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180. Jonatha und Cyrenius. Die Bergung des römischen Schiffes. Das gemeinsame Frühstück

Am 2. April 1844

[180.1] Der Cyrenius aber fragte den riesenhaften Retter, wie wohl die Gegend hieße, in der er sich jetzt befände, und wie er – als der Retter.

[180.2] Und Jonatha erwiderte: „Herr! Du musst ein Fremder sein, da dir die Gegend unbekannt ist, die doch so viel Charakteristisches in sich hat?“

[180.3] Und der Cyrenius sprach: „Freund! Eine Gegend hat nicht selten eine Ähnlichkeit mit der anderen, und im Zwielicht des Mondes erkennt man nicht selten die eigene Heimat nicht!

[180.4] Ganz besonders aber geht es mit dem Erkennen der Gegenden dann schlecht, wenn zuvor das Gemüt mit der Todesangst zu tun hatte!

[180.5] Daher magst du mir wohl kundgeben, wie diese Gegend heißt, in die mich der entsetzliche Sturm verschlagen hat!

[180.6] Und der Jonatha sprach: „Lieber Herr! Du weißt ja, dass da eine Regel ist, nach der man einem Geretteten nicht sogleich sagen darf, wo er ist.

[180.7] Denn ist er vom Ort seiner Bestimmung weit weg, da wird er zu traurig, so er solches gleich nach überstandener Gefahr erfährt;

[180.8] ist er aber durch eine zufällige Wendung des Sturmes dennoch nahe an den Ort seiner Bestimmung verschlagen worden, da könnte auf eine frühere Todesangst solch eine Freude das Leben kosten!

[180.9] Darum solle der Retter im Anfang verschwiegen sein und erst nach einer Zeit den Geretteten kundtun, was sie zu wissen verlangen!“

[180.10] Da der Cyrenius aber solche Antwort von dem ihm noch unbekannten Retter erhalten hatte, da sprach er:

[180.11] „Wahrhaftig, du bist ein edler Retter und hast die rechte Weisheit dazu; darum steure nur hurtig zu, auf dass wir bald Land bekommen!“

[180.12] Und der Jonatha sprach: „Siehe, die Bucht ist schon da, sie läuft am Ende in einen schmalen Arm aus.

[180.13] Wären wir auf einem festen ruhigen Punkt, da sähen wir lange schon meine Fischerhütte!

[180.14] In einer kleinen Viertelstunde sind wir lange schon auf trockenem Land; denn der Wind ist uns nun sehr günstig.“

[180.15] Der Cyrenius war mit dieser Antwort zufrieden, und der Jonatha fuhr pfeilschnell die Bucht hindurch und erreichte in wenigen Minuten das erwünschte Ufer.

[180.16] Als das Boot am Ufer befestigt ward, da stiegen sogleich alle ans Land, und der Cyrenius dankte laut dem Gott Israels, dass Er ihn gerettet hatte mit allen seinen Teuren.

[180.17] Als der Jonatha aber solches vernommen hatte, dass Cyrenius, den er nicht kannte in dieser Zeit, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs preise, da sprach er:

[180.18] „Mein Freund! Nun bin ich doppelt froh, darum ich in dir einen Israeliten gerettet habe; denn auch ich bin ein Sohn Abrahams!“

[180.19] Und der Cyrenius sprach: „Das gerade bin ich nicht, sondern ich bin wohl ein Römer; aber dennoch kenne ich die Heiligkeit deines Gottes und bekenne Ihn darum ganz allein!“

[180.20] Und der Jonatha sprach: „Das ist noch besser! Morgen wollen wir mehr davon reden; für heute aber begebt euch zur Ruhe!

[180.21] Siehe, meine Hütten sind geräumig und reinlich! Stroh habe ich auch in großer Menge, daher macht euch ein Lager; ich aber werde sogleich wieder umkehren und sehen, ob euer Schiff nimmer flott zu machen ist!“

[180.22] Der Cyrenius sprach zwar: „Freund, da ist ja morgen auch noch Zeit!“

[180.23] Jonatha aber sagte: „Morgen ist Sabbat; da heißt es von aller knechtlichen Arbeit ruhen! Darum muss vor dem Aufgang noch alles in Ordnung gebracht werden!“

[180.24] Darauf bestieg Jonatha mit seinen Gehilfen wieder das Boot und fuhr, da sich der Wind etwas gelegt hatte, um so beschleunigter hinaus zum Schiff des Cyrenius und hatte mit der Flottmachung desselben umso weniger zu tun, da ihm die Flut des Meeres bei Gelegenheit des Vollmondes gut zustattenkam.

[180.25] Er ergriff sogleich das Schlepptau, befestigte es ans Boot und ruderte voll Freude in die ziemlich tiefe Bucht und brachte so das ganze große Schiff in seinen sicheren Hafen und ließ es befestigen am Ufer mittels eines sehr langen Taues, da er nicht zum Anker kommen konnte.

[180.26] Nach dieser gut zweistündigen Arbeit begab sich Jonatha schon ziemlich am hellen Morgen nach Hause, legte sich auf sein Lager und ruhte drei Stunden lang mit seinen Gehilfen.

[180.27] Auch der Cyrenius und sein Gefolge ruhten und schliefen ziemlich lang in den Morgen hinein.

[180.28] Als der Jonatha wohlgestärkt erwachte, da lobte und pries er Gott in dem Kind Josephs und gedachte, was Dasselbe zu ihm geredet hatte.

[180.29] Darauf befahl er den Weibern, sogleich die besten Thunfische – bei dreißig an der Zahl – zu schlachten und zu rösten für die vielen Gäste, zu welcher Arbeit den Weibern er selbst mit allen seinen Gehilfen behilflich war.

[180.30] Als nach einer Stunde das Frühstück bereitet ward, ging Jonatha selbst in die Hütten und weckte seine geretteten Gäste.

[180.31] Cyrenius war wohl als Erster wach und fand sich ganz gestärkt und heiter und fragte den Jonatha auch sogleich, ob er das Schiff wohl noch getroffen habe.

[180.32] Und Jonatha sprach: „Erhebe dich und sehe zu diesem Fenster hinaus!“

[180.33] Und der Cyrenius erhob sich sogleich, sah hinaus und sah sein großes Schiff ganz wohl erhalten im Hafen.

[180.34] Da ward er überfroh, ja dankbarst gegen den riesigen Retter Jonatha gerührt, und sprach:

[180.35] „O Freund! Solche Tat kann nicht gemein belohnt werden; wahrlich diese Tat will ich auf eine Art belohnen, wie sie nur ein Kaiser zu lohnen vermag!“

[180.36] Jonatha aber sprach: „Freund, lasse das jetzt gut sein; komme aber mit deinem Gefolge zum Frühstück!“

[180.37] Und der Cyrenius sprach, sich hoch verwundernd: „Was, du willst uns auch noch bewirten? O du edler Mann! Werde ich erst erfahren von dir, wo ich bin, und wer du bist, dann sollst du auch erfahren, wer ich bin, und ein großer Lohn soll dir dann werden!“

[180.38] Darauf erhob sich alles vom Lager und folgte dem Jonatha in die große Hütte, allwo schon das Frühstück der Gesellschaft harrte; und alle aßen die wohlbereiteten Fische mit großer Lust und rühmten den Jonatha über die Maßen.

[180.39] Jonatha aber sagte: „O rühmt nicht mich; denn an allem dem hat jemand anderer – und nicht ich – das große Verdienst!

[180.40] Ich war nur ein plumpes Werkzeug Dessen, der mich also beschickt hatte und hat mir vorangezeigt, dass ich in dieser Nacht einen wichtigen Dienst werde zu versehen bekommen.

[180.41] Und also war es denn auch; ich fand dich in großer Not und ward dir zum Retter, und das war der Wille des Allerhöchsten!

[180.42] Diesen heiligen Willen habe ich erfüllt, und das Bewusstsein, den Willen Gottes aus Liebe zu Ihm Selbst erfüllt zu haben, ist mein hoher Lohn, – und wärst du ein Kaiser selbst, so könntest du mir keinen höheren geben!

[180.43] Daher bitte ich dich auch, an keine andere Belohnung bei dir selbst zu denken.

[180.44] Bringe nur dein schönes und großes Schiff wieder in Ordnung; und so ich erfahren werde von dir den Ort deiner Bestimmung, da werde ich dir noch obendrauf mit Rat und Tat an die Hand gehen!“

[180.45] Hier sprach der Cyrenius: „Freund! – das sollst du gleich erfahren!

[180.46] Siehe, der Ort meiner Bestimmung für diesmal ist Ostracine in Ägypten; denn ich bin der Statthalter und ein Bruder des Kaisers – mein Name ist Cyrenius Quirinus!“

[180.47] Bei diesen Worten fiel Jonatha auf die Knie nieder und bat um Gnade, wenn er sich etwa in etwas vermessen hätte.

[180.48] Als aber der Cyrenius den Jonatha aufrichten wollte, da kam Joseph mit seiner ganzen Genossenschaft, den Jonatha zu besuchen, weil dieser sich versprochenermaßen so lange nicht einfinden wollte beim Joseph.

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