Am 7. Mai 1842
[2.81.1] Als der Rudomin nun alles dieses vernommen hatte und jedes Wort seinem Herzen tief eingeprägt, da dankte er in vollster Inbrunst seines Herzens dem hohen Abedam, beugte dann seinen großen Leib bis zur Erde und ging darauf nach dem Liebewink Abedams sogleich an seine vorige Stelle zurück, aber auch nur rücklings, um den heiligen Vater ja nicht aus den Augen zu verlieren; denn es war während seiner Gesichtsdarstellung schon überaus finster geworden fürs Erste durch die Späte des Abends und fürs Zweite aber noch mehr durch eine plötzliche Umwölkung des Himmels, was auf solchen Bergen etwas sehr Gewöhnliches war, daher es auch niemand also sehr beachtet hatte.
[2.81.2] Denn wenn da ringsum die Berge fleißig Feuer auswarfen, da war schon gar äußerst selten von einer heiteren Nacht die Rede.
[2.81.3] Und so war nun kein anderes natürliches Licht mehr vorhanden denn allein der matte Widerschein einiger in starker Ferne brennenden Berge.
[2.81.4] Als aber da dessen ungeachtet der Abedam den Horedon zu Sich berief, und zwar mit diesen Worten: „Horedon, so deine Augen dir nun nicht viel mehr dienen mögen, so folge allein Meiner Stimme, und enthülle dich uns; denn in der Zukunft wirst du müssen der Stimme allzeit allein folgen, da du Mich noch gar oft in dir hören, aber auf der Erde nimmerdar sehen wirst fürder nach abgelaufener Zeit dieser Meiner jetzigen Gegenwart!“, so verließ zwar der Horedon sogleich seinen Platz und begab sich hin zum Abedam, allein da dessen Stimme sich nicht fortwährend hören ließ, so irrte er eine Zeit lang unter den Vätern herum und konnte nicht an die Stelle gelangen, allwo sich der Abedam befand.
[2.81.5] Doch gar bald wieder ließ der Abedam, den Horedon rufend, Sich hören, und der eine ganz andere Richtung verfolgende Horedon wandte sich sogleich wieder um und erschrak nicht wenig darüber, dass er den Weg verfehlt hatte.
[2.81.6] Er ging nun hurtig darauf los, von wannen her er die Stimme vernommen hatte; allein da er bald hier, bald dort auf jemanden stieß und ihm offenbar ausweichen musste, um vorwärts zu gelangen, so geschah es denn in solcher stockfinsteren Nacht ja wieder gar leicht, dass er da wieder die gerade Richtung verlor und gelangte somit wieder auf einen ganz anderen Ort, als wo der hohe Abedam Sich befand. Und sonach rief ihn bald wieder der Abedam.
[2.81.7] Der Horedon aber meldete sich sogleich aus einem ganz entgegengesetzten Punkt und sagte nahe weinend:
[2.81.8] „O Du heiliger, lieber Vater! Wenn Du nicht zu mir kommst in solch grober Nacht, da bin ich so gut als ganz rein verloren; denn ich verliere ja stets die Richtung durch das Ausweichen und kann darum nicht zu Dir gelangen!“
[2.81.9] Und wieder rief der Abedam: „Horedon, hierher, hierher, da du doch hinter Mir siehst in jener Ferne dort einen feurigen Berg!“
[2.81.10] Und der Horedon ging sogleich wieder der Stimme nach; da er aber wieder nicht geradeaus gehen konnte, sondern wieder auswich bald dieser, bald einer anderen Gruppe, so nützte ihm das Hinschauen nach dem brennenden Berg auch nichts, und er kam somit wieder nicht zum Ziel.
[2.81.11] Als Sich aber der Abedam nun wieder meldete, sagend: „Horedon! Wie lange werde Ich noch deiner harren müssen?“, hier ward der Horedon traurig und verwünschte die Nacht, sagend:
[2.81.12] „Verflucht sei diese Finsternis, darum sie mir hinderlich ist auf dem Weg zum heiligen Ziel und mir verhüllt Den, den mein Herz über alles liebend sucht, auf dass ich nur nicht zu Ihm gelangen kann!
[2.81.13] O Vater, lasse Licht werden, und lasse gnädigst entweichen diese Nacht, auf dass ich Dich erschaue und dann zu Dir eile, o Du heiliger, lieber Vater!
[2.81.14] Oder komme zu mir hierher, da ich Deiner sehnsuchtsvollst und trauernd ob solcher bösen Nacht nun ruhig harre; wie Dein heiliger Wille, also geschehe es auch!“
[2.81.15] Der Abedam aber sprach darauf zum Horedon: „Da du Mich schon durchaus nicht finden kannst, so spreche im Herzen in Meinem Namen: ‚Du Berg dort an der Grenze, da des Morgens Kinder wohnen, erbrenne und erleuchte diesen Platz!‘
[2.81.16] Und so du vertraust und glaubst deinem Wort aus Mir, so wird da auch alsbald geschehen, wie du es wirst laut ausgesprochen haben in Meinem Namen! Amen.“
[2.81.17] Hier dankte der Horedon voll Liebefeuer in seinem Herzen dem Abedam und sprach dann alsbald mit großer Glaubensfestigkeit die vorgesagten Worte aus.
[2.81.18] Da erbebte alsbald gewaltigst der Erdboden, und unter einem unerhört allerheftigsten Knall brachen sogleich die hellsten Flammen aus des Berges hohem Scheitel, und die Gegend weit umher ward mit Tageshelle übergossen.
[2.81.19] Der Horedon aber ersah sogleich den Abedam neben sich stehen, dankte Ihm in aller Liebe seines Herzens und sagte dann:
[2.81.20] „O Du heiliger, lieber Vater, wie endlos mächtig doch bist Du – und wie gut! Denn jetzt sehe ich es erst ein, dass Du durch dieses mein Herumirren mir die Mühe des Redens hast ersparen wollen!
[2.81.21] Denn wie es mir nun ergangen ist von Deinem ersten Ruf an mich bis jetzt, gerade also ging’s zuvor ja in mir selbst zu!
[2.81.22] Und so ist ja alles auf das Herrlichste kundgetan, was ich in mir geschaut, gehört, empfunden und getan habe!
[2.81.23] Dir, o heiliger Vater, alles Lob, alle Liebe, allen Dank und Preis dafür ewig! Amen.“
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