Am 20. Februar 1843
[2.258.1] Nach diesen Worten des Herrn ward unsere ungläubige Gesellschaft sehr betroffen, und ein jeder beriet sich mit seinen Nachbarn, wie da zu nehmen wären die Worte des armen Mannes:
[2.258.2] „Soll man ihn im Ernst für das wahrste allerhöchste Wesen halten, oder soll man ihn noch weiter fragen, wie sich’s verhalte mit seiner Natur?
[2.258.3] Und sollte er doch etwa wirklich das sein, was er von sich aussagt, und was so ganz eigentlich am bestimmtesten der König von ihm am Thron ausgesagt hatte, da könnte er uns ja wohl ein Zeichen geben, durch welches wir ihn unfehlbar und völlig ungezweifelt erkennen müssten!
[2.258.4] Denn was seiner Rede Weisheit betrifft, so ist sie wohl freilich für unsere Begriffe über alle Maßen hoch und überaus erhaben groß; aber lassen wir einen anderen aus der Höhe reden, so wird das vollkommen derselbe Fall sein, – denn auch diese werden also reden, dass wir von ihrer Rede eben nicht zu viel fassen werden.“
[2.258.5] Einer aus der Gesellschaft sagte zu den sich untereinander Beratenden: „Brüder, hört, mir ist jetzt ein köstlich guter Gedanke geworden! Was sollen wir denn tun, und was soll geschehen? Was wollen wir denn erfahren? Seht, um das dreht sich unsere ganze Beratung! Ich aber habe dafür eben einen guten Gedanken.
[2.258.6] Wir möchten von diesem Mann ein Zeichen, auf dass wir glaubten, dass er im Ernst das sei, was zu sein der König von ihm ausgesagt hatte.
[2.258.7] Fragen wir aber, welch ein Zeichen uns denn der große Farak zum Bürgen der Wahrheit seiner Lehre gab!
[2.258.8] Meines Wissens kein anderes als eben nur die erhabene Lehre selbst; und dennoch glaubten wir seiner Lehre und dachten dabei nicht nach, inwiefern sie wahr oder unwahr sein dürfte!
[2.258.9] Wie verlangen wir denn hier ein Zeichen zur Bekräftigung unseres Glaubens, um ihn auszutauschen für das Unbegreifliche der Lehre Faraks gegen das sehr Begreifliche der Lehre dieses Mannes, der nicht einmal einen Glauben fordert, sondern spricht nur mit gar sanften weisen Worten: ‚Glaubt Mir nicht, sondern liebt Mich als den alleinig wahren Vater, so wird die Flamme der Liebe euch zur reinen hellsten Leuchte werden, und ihr werdet es dann in euren Herzen überklar erschauen, ob Ich das bin, als was zu sein Mich der Lamech vor euch verkündete!‘ Was wollen wir denn noch mehr?
[2.258.10] Ich weiß aber nur zu gut, dass zwei Menschen sich gegenseitig nie eher völlig erkennen, als so sie sich vollends als wahrhaftige Brüder und somit auch als allerintimste Freunde zu lieben anfangen. Wer mag ein Weib erkennen, wenn er sie nicht liebt und sie ihn nicht liebt?
[2.258.11] Fürwahr, wer da behaupten möchte und sagen: ‚Ich bin zufolge meines hellen Verstandes ein Menschenkenner, und der Weiber Schlauheit steht offen vor mir!‘, dem sage ich, dass er ein großer Lügner ist!
[2.258.12] So wir aber sehen, dass es mit der Liebe gegen unsere Brüder und Schwestern niemals gefehlt war und auch niemals gefehlt sein wird, so sehe ich es wahrlich nicht ein, warum es mit der Liebe gegen Gott gefehlt sein sollte!
[2.258.13] Und was da diesen armen Mann betrifft, so muss ich euch offenbar gestehen, ich liebe ihn ganz über alle Maßen schon; denn ein Mensch mit solch einer Weisheit ist ewig nicht arm. Wenn er aber selbst, durch seine Liebe genötigt, alles hergab, was er hatte, wer sollte solch eine Liebe nicht wieder lieben?!
[2.258.14] Ich aber meine nun also, Er ist ein liebevollster, weiser Mann, ein herrlichster Bruder, ja, er ist ein Mann voll Bruder- und voll höchster, echter Vaterliebe; also sollen wir ihn auch also lieben, wie wir ihn erkennen!
[2.258.15] Ob er Gott oder nicht Gott ist an und für sich, solches zu beurteilen liegt nun noch stark außer der Sphäre unserer Fähigkeit; dass er aber wahrhaft Göttliches in sich birgt, das liegt in seinem ganzen Wesen und in jeglichem seiner Worte!
[2.258.16] Und somit will ich denn auch der Erste sein, der sich ihm mit einem stark lodernden Herzen nahen wird und sich soeben schon naht!“
[2.258.17] Hier trat dieser Redner hin zum Herrn und sagte zu Ihm: „Allerliebster Bruder, voll göttlicher Weisheit und voll der wahrsten väterlichen Liebe! Sei du, wer und was du nur immer wollest, ich liebe dich einmal, da ich dich aller Liebe würdigst gefunden habe, und ich weiß es ja nur zu gut, dass mit solch einer wahrsten Liebe es auch bei dir nicht gefehlt sein wird!“
[2.258.18] Hier umarmte er den Herrn und drückte Ihn an sein Herz.
[2.258.19] Der Herr aber sagte zu ihm: „Jetzt hast du das ewige Leben umfangen; deine Liebe werde dir ein helles Licht! Amen.“
[2.258.20] Hier fing der Redner an zu seufzen und sprach zu seinen Brüdern: „Hierher, hierher kommt! O Brüder, wahrlich, wahrlich, hier ist mehr als nur ein Mensch! Hier ist wahrhaftig der Vater!“
Kein Kommentar bisher