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39. Joseph belehrt den Cyrenius

Am 5. Oktober 1843

[39.1] Obschon aber sonst die Römer an lange dauernde Fressgelage gewöhnt waren, so war aber doch davon der Cyrenius eine Ausnahme.

[39.2] Wenn er dergleichen Fressgelage nicht dann und wann zur Ehrung des römischen Kaisers halten musste, so war bei ihm die Mahlzeit nur kurz; denn er war einer derjenigen Philosophen, die da sagen: „Der Mensch lebt nicht, um zu essen, sondern er isst nur, um zu leben, – und dazu braucht es nicht tagelang dauernder Fressgelage.“

[39.3] Und so war denn auch die geheiligte Mahlzeit nur kurz und war bloß auf die nötige Stärkung des Leibes berechnet.

[39.4] Nach der also kurzen Mahlzeit dankte der Joseph dem Herrn für Speise und Trank und segnete dafür den Gastgeber.

[39.5] Dieser aber ward darob sehr gerührt und sagte zu Joseph: „O wie hoch doch steht deine Religion über der meinigen! Um wie vieles stehst du der allmächtigen Gottheit näher denn ich!

[39.6] Und um wie vieles bist du daher auch mehr Mensch, als ich es je werde werden können!“

[39.7] Joseph aber erwiderte dem Cyrenius: „Edler Freund, du kümmerst dich um etwas, was dir der Herr soeben jetzt gegeben hatte!

[39.8] Ich aber sage dir: Bleibe du, was du bist; in deinem Herzen aber allein nur vor Gott, dem ewigen Herrn, demütige dich und suche allen Menschen im Geheimen Gutes zu tun, und du bist Gott so nahe als meine Väter Abraham, Isaak und Jakob!

[39.9] Siehe, in diesem Kind hat dich ja der allmächtige Gott heimgesucht; du hast Ihn auf deinen Armen getragen! Was willst du noch mehr? Ich sage dir, du bist gerettet vom ewigen Tod und wirst hinfort keinen Tod an dir mehr sehen, noch fühlen, noch schmecken!“

[39.10] Hier sprang der Cyrenius vor Freude auf und sprach: „O Mann! – was sprichst du?! Ich werde nicht sterben?!

[39.11] O sage mir, wie ist solches möglich?! Denn siehe, bis jetzt ist noch kein Mensch vom Tod verschont geblieben! Soll ich also wirklich in die Zahl der ewig lebendigen Götter aufgenommen werden also, wie ich jetzt lebe?!“

[39.12] Joseph aber sprach: „Edler Freund, du hast mich nicht verstanden; ich aber will dir sagen, wie es an deinem irdischen Ende zugehen wird. Und so wolle mich in aller Kürze anhören!

[39.13] So du ohne diese Gnade gestorben wärst, da hätten schwere Krankheit, Schmerzen, Kummer und Verzweiflung deinen Geist und deine Seele samt dem Leib getötet, und dir wäre nach diesem Tode nichts geblieben als ein quälendes, dumpfes Bewusstsein deiner selbst.

[39.14] In dem Falle glichest du jemandem, der da im eigenen Haus, welches über ihm zusammengestürzt ist, ist halb zu Tod verschüttet worden; – und ward also bei lebendigem Leibe begraben und muss nun also den Tod fühlen und gar verzweifelt bitter schmecken, indem er sich nimmer zu helfen vermag.

[39.15] Stirbst du aber nun in dieser Gnade Gottes, da wird nur dieser schwere Leib dir schmerzlos abgenommen werden, und du wirst erwachen zu einem ewigen vollkommensten Leben, in dem du nicht mehr fragen wirst: Wo ist mein irdischer Leib?!

[39.16] Und du wirst, so dich der Herr des Lebens rufen wird, nach deiner geistigen Freiheit selbst deinen Leib ausziehen können wie ein altes lästiges Gewand!“

[39.17] Diese Worte machten auf den Cyrenius einen allermächtigsten Eindruck. Er fiel darob vor dem Kind nieder und sprach: „O Herr der Himmel! So belasse mich denn in solcher Gnade!“ Das Kind aber lächelte ihn an und hob ein Händchen über ihn.

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