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29. Die Karawane der drei Sternkundigen vor der Höhle. Der führende Stern

Am 14. September 1843

[29.1] Der Mittag war herangekommen, aber der Hauptmann verzog diesmal, und Joseph zählte mit banger Erwartung die Augenblicke; aber der Hauptmann kam nicht zum Vorschein.

[29.2] Darum wandte sich der Joseph zum Herrn und sprach: „Mein Gott und mein Herr, ich bitte Dich, dass Du mich doch nicht so sehr möchtest ängstigen lassen; denn siehe, ich bin alt und schon ziemlich schwach in allen meinen Gelenken!

[29.3] Daher stärke mich durch eine Verkündung, was ich tun soll, um nicht zuschanden zu werden vor allen Söhnen Israels!“

[29.4] Als der Joseph also gebetet hatte, siehe, da kam der Hauptmann fast außer Atem und sprach zu Joseph:

[29.5] „Mann meiner höchsten Achtung! Soeben komme ich von einem Marsch zurück, den ich selbst mit einer ganzen Legion nahe auf den drittel Weg gen Jerusalem gemacht habe, um etwas von den Persern zu erspähen,

[29.6] und habe auch allorts Spione aufgestellt, aber bis jetzt konnte ich nichts entdecken! Sei aber nur ruhig; denn wenn sie kommen, müssen sie auf meine ausgestellten Posten stoßen!

[29.7] Da aber soll es ihnen eben nicht zu leicht werden, irgendwo durchzubrechen und hierher zu gelangen, bevor sie nicht von mir sind verhört und beurteilt worden! Ich gehe nun darum sogleich wieder und werde die Wachen verstärken; am Abend bin ich bei dir!“

[29.8] Hier eilte der Hauptmann wieder fort, und der Joseph lobte Gott und sprach zu seinen Söhnen: „Nun setzt die Speisen auf den Tisch, und du, Salome, frage die Maria, ob sie mit uns am Tisch essen will, oder sollen wir ihr die Speisen aufs Lager bringen?“

[29.9] Maria aber kam selbst mit dem Kindlein ganz heiteren Mutes heraus aus ihrem Zelt und sprach: „Weil ich stark genug bin, will ich bei euch am Tisch essen; nur das Krippel [Kripplein] schafft her fürs Kindlein!“

[29.10] Joseph aber war darüber voll Freuden und setzte vor Maria die besten Stücke hin; und sie lobten Gott den Herrn und aßen und tranken.

[29.11] Als sie aber noch kaum abgespeist hatten, siehe, da entstand auf einmal vor der Höhle ein starkes Lärmen. Der Joseph sandte den Joel, nachzusehen, was es gäbe.

[29.12] Als der Joel aber hinausblickte zur Tür (denn die Höhle war am Ausgang gezimmert), da sah er eine ganze Karawane von Persern mit belasteten Kamelen und sprach mit ängstlicher Stimme:

[29.13] „Vater Joseph! Um des Herrn willen, wir sind verloren! Denn siehe, die berüchtigten Perser sind hier mit vielen Kamelen und großer Dienerschaft!

[29.14] Sie schlagen ihre Zelte auf und lagern sich in einem weiten Kreis, unsere Höhle ganz umringend, und drei mit Gold, Silber und Edelsteinen gezierte Anführer packen goldene Säcke aus und machen Miene, sich herein in die Höhle zu begeben!“

[29.15] Diese Nachricht machte unseren guten Joseph beinahe sprachunfähig; mit großer Mühe brachte er die Worte heraus: „Herr, sei mir armem Sünder barmherzig! Ja, jetzt sind wir verloren!“ – Maria aber nahm das Kindlein und eilte damit in ihr Zelt und sprach: „Nur wenn ich tot bin, werdet ihr Es mir entreißen!“

[29.16] Joseph aber ging nun hin zur Tür, geleitet von seinen Söhnen, und sah verstohlen hinaus, was da machten die Perser.

[29.17] Als er aber die große Karawane und die aufgerichteten Zelte erschaute, da ward es ihm doppelt bange ums Herz, dass er darob inbrünstigst zu flehen anfing, der Herr möchte ihm nur diesmal aus solcher großen Not helfen.

[29.18] Als er aber also flehte, siehe, da kam der Hauptmann in ganz kriegerischer Rüstung, geleitet von tausend Kriegern, und stellte die Krieger zu beiden Seiten der Höhle auf.

[29.19] Er selbst aber ging hin und befragte die drei Magier, aus welcher Veranlassung und wie – von ihm also ganz unbemerkt – sie hierher gelanget seien.

[29.20] Und die drei sprachen einstimmig zum Hauptmann: „Halte uns ja nicht für Feinde; denn du siehst ja, dass wir keine Waffen mit uns führen, weder offene noch verborgene!

[29.21] Wir sind aber Sternkundige aus Persien, und wir haben eine alte Prophezeiung, in dieser steht es geschrieben, dass in dieser Zeit den Juden wird ein König der Könige geboren werden, und seine Geburt wird durch einen Stern angezeigt werden.

[29.22] Und die da den Stern sehen werden, die sollen sich auf die Reise machen und ziehen, dahin sie der mächtige Stern führen wird; denn sie werden dort den Heiland der Welt finden, wo der Stern wird seinen Stand nehmen!

[29.23] Siehe aber, ob diesem Stall steht der Stern, sicher jedermann sichtbar am hellen Tag sogar! Dieser war unser Führer hierher; hier aber blieb er stehen ob diesem Stall, und wir haben sicher ohne allen Anstand die Stelle erreicht, allwo das Wunder aller Wunder sich lebendig vorfindet, ein neugeborenes Kind, ein König der Könige, ein Herr der Herren von Ewigkeit!

[29.24] Diesen müssen wir sehen, anbeten und Ihm die allerhöchste Huldigung darbringen! Daher wolle uns ja nicht den Weg verrammen; denn sicher hat uns kein böser Stern hierher geführt!“

[29.25] Hier sah der Hauptmann nach dem Stern und verwunderte sich hoch über ihn; denn fürs Erste stand er ganz nieder, und fürs Zweite war sein Licht nahe so stark wie das Naturlicht der Sonne.

[29.26] Als der Hauptmann aber sich von alledem überzeugt hatte, da sprach er zu den dreien: „Gut, ich habe nun aus euren Worten und aus dem Stern die Überzeugung erlangt, dass ihr redlichen Sinnes hierher gekommen seid. Aber nur sehe ich nicht ein, was ihr zuvor in Jerusalem beim Herodes zu tun hattet?! Hat euch der Stern auch jenen Weg gezeigt?

[29.27] Warum hat euch denn euer Wunderführer nicht sogleich hierher geführt, indem doch alsonach sicher hier der Ort eurer Bestimmung ist? Darüber verlange ich noch eine Antwort von euch, sonst kommt ihr nicht in die Höhle!“

[29.28] Die drei aber sagten: „Der große Gott wird das wissen! Sicher muss es in Seinem Plan liegen; denn keiner aus uns hatte je den Sinn gefasst, sich Jerusalem auch nur von ferne zu nahen!

[29.29] Und du kannst uns völlig glauben, uns gefielen die Menschen in Jerusalem gar nicht, am wenigsten aber der Fürst Herodes! Da wir aber schon dort waren und aller Stadt Aufmerksamkeit auf uns gerichtet war, so mussten wir doch zeigen, was da ist unsere Absicht!

[29.30] Die Priester gaben uns Kunde durch den Fürsten, der uns bat, dass wir ihm wieder die Kunde überbringen sollen von dem gefundenen König, auf dass auch er käme und brächte dem neuen König seine Huldigung dar.“

[29.31] Der Hauptmann aber sprach: „Das werdet ihr nimmer tun; denn ich kenne die Absicht dieses Fürsten! Eher bleibt ihr hier als Geiseln! Ich aber gehe nun hinein und will mich mit dem Vater des Kindes über euch besprechen.“

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