Am 11. Oktober 1843
[3.137.1] Die Aristokratie bildete sich immer mehr und mehr aus. Die Herren von Hanoch wurden stets mächtiger. Stets weiter dehnte sich ihr Reich aus. Sie errichteten neue Kolonien, erbauten allorts neue Städte und mit Ausnahme des Reiches der Kinder Sihins ward bald ganz Asien bevölkert.
[3.137.2] Nur die hohen Gebirgsgegenden blieben von den Hanochiten verschont; sie wurden aber von Horadaliten, einem uns bekannten Lamechschen Kriegsvolk, in Beschlag genommen, welches hordenweise die besseren Triften der Gebirge in Besitz nahm.
[3.137.3] Die Herren von Hanoch stifteten dadurch Lehensreiche und Fürstentümer zu hundert an der Zahl.
[3.137.4] Wo sie eine neue Stadt mitten in einer neuen Kolonie erbauen ließen, da belehnten sie auch alsbald damit einen von ihnen gemachten Fürsten. Dieser hatte jährlich einen mäßigen Tribut nach Hanoch zu entrichten; im Übrigen aber war er ein unumschränkter Herr seines Landes und seines Volkes.
[3.137.5] So ein Fürst war dem Volk zumeist alles in allem. Er war Regent und willkürlicher Gesetzgeber in seinem Land; er war der alleinige Großhändler in seiner Stadt, der alleinige Fabrikant in omnibus [in allen Angelegenheiten] seines Volkes, auf dass dieses ja notgedrungen alles bei ihm kaufen musste.
[3.137.6] Dann war er auch zugleich – ohne Meinen Willen – Priester des Volkes, das ihm untertan ward; seine Lehre aber berührte selten Mich, sondern meistens nur seine Würde, und dass wenn man ihm opfert, so opfert man auch Gott, dessen Stellvertreter er auf Erden ist, und dass es allein von ihm abhänge, ob da jemand nach dem Tode des Leibes von Gott das ewige Leben der Seele erhalten wird oder nicht.
[3.137.7] Es wurden mit der Zeit, wenn sich irgend das Volk mehr ausdehnte, wohl auch Unterpriester angeordnet, – aber diese durften nur des Fürsten Wort predigen und nie ein eigenes; denn dergleichen war vom Fürsten aus auch schon bei der geringsten Willkür verdammlich, und der Übertreter musste nicht selten lächerlich grausame Bußwerke verrichten, um sich vor dem Fürsten von einer solchen Todsünde zu befreien.
[3.137.8] Dergleichen Bußwerke bestanden im Schlangenfangen, im Töten einer bestimmten Anzahl von Tigern, Löwen, Bären, Hyänen und in dergleichen mehr; es war dem Büßer aber gestattet, freiwillige Mitbüßer zu werben.
[3.137.9] Kleinere Bußwerke bestanden in Opferungen, aber bei Unvermöglichkeit an Opfern wurde geprügelt.
[3.137.10] Das Weibervolk hatte zumeist viel freiere Gesetze und wurde bei Übertretungen zur Buße bloß mit Ruten aufs nackte Gesäß gestäupt.
[3.137.11] Die Todesstrafe hatte jedoch nur Hanoch allein das Recht auszuüben sich vorbehalten, welche darin bestand, dass der Verurteilte zwischen zwei zehn Klafter hohen Pfeilern mit einer Kette an den Füßen aufgehängt wurde und wurde dann einen ganzen Tag hin- und hergeschaukelt, natürlich mit abwärts hängendem Leib und Kopf.
[3.137.12] Hatte jemand am Ende des Tages noch Spuren des Lebens gezeigt, so wurde er nicht weiter geschaukelt, sondern wieder frei gemacht. Kam er zu sich, so konnte er weiterziehen; starb er aber durch die Nacht, so wurde er am Morgen begraben. Starb er aber an der mächtigen Schaukel, so wurde sein Leichnam den wilden Tieren, die man damals schon in eigenen Zwingern hielt, vorgeworfen. Der Tod auf der Schaukel war ein Beweis, dass der Verurteilte den Tod wohl verdient hatte.
[3.137.13] Des Todes als würdig Befundene mussten daher auch allzeit von den Lehensfürsten nach Hanoch geführt werden.
[3.137.14] Es währte aber nicht viele Jahre, so mussten in Hanoch schon bei hundert solche Schaukeln errichtet werden, und man sah sie an keinem Tag ruhen.
[3.137.15] Also bestand diese aristokratische Regierung bei hundert Jahre lang und endigte mit dem Tode Uraniels, der da in allem ein Alter von nahe dreihundert Jahren erreicht hatte und am Ende in der größten Not sterben musste, aber dennoch im Zustand der wieder erreichten Gnade Gottes, die er so ganz und gar verwirkt hatte.
[3.137.16] Wie es aber von nun an zuzugehen anfing, das wird alles die Folge zeigen.
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