Am 11. Mai 1843
[3.36.1] Als der Lamech solches vom Henoch vernommen hatte, da war es aber auch völlig aus bei ihm; er schrie vor Freude und lief mit offenen Armen den Seinen entgegen.
[3.36.2] Und der nicht mehr junge Henoch aber musste selbst einen Schnellfüßler machen, um den Lamech die freilich zum Glück nur kurze Strecke Weges geleiten zu können.
[3.36.3] Es klingt wohl etwas sonderbar, dass hier der Henoch auch mit Lamech gelaufen ist, aber diese Erscheinung war so leer nicht, als sich dieselbe jemand vorstellen möchte, denn sie hatte einen dreifachen prophetischen Sinn.
[3.36.4] Der erste ist: Um den Führern dadurch anzuzeigen, dass sie die Fortschritte ihrer Jünger durch eine aufhaltende, zaudernde und den besten Geist tötende, schulfuchserische Pedanterie nicht hemmen sollen, sondern der Kraft des Geistes der Jünger nur allzeit folgen, und das zwar also, dass sie gingen mit dem Schnellen schnell, mit dem Freien frei, mit dem Starken stark, mit dem Schwachen geduldig, mit dem Saumseligen, ihn nachziehend, und mit dem Furchtsamen Mut einflößend!
[3.36.5] Der zweite Sinn ist: Tiefe zieht oder Welt zieht durch ihre schnellen, industriösen [betriebsamen] Fortschritte das Geistige mit zum desto schnelleren Verfall; denn das Geistige wird in der Welt von der Materie getragen und ist da, um die gefangene Materie zu erlösen, also wie die des geistigen Henoch nun in der Tiefe war, um den materiellen Lamech zu erlösen völlig, und ihn neu zu verbinden mit den Seinen, tiefer gesagt: mit seinen erhöhten und gereinigten Begierden.
[3.36.6] Der dritte Sinn ist (und zwar der prophetische): Dass nämlich die Kinder der Höhe bald sich mit schnellen Füßen nach der Tiefe gezogen haben und haben dort auch ihren Begierden den freien Spielraum gegeben; denn als Weise und Philosophen zogen sie hinab und gaben sich dann als Philosophen allen Ausschweifungen preis.
[3.36.7] Das wären sonach die drei prophetischen Bedeutungen des Henochischen Mitlaufes.
[3.36.8] „Aber“, wird jemand sagen, „wenn es also ist, dass die Propheten schon allezeit für die Zukunft durch all ihr Tun, Handeln und Reden bestimmen, was da geschehen soll und allzeit zumeist geschieht, so sind die Menschen auf dem Erdkörper in geistiger Hinsicht ja durchaus nicht frei und müssen somit eben so handeln, wie da die Propheten von ihnen ausgesagt haben! Und so mussten die Kinder der Höhe in der Tiefe fallen, weil solches nun schon der Henoch durch seinen Mitlauf vorgedeutet hatte!
[3.36.9] Wenn sich aber die Sache also verhält, wie können dann die Menschen denn gestraft und gezüchtigt werden, da sie doch tun mussten, was die Prophetie von ihnen angedeutet hatte?“
[3.36.10] Ich aber sage, wenn sich die Sachen also verhielten, da wäre es freilich wohl traurig, ein lebendes Geschöpf zu sein; da sich aber die Sachen ganz anders verhalten und die Propheten nur die notwendigen Folgen anzeigen, welche aus einer oder der anderen Handlung des Menschen so bestimmt hervorgehen zur bestimmten Zeit, als wie da hervorgeht aus einem und dem anderen Samenkorn, das jemand in die Erde legt, ganz bestimmt eine dem Samenkorn bestimmt entsprechende Frucht zur bestimmten Zeit, so meine Ich, sollte das doch nicht gar so bitter sein, so Ich eben durch die Propheten dem Menschen anzeige, was für Früchte oder notwendige Folgen in ihren Handlungen stecken?
[3.36.11] Ist denn die Sache gar so bitter, wenn der Landmann im Voraus weiß, dass er aus dem Weizenkorn nur wieder das Weizenkorn ernten kann, aus dem Samen des Unkrautes aber nur wieder das Unkraut?
[3.36.12] Wenn aber solches dem Menschen gut ist, wie sollte es ihm denn nicht gut sein, durch den Mund der Propheten zu erfahren, welche Früchte aus seinen Handlungen zufolge Meiner ewigen, unwandelbaren Ordnung hervorgehen werden und allzeit hervorgehen müssen, wenn der Mensch dieselben Handlungen fortwährend begeht und sie nicht ändert?!
[3.36.13] Ändert aber der Mensch seine Handlungen, so werden auch andere Früchte zum Vorschein kommen, was ohnehin von jedem Propheten allzeit beigesetzt wird. Denn ein rechter Prophet spricht und handelt ja so stets nur bedingungsweise.
[3.36.14] Sonach ist ja durch den Propheten die Freiheit der Menschen keineswegs beeinträchtigt, sondern nur außerordentlich begünstigt, indem der Mensch dadurch seine Handlungen kennenlernt und kann sie dann erst ganz frei ausüben, da er weiß, welche Früchte sie ihm bestimmt tragen werden, entweder gute oder böse.
[3.36.15] Also liegt in dem Lauf des Henoch ja auch nur eine Bedingung, über welche wir ihn bei der nächsten Gelegenheit sich selbst aussprechen hören werden.
[3.36.16] Doch da die beiden schon bei der Familie sind, so habt nun Acht auf das Benehmen derselben!
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