Am 30. August 1844
[293.1] Es hatte aber die Maria noch den Krug, mit dem sie ein Wasser holte, als ihr der Engel die heiligste Botschaft überbrachte.
[293.2] Sie hielt große Stücke auf diesen Krug; ja er war ihr ein förmliches Heiligtum.
[293.3] Sie sah es sogar nicht gerne, wenn jemand diesen Krug nahm und trank daraus.
[293.4] Einmal aber, ungefähr acht Tage darauf, als das Wunder bei der Salome verübt ward, war Maria allein mit Jesus im Haus.
[293.5] Sie war mit der Reinigung einiger Wäsche beschäftigt und brauchte dazu frisches Wasser.
[293.6] Sie ging daher zu Jesu und sagte zu Ihm: „Du könntest mir wohl leicht einen Krug voll frischen Wassers hohlen!
[293.7] Da hast Du sogar den durch Dich geheiligten Krug dazu!“
[293.8] Jesus nahm den Krug und lief damit zum Brunnen, wo eben der Joseph mit den anderen Kindern etwas arbeitete.
[293.9] Jesus aber stieß am Brunnen mit dem Krug etwas hart an einen Stein, und der Krug lag in vielen Scherben am Boden.
[293.10] Das ersah ein Mädchen und sprach: „Auweh, ach, ach! Das wird gut aussehen; nun ist der heilige Krug der Hausherrin hin! Aber Du lieber Jesus, warum hast denn Du da nicht besser achtgegeben?
[293.11] Nein, – aber da wird die Mutter greinen; no, no, da kannst Du Dich freuen darauf!“
[293.12] Das verdross aber dem Außen nach Jesus ein wenig, und Er sagte zum Mädchen:
[293.13] „Was geht das dich an, was Ich tue?! Sehe du nur zu, dass du mit deinem Gespinst fertig wirst!
[293.14] Ich werde trotz des zerbrochenen Kruges dennoch der Maria frisches Wasser in rechter Menge bringen!“
[293.15] Und das Mädchen sprach: „Das möchte ich auch sehen, wie man ohne Krug ein frisches Wasser ins Haus schaffen kann!“
[293.16] Hier nahm Jesus sogleich Seinen kleinen roten Mantel, griff ihn an den Enden zusammen und schöpfte Wasser darein und trug es ohne einen Tropfen zu verlieren ins Haus zur Maria.
[293.17] Alle aber gingen Ihm nach ins Haus ob dieses Wunders.
[293.18] Als Maria das ersah, da entsetzte sie sich und sagte: „Aber Kind, was ist denn mit dem Krug geschehen?“
[293.19] Und Jesus sprach: „Siehe, der war Mir schon lange ein Dorn im Auge! Darum versuchte Ich seine Wunderkraft an einem Stein, –
[293.20] und siehe, es war keine an und in ihm; daher zerbrach er auch sogleich in kleine Stücke!
[293.21] Ich aber meine, wo Ich bin, da solle Ich doch mehr gelten als so ein dummer Krug, der um kein Haar besser ist als ein jeder andere!“
[293.22] Auf diese Worte sagte die Maria nichts mehr und schrieb sich dieselben tief in ihr Herz.
[293.23] Das Mädchen aber sagte darauf auch nichts mehr; denn sie hatte Jesus lieb.
[293.24] Und Jesus sprach zu ihr: „Siehe, also gefällst du Mir besser, als wenn du deine Zunge bewegst ohne Not!“ – Und das Mädchen war zufrieden mit diesem kleinen Putzer und spann darauf fleißig ihr Garn.
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