Am 21. Februar 1842
[2.34.1] Nach dieser inneren Selbstrede richtete sich der Hored auf und ging mutigen Schrittes hin zum Abedam und wollte da seinen Dank vor allen Vätern laut kundgeben; allein der Abedam kam ihm zuvor und sagte zu ihm:
[2.34.2] „Hored, meinst du denn, dass Ich die stille Rede deines Herzens überhört habe? Das sei ferne deinem Gemüt!
[2.34.3] Siehe, da du sahst, dass die Naëme für dich so gut als ganz rein verloren sei, da auch erst kehrtest du in dich zurück und konntest dich wenden zu Mir!
[2.34.4] Du hast dich zwar gerecht zu Mir gewendet und hast dich gewendet in aller Wahrheit, – aber dein Umwenden war eine trockene Umkehr, darum du am Ende deiner Gemütssprache Mich mit aufgeregtem Herzen bitten mochtest, dass Ich, so da jemand ja schon gestraft werden solle, ihn lieber solle mit Feuer, Gift und Skorpionen strafen denn mit Naëmen, – und dass Ich ferner doch einmal des Strafens satthaben solle!
[2.34.5] Siehe, aus derlei Bitten sieht noch gar wenig Liebe zu Mir und Liebe zum Nächsten heraus.
[2.34.6] Dachtest du in dir auch die volle Wahrheit, so taugt aber diese dessen ungeachtet doch mitnichten ledig fürs Leben, wenn die Liebe ihr nicht vermählt ist!
[2.34.7] Ich sage dir aber, so du geweint hättest um die Naëme, da wärest du Mir lieber gewesen denn also; denn da hättest du Mir gezeigt, dass dein Herz voll ist der Liebe, – nur hätte sie eine schiefe Richtung, der aber leichtlich abzuhelfen wäre.
[2.34.8] So aber hast du Mir gezeigt zwar offene Augen, aber ein verschlossenes Herz; die Augen aber taugen nicht zur Aufnahme des Lebens, sondern allein das Herz. Und siehe, gerade das da lebendig sein soll, ist tot in dir!
[2.34.9] Dein Gedanke ist nur wahr bis zur Hälfte, darum in ihm keine Liebe ist; wäre aber Liebe in ihm, so hätte er sicher einen anderen Ausgang genommen als den unrichtigen; als hätte Ich als Vater nur gewisserart ein Wohlgefallen an dem Strafen! Wie töricht!
[2.34.10] Meine ewige Ordnung der allerhöchsten und allerreinsten Liebe erkennst du als Strafe und bittest Mich, sagend: Habe einmal satt des Strafens!
[2.34.11] Siehe, so Ich nun deine törichte Bitte erhören möchte, was würde da alsbald aus den Geschöpfen werden?
[2.34.12] Damit du aber deine Torheit vollends einsiehst, so will Ich zu dem Behuf an jener alten, mächtig großen und starken Zeder deine Bitte erhören!
[2.34.13] Nun, was sagst du dazu? Wo ist nun der mächtige Baum? Siehe, es ist auch nicht die leiseste Spur von ihm mehr übriggeblieben!
[2.34.14] Merkst du nun, wohin die Erhörung deiner Bitte die Wesen führen möchte, und merkst du auch deine große Torheit, und wie viel des Lebens in dir waltet?
[2.34.15] Ich solle euch lieber mit Feuer, Gift und Skorpionen strafen denn mit Naëmen! Siehe, es ist wahr, Ich gab das Weib dem Mann zu seiner Demütigung, darum Ich schon von Ewigkeit her wusste, wie es mit dem vereinzelten Herzen des Mannes stand.
[2.34.16] In dieser alleinigen Hinsicht könnte – zur Hälfte nur – das Weib als eine kleine Strafe, an das hochmütige Herz des Mannes gerichtet, angesehen werden; wenn aber jemand dabei nur ein wenig weiter denkt, muss er da nicht alsbald gewahr werden, dass eben dieses scheinbare Strafmittel ein gar großes Mittel, ja eines der allerwichtigsten Mittel zur Erreichung des wahren vollkommen allerseligsten ewigen Lebens in Mir ist?!
[2.34.17] Siehe, Ich sage es nun schon zum mehr denn zum tausendsten Mal, dass nur allein die Liebe zu Mir und also auch zum Bruder und zur Schwester das ewige Leben bedingt darum, da eben in Mir Selbst das urewige Grundleben alles Lebens in seiner ganzen heilig endlosen Ausdehnung nichts als pur Liebe ist!
[2.34.18] So du alsonach die Liebe nicht hast, woher soll dir denn hernach das Leben kommen?
[2.34.19] Denn wer Mich nicht aufnimmt in seinem Herzen, Der Ich nur ganz allein das Leben bin, wie und wodurch sollte der dann leben?
[2.34.20] Ich aber bin die ewige Liebe Selbst; wessen Herz sonach liebeleer dasteht, steht das nicht gleichermaßen auch lebensleer und bar vor Mir?
[2.34.21] Jetzt aber gehe zurück und mache eine kleine Betrachtung, und sehe, wer da zuerst dem Herzen des Kindes die Liebe durch die Liebe lehrt, wer das Herz zuerst für Liebe und Leben erweckt!
[2.34.22] Wer nährt das ohnmächtige Kind aus eigener Brust? Wer gab dir denn die erste Kost und trug dich auf zarten, weichgepolsterten Händen vom Tode herüber ins erste Leben? Siehe an deine Mutter, du Tor!
[2.34.23] Da du aber als Jüngling dann in der gefühlten werdenden männlichen Kraft dich stolz erheben wolltest, als wärest du berufen, Sonne, Mond und all die Sterne mit großer Verachtung zu zermalmen und also dich zu zerstreuen ins ewige Nichts, wer kam dir da entgegen, – wer fesselte da dein Herz für Liebe und Leben in dir, – wer führte dich da zuerst wieder in die eigene Wohnstätte des Lebens zurück, – wer lehrte dich da von neuem wieder die von deiner Mutter gelehrte, aber vergessene Liebe?
[2.34.24] Wer, sage Mir, wer war der Engel, der dir mit dem ganzen Leibe stark zurief: ‚Hored, liebe, liebe, liebe – und lebe; aber liebe rein, liebe in Gott, und lebe in Gott, und lebe mir, und klopfe nicht an die Pforten des Todes!‘?
[2.34.25] Siehe, dahier zu Meinen Füßen ruht und liebt dieser Engel, den du mit Feuer, Gift und Skorpionen vertauschen möchtest; siehe, es ist die Naëme!
[2.34.26] Gehe nun hin, bereue deine Torheit; und wenn du Liebe empfinden wirst in deinem Herzen, ja, Ich sage dir, mächtig starke Liebe zu Mir, deinem heiligen, guten, liebevollsten Vater, dann erstehe, und komme wieder, damit Ich dich segne mit dem ewigen Leben! Amen.“
Kein Kommentar bisher