Am 20. März 1844
[170.1] Nach dieser Tischszene, die dem Jonatha viele Freuden- und auch Reuetränen gekostet hatte, sagte eben der Jonatha zum Joseph:
[170.2] „Joseph, du mein alter Jugendfreund, sage mir doch so ganz aufrichtig – wie unendlich glücklich fühlst du dich denn, wenn du die Größe deiner Berufung überdenkst?!
[170.3] Was empfindest du, wenn du das Kindlein ansiehst und dein lebendig glaubend Herz sagt es dir: ‚Siehe, das Kindlein ist Gott Jehova Zebaoth,
[170.4] der mit Adam redete, mit Henoch, mit Noah, mit Abraham, Isaak und Jakob;
[170.5] der unsere Väter aus dieses Landes harter Not erlöste durch Moses und gab Selbst das Gesetz in der Wüste;
[170.6] und ernährte durch vierzig Jahre das große Volk in der Wüste, in der nichts als nur hie und da ein Dornstrauch und eine Distel erwächst;
[170.7] der durch den Mund der Heiligen und Propheten geredet hatte!‘?
[170.8] O Joseph, sage, sage es mir! – was empfindest du da, was in solcher Gegenwart Dessen, der Himmel und Erde gegründet hatte?!
[170.9] Ja, der die Engel erschuf und machte das erste Menschenpaar und belebte es mit Seinem ewig lebendigen Odem!
[170.10] Oder – sage! – ist es dir, wenn du das überdenkst, wohl möglich zu reden?!
[170.11] Bindet die Anschauung des Kindes dir nicht schon also deine Zunge, dass du aus zu großer Ehrfurcht vor Dem, der ewig war, schweigen musst?!“
[170.12] Und der Joseph erwiderte dem Jonatha: „Du hast recht, dass du mich also fragst;
[170.13] aber denke selbst nach, – was solle ich machen?! Es ist nun einmal also, und ich muss das Allerhöchste also ertragen, als wäre es etwas Niederes; sonst könnte ich ja unmöglich bestehen!
[170.14] Siehe, Gott ist einmal Gott, und wir sind Seine Geschöpfe! Er ist Alles, und wir alle sind nichts!
[170.15] Dieses Verhältnis ist gerechnet richtig. Kannst du aber selbst durch deinen allerhöchsten Gedankenflug an diesem Verhältnis etwas ändern?
[170.16] Siehe, daher ist dein Gefrage eitel! Möchte ich auch ein Herz haben, so groß die Erde ist, und einen Kopf so groß wie der Himmel, und möchte da Gefühle und Gedanken ziehen, vor denen alle Engel erbeben möchten, –
[170.17] sage, welchen Dienst würde ich dadurch Dem erweisen, der die ganze Unendlichkeit, wie ich ein Sandkörnchen, in Seiner Rechten trägt?!
[170.18] Werde ich dadurch mehr Mensch und Gott weniger Gott sein?!
[170.19] Siehe, darum ist deine Frage eitel! Alles, was ich tun kann, ist, dass ich das Kindlein liebe aus allen meinen Kräften und erweise Ihm den nötigen Dienst, den Es von mir verlangt!
[170.20] Alles andere Großgedankenwerk aber lasse ich aus dem Grunde beiseite, weil ich wohl weiß, dass mein erhabenster und größter Gedanke gegen die Größe Gottes ein barstes prahlerisches Nichts ist!“
[170.21] Diese Antwort brachte den Jonatha auf ganz andere Gedanken, und er setzte hernach dem Joseph keine solchen Fragen mehr.
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