicken und dieses noch dazu so einfach und einfältig, wie nur immer möglich, so zwar, dass euch ein Taubenschlag auf der Erde mehr Abwechslung bieten dürfte als ein solches Wohnhaus mit seinen Bewohnern.
[30.4] Aber nicht also sieht es im Innern aus; denn allda ist wieder alles so kompliziert und bedeutungsvoll, dass es euch schon bei der kleinsten Sache zu schwindeln anfangen würde, wenn dieselbe euch ein solcher Hausvater möchte auseinanderzusetzen anfangen und euch zu erschließen alle die geheimen und wichtigen Bedingungen, welche alle allerpünktlichst von dieser Kleinigkeit abhängen.
[30.5] Damit ihr euch davon einen genügenden Begriff machen könnt, wie allda eine solche Haushaltung auf ihrer komplizierten Seite eingerichtet ist, will Ich euch zum hinreichenden Überfluss nur ein paar recht augenscheinliche Beispiele kundgeben.
[30.6] Ihr wisst auch etwas von der Symmetrie und vom Gleichgewicht. Allein was ist da eure Symmetrie und euer Gleichgewicht gegen das, was ein solcher Gürtelbewohner Symmetrie und Gleichgewicht nennt!
[30.7] Nehmen wir zuerst ein Beispiel von der Symmetrie. Wenn ein Sonnenbewohner zu euch in eure Zimmer kommen würde, und möchte da erblicken die Gegenstände, wenn auch noch ziemlich wohlgeordnet, in einem Zimmer, als zum Beispiel Kästen, Tische, Bänke, Wandverzierungen und dergleichen mehr, so würde er augenblicklich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und würde euch, wenn er sich von seinem ersten Entsetzen ein wenig erholt hätte, auf ein Haar beweisen, dass von solcher Unordnung das Gleichgewicht eines ganzen Weltkörpers abhängt; und ist dieser aus seinem Gleichgewicht, so muss alles mit der Zeit aus dem Gleichgewicht kommen. Er würde euch beweisen, dass wenn dieser oder jener Kasten, oder ein sonstiges Einrichtungsstück, nicht mit der größten Ruhe und Behutsamkeit um ein Haar weitergerückt wird, in tausend Millionen Jahren die ganze sichtbare Schöpfung in die größte Unordnung geraten muss. Und solches würde er euch nicht nur naturmäßig, sondern auch mit außerordentlicher philosophischer Gediegenheit metaphysisch dartun, und würde zum Beispiel sagen: „Aber merkt ihr unsinnigen Menschen denn nicht, dass sich ja notwendig eure Gedanken vorerst also ordnen und binden müssen, wie geordnet da ist das Hausgerät in eurer Wohnung. In welcher Ordnung aber werden sich diese wohl binden, wenn sie neben einem Kasten einen Stuhl, auf dem Kasten irgendein mit dem Kasten in gar keiner Beziehung stehendes Gefäß, in einem anderen Winkel des Zimmers ein Ruhebett und neben demselben wieder einen Tisch und neben dem Tisch wieder etwas mit demselben in gar keiner Beziehung Stehendes, entweder für beständig oder, was noch schlechter ist, veränderlich erschauen?“
[30.8] Er würde euch weiter fragen: „Wisst ihr, was die Weisheit ist? Die Weisheit ist das unendlich vollkommenste Ebenmaß in allen Dingen; sie ist die allerscharfsinnigst berechnete Ordnung, durch welche und in welcher die allerhöchste Weisheit Gottes alle Dinge erschaffen hat und dieselben erhält. Wie wollt ihr aber je zur Weisheit gelangen, wenn ihr nicht einmal in diesen kleinen Dingen Sorge tragt, dass sie so geordnet und gestaltet würden, dass sich euer Auge an solche Ordnung gewöhne, und durch solche oft wiederholte Beschauung auch eure Gedanken einen Anfang machen möchten, wenigstens in diesen kleinen Dingen sich an eine Ordnung zu gewöhnen und von dieser Ordnung dann auch zu einer anderen überzugehen? Denn wenn ihr nicht da, wo ihr es könnt, die Ordnung beobachtet und euch an dieselbe gewöhnt, wie wollt ihr dann mit eurem solche Unordnung gewohnten Geist eine höhere Ordnung entdecken und beschauen? Ist dieses nicht ebenso unmöglich, als wenn ihr mit einer allerungeschicktesten Bruchzahl wolltet die Wurzel einer Größe finden, welche aus lauter geraden Zahlen besteht? Ihr müsst daher eure kleinsten Gedanken zu einer geraden Zahl erheben; sodann erst könnt ihr euch auf andere Größen wagen, um in ihnen die wohlgeordnete Wurzelzahl zu entdecken, welche die Bedingung der ganzen Größe enthält.“
[30.9] Und weiter würde ein solcher weiser Bewohner solch eines Gürtels zu euch sprechen: „Kennt ihr das Gewicht eures Weltkörpers? Wisst ihr, was denselben um seine Achse dreht? Wisst ihr, was ihn im freien Raum erhält? Es ist das Gleichgewicht. Sind fürs Erste eure Häuser vollkommen symmetrisch gebaut, keines größer und keines kleiner, und so auch alle Zimmer in den Häusern vollkommen gleich eingeteilt, die Einrichtung überall dieselbe und gleich geordnet, so übt solches keine Störung auf die Bewegung eines Weltkörpers. Im Gegenteil aber muss es euch ja doch einleuchtend sein, dass solche unsymmetrische und unverhältnismäßig bald mehr massive, bald wieder weniger massenreiche Aufhäufung von Materialien auf einem und demselben Punkt dem Gleichgewicht eines ganz freischwebenden Weltkörpers ja notwendigerweise einen mathematischen Unterschied beibringen muss. Ist aber das Gleichgewicht nur im Geringsten gestört, so geht solche Störung ja auch auf die Bewegung über und bewirkt mit der Zeit immer mehr sich häufende Unordnungen fürs Erste in der Temperatur und fürs Zweite in dem Umschwung selbst, welcher entweder beschleunigt oder verzögert wird. Wenn aber solche Unordnungen um euch her durch eure eigene Ungeschicklichkeit entstehen müssen, wann wollt ihr dann erst eurem Geist den Aufschwung zu einer höheren Ordnung geben, und durch diese erst in die Weisheit übergehen?“
[30.10] Seht, das wäre ein Beispiel über die Symmetrie. Bevor wir aber solches näher beleuchten wollen, wollen wir noch ein kleines vom eigentlichen Gleichgewicht hinzufügen. Ihr werdet hier zwar sagen und fragen: Was soll denn dieser Weise noch für ein anderes Gleichgewicht haben, als dasjenige, demzufolge er ja ohnehin schon hinreichend die Symmetrie unserer Zimmereinrichtung getadelt hat?
[30.11] Ich sage euch aber: Das war nur eine allerleiseste Anspielung von dem, was ein so recht erzweiser Gürtelbewohner unter dem Gleichgewicht versteht. Das Gleichgewicht geht dort so weit, dass ihr euch davon auf der Erde im eigentlichsten Sinne gar keinen Begriff machen könnt.
[30.12] So wird zufolge des Gleichgewichts das Kleidungsstück, das sie tragen, auf einer allergenauesten Haarwaage gewogen und muss demzufolge, wenn zum Beispiel in einem Haus auch bei hundert Menschen leben, jedermann ein ganz haargleich vollkommen schweres Kleid tragen, und muss sich demzufolge auch jeder gefallen lassen, dass die Kleidungsstücke von Zeit zu Zeit wieder gewogen werden; und wenn es sich da zeigt, dass eines oder das andere um ein oder zwei Sonnenstäubchen geringer ist als das andere, so muss solches außerordentliche Untergewicht sogleich waagerecht ersetzt werden.
[30.13] Hernach wird auch jedermann abgewogen, und der natürlich Schwerste dient da zum Maßstab. Der Leichtere muss sich dann gefallen lassen, stets so viel Gewicht mit sich zu tragen, damit er mit dem Schwersten gleichgewichtig ist. Also ist es auch mit den Weibern der Fall; da auch wird die Schwerste abgewogen, und die Leichteren müssen ebenfalls sich zur Tragung eines Gewichts bequemen, um vollgewichtig zu werden. Die Kinder werden nach gewissen Altersklassen eingeteilt und müssen von einer Altersklasse zur anderen ein bestimmtes Kindergewicht haben, welches aber dadurch erhalten wird, dass den Kindern gleich anfangs ein kleines Bleigewicht gegeben wird, von welchem von Zeit zu Zeit stets nach der Waage etwas genommen wird, damit das erste angenommene Kindesgewicht bis zur nächsten Altersklasse stetig bleibe.
[30.14] Also werden auch die Nahrungsmittel allzeit auf das Genaueste abgewogen und müssen vom Baum überaus behutsam abgenommen werden, und dann allzeit von zwei Menschen genau in ihrer Mitte ins Haus geschafft werden, wo sie dann auf die genaue Mitte eines dazu bestimmten Speisetisches gelegt werden.
[30.15] Sind die Früchte einmal in hinreichender Menge auf dem Tisch in der höchst möglich symmetrischen Ordnung aufgehäuft, sodann kommen zwei Auswäger, welche nach Linien, mit welchen der Speisetisch überzogen ist, sich ganz gleichen Schrittes mathematisch genau gegenüberstellen, und ein jeder nimmt dann gleichzeitig ein Fruchtstück von möglichst gleicher Größe und wägt es genau ab. Sind die ersten zwei Stücke gewogen, so werden sie wieder ganz gleichzeitig aus der Waage genommen und in eine schon zu dem Behuf auf einer Linie befestigte Speiseschale gelegt. Ist die erste Abwägung geschehen, so bewegen sich die Auswäger ganz gleichen Schrittes zu einer anderen Linie und wägen allda wieder eine zweite Portion ab und tun solches so lange, bis alle Speiseschalen gefüllt sind. Sodann bewegen sich die zwei Auswäger wieder geradlinig links und rechts vom Tisch weg und heben ihre Waagen auf dem bestimmten Ort auf.
[30.16] Sodann wird ein Zeichen gegeben, und alles bewegt sich nach den vorgeschriebenen Linien und Kreisen, mit welchen der Fußboden mathematisch genau ausgezirkelt versehen ist, ganz gleichen Schrittes in der möglichsten Ruhe zum Speisetisch hin, allda muss dann wieder ein jedes ganz vollkommen gleichzeitig in die Schale greifen und also auch die Früchte ordnungsmäßig verzehren. Und sind die Früchte verzehrt, so wird dem großen, weisen Geber gedankt, und dann wieder in derselben Ordnung vom Speisetisch hinweggegangen und wird allda geruht.
[30.17] Auf ein gegebenes Zeichen erhebt sich dann wieder alles von den Ruhebänken und bewegt sich gleichen Schrittes paar- und paarweise entweder auf die Galerie des Hauses im Inwendigen oder aber auch manchmal auf die Dachgalerie. Doch jede solche Bewegung muss sehr gleichmäßig geschehen, so dass niemand einen geschwinderen und weiteren Schritt machen darf, als wie solche Schritte schon mit Linien auf dem Boden bezeichnet sind.
[30.18] Solche Ordnung in der Bewegung aber wird nur vorzugsweise im Haus beobachtet und außer dem Haus nur bis zu einem gewissen Kreis. Über diesen Kreis kann dann auch jeder Mensch sich freier und willkürlicher bewegen, und das zwar aus dem Grunde, weil dort der Boden ihrer Welt kein gleichgewichtstörendes, schweres Haus mehr zu tragen hat.
[30.19] Ebenso pedantisch ist auch solche symmetrische und Gleichgewichtsbeobachtung in den Kollegien zu Hause.
[30.20] Seht, aus diesen zwei Beispielen könnt ihr euch nun schon leicht einen Begriff machen, von welcher Art die sämtliche Hausverfassung bei den Bewohnern dieser beiden Gürtel ist. Denn so hat auch jede andere Beschäftigung und Einrichtung den abgemessensten und abgewogensten Takt, welche häusliche Verfassung dann, wie gesagt, einerseits betrachtet höchst monoton und einfach aussieht, anderseits aber ist sie wieder so kompliziert, dass darüber eure größten Weisheitspedanten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden.
[30.21] Ihr wundert euch wohl darüber und sagt: „Welch ein bedeutender Grad von Narrheit gehört da dazu, um solche Regeln sogar in das Fach der häuslichen Verfassung zu ziehen!“ – Aber Ich sage euch, dass ihr da einen ungerechten Tadel führt; denn solches ist die Natur aller Weisheit an und für sich, wenn sie nicht auf der Grundfeste der Liebe beruht.
[30.22] Geht nur einmal in die Wohnung eines echten Erzgelehrten und beobachtet da sein Tun und Treiben; lasst euch auch die Ursache angeben, warum ein Stück da und das andere dort angebracht ist. Und wenn ihr es nur versteht, den gelehrten Mann bei seiner schwachen Seite zu packen, so werdet ihr Wunder erleben, wie euch dieser eine Ursache um die andere mit geschichtlicher und mathematischer Würde und Genauigkeit wird darzustellen wissen.
[30.23] Wann ihr irgend etwa einen alten, zerschlagenen Topf in einem Winkel seines Zimmers zufällig erblicken werdet, und werdet den gelehrten Mann darüber fragen, ob solches auch von irgendeiner Bedeutung sei, so wird er euch zuerst mit der Geschichte dieses Geschirrs bekannt machen, wie selbes allenfalls Alexander der Große gebraucht hatte, da er den von seinem Leibarzt verordneten Heiltrank zu sich nahm, als er gegen Persien zog. Dann wird er euch die ganze Trauscendentenfolge [Reihe von Eigentumsübertragungen] dieses merkwürdigen Gefäßes kundgeben und endlich, wie es in seine Hände gekommen ist.
[30.24] Wenn ihr ihn aber dann fragen werdet und sagen: „Wie aber können Sie eine so überaus merkwürdige und schätzbare Antiquität in einen so unansehnlichen freien Winkel des Zimmers hinstellen, während man es doch in goldenem Futteral in einem allergeheimsten Schatzkasten aufbewahren sollte?“, so wird euch der Gelehrte sogleich mit der größten geschichtlichen und mathematischen Gewissheit darzutun wissen, dass dieses Gefäß Alexander der Große, wie er aus selbem den Trank geleert, in eben den Winkel seines Gezeltzimmers hingestellt hat, wie es sich jetzt allhier befindet, und dass der ausgebrochene Scherben noch daher rühre, wie Alexander der Große dieses Gefäß bei einer unvorsichtigen Wendung mit seinem Fuß lädiert habe.
[30.25] Seht, solche Sprache würde ein solcher Gelehrter schon bei einem zerbrochenen Topf führen, welcher sicher alles eher aufzuweisen hat, als dass er einst dem König der Mazedonier sollte gedient haben. Möchtet ihr ihn um ein Stück fragen, welches noch so unordentlich und bestaubt in einem anderen Winkel des Zimmers liegen möchte, so wird er euch jede Falte genau zu erklären wissen und selbst den Staub, der auf demselben rastet, dass ihr euch darüber erstaunen würdet.
[30.26] Aus dem aber könnt ihr ja ganz leicht schließen, wie da für sich geartet ist die Weisheit und somit alle ihre Produkte [beschaffen sind], wenn sie, wie schon bemerkt, nicht den gerechten Grad der Liebe zum Grunde hat.
[30.27] Solches habe Ich euch nun kundgegeben, damit ihr daraus die häusliche Verfassung unserer beiden Gürtel-Bewohner abnehmen, zugleich aber auch daraus ersehen könnt, wie an und für sich die Weisheit geartet ist. Denn weil eben Meine Ordnung und Meine Weisheit unendlich und unergründlich ist, so bleibt den alleinigen Weisheitskrämern nichts anderes übrig, als eine für euch unberechenbare Versteigung in allen ihren Elementen.
[30.28] Dass demnach solche Erscheinlichkeiten einem Liebeweisen absurd und lächerlich vorkommen müssen, solches ist ja ebenso begreiflich, als wie es jedermann begreiflich lächerlich vorkommen müsste, wenn er einen wirklichen Esel in einer römischen Toga erblicken möchte. Denn wahrlich ist ein solcher pur weise sein wollender Tropf in geistiger Hinsicht um kein Haar besser anzuschauen, als ein solcher betogter Esel auf einer Redebühne.
[30.29] Nächstens wollen wir dann den geistigen und religiösen Teil noch in Augenschein nehmen und uns sodann behände auf einen anderen Gürtel schwingen. Und daher gut für heute!
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