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32. Abreise der drei Sternkundigen. Menschenhilfe und Gotteshilfe

Am 20. September 1843

[32.1] Die drei Weisen aber traten in einem Zelt zusammen und besprachen, was sie nun tun sollten.

[32.2] Sollen sie dem Herodes das gegebene Wort halten, oder sollen sie hier zum ersten Mal wortbrüchig werden?

[32.3] Und so sie einen anderen Weg in ihr Land einschlagen sollten, da frage es sich, welchen, der sie sicher brächte in ihr Land wieder.

[32.4] Und einer fragte den anderen: „Wird wohl der wunderbare Stern, der uns hierher geführt hatte, uns auch wieder anderen Weges nach Hause führen?“

[32.5] Als sie sich aber also berieten, siehe, da trat auf einmal ein Engel unter sie und sprach zu ihnen: „Sorgt euch nicht vergeblich, der Weg ist schon gebahnt!

[32.6] So gerade als da fällt der Sonne Strahl auf die Erde am Mittag, ebenso geraden Weges sollt ihr morgen in euer Land anderen Weges denn über Jerusalem geleitet werden!“

[32.7] Darauf verschwand der Engel, und die drei begaben sich zur Ruhe. Und früh am Morgen zogen sie von da hinweg und gelangten auf dem kürzesten Weg bald wieder in ihr Land, allwo sie vielen Freunden die große Ehre Gottes verkündeten und weckten sie wieder im rechten Glauben an den einigen Gott.

[32.8] Am selben Morgen aber fragte der Joseph den Hauptmann, wie lange er denn noch in dieser Höhle werde verweilen müssen.

[32.9] Der Hauptmann aber sagte freundlichst zum Joseph: „Mann meiner höchsten Achtung! Glaubst du denn, ich halte dich hier wie einen Gefangenen?

[32.10] O welch ein Gedanke! Wie soll ich, ein Wurm im Staub vor der Macht deines Gottes, dich wohl je gefangen halten!? Was aber meine Liebe zu dir tut, siehe, das ist ja keine Gefangenschaft!

[32.11] Von meiner Macht aus bist du zu jeder Stunde frei und kannst ziehen, dahin du willst! Aber nicht ebenso frei bist du von meinem Herzen aus; das möchte dich freilich hier halten für alle Zeit, denn es liebt dich und dein Söhnlein mit unbeschreiblicher Macht!

[32.12] Sei aber noch ein paar Tage ruhig; ich will sogleich Kundschafter nach Jerusalem senden und dort erfahren, was da der graue Fuchs machen wird, so die Perser ihm das Wort nicht gehalten haben!

[32.13] Dann aber werde ich mich schon zu richten wissen und werde dich schützen gegen jede Verfolgung dieses Wüterichs.

[32.14] Denn du kannst es mir glauben, dieser Herodes ist der größte Feind meines Herzens, und ich will ihn schlagen, wo ich nur immer mag und kann!

[32.15] Ich bin freilich wohl nur ein Hauptmann und bin noch selbst ein Untergebener dem höheren Feldherrn, der zu Sidon und Smyrna residiert und befiehlt über zwölf Legionen in Asien.

[32.16] Aber ich bin kein gemeiner Zenturio, sondern bin ein Patrizier und gebiete daher nach meinem Titel mit über die zwölf Legionen in Asien! So ich eine oder die andere gebrauchen will, da brauche ich nicht erst nach Smyrna zu senden, sondern als Patrizier nur zu gebieten, und die Legion muss mir gehorchen! Daher kannst du auf mich schon rechnen, wenn sich Herodes erheben sollte!“

Am 22. September 1843

[32.17] Joseph dankte dem Hauptmann für diese allerfreundlichste Sorgfalt, setzte aber dann hinzu und sprach:

[32.18] „Höre mich nun auch an, du achtbarster Freund! Siehe, du hast dich ehedem wohl auch allerwachsamst gesorgt wegen der Perser; aber was hat das alles genützt?!

[32.19] Die Perser kamen ungesehen von all deinen tausend Augen und hatten lange ehe schon ihr Lager geschlagen, als du auch nur einen von ihnen entdecken mochtest!

[32.20] Siehe, hätte mich da der Herr, mein Gott, nicht beschützt, wo wäre ich nun schon mit deiner Hilfe? Ehe du zum Vorschein kamst, hätten die Perser mich samt meiner Familie schon lange erwürgen können!

[32.21] Daher sage ich dir nun als ein wärmsten Dankes vollster Freund: Menschenhilfe ist zu nichts nütze; denn alle Menschen sind nichts vor Gott!

[32.22] So aber Gott der Herr uns helfen will und auch allein nur helfen kann, da sollen wir uns gar nicht viel Mühens machen; denn es wird trotz alles unseres Mühens dennoch alles also geschehen, wie es der Herr will, aber nie, wie wir es wollen.

[32.23] Unterlasse daher das mühsame und gefährliche Auskundschaften in Jerusalem, durch das du fürs Erste wenig Erhebliches erfahren möchtest und fürs Zweite, so es aufkäme, dir noch meinetwegen ein herbes Los bereiten könntest!

[32.24] In dieser Nacht aber wird es mir der Herr ohnehin sicher anzeigen, was da Herodes tun wird, und was ich werde tun müssen; daher magst du nun samt mir ganz ruhig sein und den Herrn allein über mich und dich walten lassen, und es wird schon alles recht sein.“

[32.25] Als der Hauptmann aber solche Rede vom Joseph vernommen hatte, ward er sehr bewegt in seinem Gemüt, und es tat ihm weh, dass der Joseph seine Hilfe abgelehnt hatte.

[32.26] Joseph aber sprach: „Guter, liebster Freund! dich schmerzt es, weil ich dir es abgeraten habe, dich ferner noch um meine Wohlfahrt zu kümmern.

[32.27] Aber so du die Sache beim hellen Licht betrachtest, da musst du ja doch selbst notwendig dasselbe finden!

[32.28] Siehe, wer aus uns hat noch je die Sonne und den Mond und alle die Sterne über das Firmament getragen? Wer aus uns noch je den Winden, Stürmen und Blitzen geboten?

[32.29] Wer hatte dem mächtigen Meer sein Bett gegraben, wer aus uns den großen Strömen ihren Weg vorgezeichnet?

[32.30] Welchen Vogel haben wir den schnellen Flug gelehrt und wann sein Gefieder geordnet? Wann für ihn die klang- und sangreiche Kehle gebildet?

[32.31] Wo wohl steht das Gras, zu dessen Wachstum wir den lebendigen Samen gebildet hätten?

[32.32] Siehe, das alles aber tut der Herr täglich! So dich aber Sein mächtiges wunderbares Walten doch in jedem Augenblick an Seine unendlich liebvollste Fürsorge erinnert, wie sollte es dich da wundern, wenn ich dich freundlichst darauf aufmerksam mache, da vor Gott alle Menschenhilfe in den Staub der Nichtigkeit zurücksinkt?“

[32.33] Diese Worte brachten den Hauptmann wieder in eine günstige Stimmung; aber dessen ungeachtet sandte er dennoch heimlich Kundschafter nach Jerusalem, um zu erfahren, was dort vor sich ginge.

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