Am 18. April 1844
[3.259.1] Die Häscher aber, um sich ihres Lohnes bei der Königin zu versichern, schnitten dem erschlagenen Waltar den Kopf vom Rumpf, wickelten ihn in ein Tuch und überbrachten ihn der Königin.
[3.259.2] Diese erschrak wohl anfangs über den Anblick dieses Kopfes; aber sie fasste sich bald und sprach zu den Häschern:
[3.259.3] „Eure Treue hat sich bewährt! Ihr habt meinen größten Feind vernichtet; den Feind meiner Liebe habt ihr getötet und habt euren Lohn wohl verdient! Hier sind hundert Pfunde Goldes, nehmt es darum als euren wohlverdienten Lohn dahin!
[3.259.4] Den Kopf aber nehmt wieder mit euch, und verscharrt ihn irgendwo im Garten der Schönheitsgöttinnen; da mag er sich ewig weiden am Anblick derer, die ihm mehr waren denn ich!
[3.259.5] Wenn ihr aber den Kopf werdet eingegraben haben, dann geht hin zu den sieben Weibern, die nun noch hier in einem unteren Teil dieses Palastes wohnen und bringt sie her samt den vierzehn Unterweibern!
[3.259.6] Was dann zu geschehen hat, das wird euch zur Stunde bedeutet werden! Tut eure Sache gut, und der Lohn wird nicht ausbleiben!“
[3.259.7] Hier nahmen die Häscher den Kopf und taten mit ihm nach dem Gebot der Königin.
[3.259.8] Die Schönheitsgöttinnen, die die Eingrabung des Kopfes sahen, aber erschraken gewaltigst und sagten untereinander: „Das ist eine schlimme Vorbedeutung für uns alle! Es wird besser sein, ehestens zu fliehen von diesem Ort, als sich in jüngster Zeit, diesem Kopf folgend, unter die Erde begraben zu lassen!“
[3.259.9] Einige aber wünschten den Generaloberpriester zu sprechen. Doch dieser war nun zu beschäftigt mit Plänen, wie er dem König die Agla verdächtig zu machen vermöchte, und war daher nicht zugänglich; denn sein Grimm auf die Königin war zu groß. Darum mussten die Göttinnen bleiben und also dem ängstlich entgegensehen, was da kommen werde.
[3.259.10] Die Häscher aber gingen darauf, und zwar schon am nächsten Tag, zu den sieben Weibern Waltars und brachten sie samt den vierzehn Unterweibern zu der Königin.
[3.259.11] Als sie vor die Königin kamen, da fragte diese sie: „Wollt ihr nicht trauern um den Waltar, der getötet worden ist durch meine Macht?“
[3.259.12] Hier fingen die Weiber an zu heulen und zu wehklagen.
[3.259.13] Und die Königin sprach: „Also war eure Liebe groß zum Waltar, da ihr seinen sicheren Tod also betrauert? Seht, auch meine Liebe war groß zu ihm, denn aus Liebe ließ ich ihn töten, damit er nicht der eurige sein solle!
[3.259.14] Ich aber sehe nun, dass ihr leidet ob seinem Verlust; darum auch will ich eurem Leiden ein Ende machen! – Häscher, entkleidet alle die Weiber, und bindet sie nackt an die Säulen dieses meines Königssaales!“
[3.259.15] Und die Häscher taten das sogleich.
[3.259.16] Als die Weiber samt den Unterweibern nackt gar fest an die Säulen angeknebelt dastanden, da nahm die Agla selbst einen gar spitzigen Dolch und ging zu den angebundenen Weibern und sprach zur einen wie zur anderen, sie auf der Herzseite betastend: „Da also pocht das Herz, das meinen Bruder liebte?“
[3.259.17] Darauf stieß sie den Dolch ins Herz des angebundenen Weibes und sprach darauf: „Das sei dein Lohn, du Elende!“
[3.259.18] Also tötete die Agla selbst mit ihrer Hand aus Rache auch die Weiber ihres Bruders.
[3.259.19] Und der König, obschon er am nächsten Tag davon Kunde erhielt, wagte nicht, ihr zu sagen: „Weib, was hast du getan?“; denn er liebte und fürchtete die Agla.
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