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124. Abedams Lehre über das Gotteslob und das beständig wiederkäuende Ungeheuer der Natur

Am 23. Juli 1842

[2.124.1] Da der Seth solches vernommen hatte, ward er froh über die Maßen und dankte, lobte und pries den hohen Abedam aus allen seinen Kräften.

[2.124.2] Der Abedam aber sagte zu ihm: „Seth, du lieber Bruder der Liebe Meines Herzens, Ich sehe nur auf dein Herz, – und das genügt Mir vollends; des kannst du versichert und überfroh sein!

[2.124.3] Doch was dein nun auch lautes Wortlob betrifft, so magst du mit ihm wohl daheim verbleiben; denn du kannst es Mir glauben, so Ich es dir sage: Mir ist das Lob des Herzens verständiger als das des Mundes.

[2.124.4] Wenn aber das Herz betet, da soll sich der Mund nicht dareinmischen, damit durch ihn nicht getrübt wird, das einer reinen Quelle gleich kommt aus dem Herzen!

[2.124.5] Das Lob des Mundes ertönt vor der Welt, aber das Lob des Herzens dringt zu den Ohren Meines Herzens.

[2.124.6] Daher kannst du für jetzt deinem Mund die leere Arbeit füglich ersparen; denn Ich höre ja jeden Laut deines Herzens.

[2.124.7] Wer den Mund braucht, der brauche ihn immerhin vor der Welt und vor seinen Brüdern; vor Mir aber brauche niemand etwas anderes denn nur einzig und allein das Herz! Amen.“

[2.124.8] Nach dem aber wandte Er Sich zum Henoch und sagte zu ihm, ihn gleichsam fragend: „Henoch! Weißt du schon alles, und findest du in dir denn nichts mehr, darüber du einen Aufschluss von Mir benötigtest?

[2.124.9] Ich sehe aber dein Herz etwas für dich noch Unverdauliches wiederkäuen; was ist es denn, warum getraust du es Mir nicht der Brüder wegen kundzugeben durch den Mund?

[2.124.10] Ich sage dir aber, behalte nichts in dir zurück, sondern gebe heraus, gebe zurück, was da noch nicht reif ist zur Speise für deinen Geist, und Ich will es am großen Feuerherd Meiner Vaterliebe vollends reif kochen zur überaus stärkenden Nahrung für deinen wie für jeden anderen hungernden Geist. Amen.“

[2.124.11] Hier rückte auch der Henoch näher und sagte ganz gerührt: „O Du überguter, überheiliger, liebevollster Vater! Wahr ist es, mein Geist sucht in sich Licht über die von Dir ausgesprochenen Hindernisse, betrachtend das beständig wiederkäuende Ungeheuer der Natur; aber ich kann da nirgends ins Klare kommen.

[2.124.12] Denn obschon ich nun ganz deutlich erschaue, dass da alles sein Dasein lediglich nur durch lauter Hindernisse und Beschränktheiten durch sie fristet, so sehe ich aber dennoch nicht ein, warum da des Daseins willen sich nahe alles tödlich begegnen muss.

[2.124.13] Warum das beständige sich Reiben, Zerstören und Zugrunderichten?

[2.124.14] Wird dadurch auch etwas anderes hervorgebracht, so muss es dennoch wieder zerstört werden für die Nachfolge seinesgleichen.

[2.124.15] Siehe, da ist die Lücke in meinem Herzen, und diese ist noch vollends ohne Licht!

[2.124.16] O Vater, erleuchte sie mit Deiner Gnade, Liebe und Erbarmung; Dein heiliger Wille! Amen.“

[2.124.17] Und der hohe Abedam öffnete den Mund und sagte zum Henoch: „Ja, du sagst es, also ist es, da alles vorübergeht, da alles mit der Sturmwindschnelle vorüberweht, nur selten etwas die Vollkraft seines Daseins ausdauert, sondern allzumeist, in den verderblichen Strom fortgerissen, da untertaucht, an den Felsen zerschmettert und endlich vom großen Strudel in den bodenlosen Abgrund der Vernichtung verschlungen wird!

[2.124.18] Du sagst ferner in dir: ‚Da ist kein Augenblick, der dich selbst nicht beständig verzehrte und all das Deinige um dich herum, – kein Augenblick, in dem du selbst kein Zerstörer wärest, ja es offenbar sein müsstest!

[2.124.19] Der harmloseste, unschuldigste, frohwandelnde Fußtritt kostet vielleicht schon mehr denn tausend armen Würmchen das Leben!

[2.124.20] Wie oft schon hat meine Ferse eine mühsam errichtete Wohnung der Ameisen zerrüttet und stampfte somit eine kleine Welt in ein schmähliches Grab!

[2.124.21] Wie oft schon sind die schönsten Früchte, die da prangten wie ein Lichtbogen am Himmel, im Licht der Sonne hängend am majestätischen Baum, von meinen Zähnen zermalmt worden! Wie viele der herrlichsten Blümchen sind schon von meinen Füßen zertreten worden, – sie kommen wieder! Auch andere Ameisen bauen sich ein anderes mühsames Haus, – doch dieselben nimmer, nimmer, denen mein Tritt ein ewiges Grab bereitet hatte! Wohin, wohin sind denn diese?!

[2.124.22] Ein sanfter Wind zieht durch die Blätter des Baumes. Sie regen sich, als wären sie munter und fröhlich; aber mitten unter dieser Freude entfallen hunderte den Zweigen!

[2.124.23] Wohin, wohin? frage ich. Keine Antwort wird mir mehr von den Entfallenen; denn schon hat sie ein Strudel der Vernichtung verschlungen!‘

[2.124.24] Weiter sagst du dann: ‚Nicht doch diese große Not der Dinge, nicht die Felsen untergrabenden Fluten, nicht die großen Erdbeben, durch welche Berge zu Staub zerrüttelt werden, rühren mich, sondern mein eigenes Herz untergräbt mich mit einer alles verzehrenden Macht, die da überall verborgen ist im All der Dinge und nichts ins Dasein ruft, das da nicht wieder zerstören möchte seine Nachbarschaft oder sich selbst!‘

[2.124.25] Und bei solchen Gedanken taumelst du dann beängstigt, und Himmel und Erde um dich her, und rufst dann aus deiner Angst heraus:

[2.124.26] ‚Ich mag schauen, wie ich will, nirgends erblicke ich nun etwas anderes als ein sich und alles Verschlingendes, und dann ein und dasselbe ewig wiederkäuendes Ungeheuer in der Natur der Dinge!‘

[2.124.27] Es ist wahr, Ich kann dir darum nicht sagen: ‚Henoch, du tust Mir unrecht mit deinen Gedanken!‘, denn es ist also fürs Auge und also für den Verstand; aber siehe, fürs Herz ist es anders!

[2.124.28] Was sind die Dinge? Sie sind Ruhepunkte Meiner großen Gedanken! Mein eigener lebendiger Wille ist es, der ihnen hinderlich in den Weg tritt; durch dieses Hindernis treten sie erst ins erscheinliche Dasein.

[2.124.29] So aber dann Meine Liebe sich paart mit Meinem Willen, so heißt es: ‚O setze nicht Schranken dem großen Flug Deiner freiesten Gedanken, sondern lasse sie wieder frei schweben in den großen Kreisen Deines ewigen Lebens im vollkommenen Bewusstsein ihrer lebendigen Kraft aus Mir!‘

[2.124.30] Siehe, dann lasse Ich Meinen Gedanken wieder die Freischwebe, nachdem Ich das Hindernis Meines Willens lindere, und du siehst dann die Dinge vergehen, aber nicht treten aus dem Dasein, sondern nur zurückkehren ins Grundsein, ins wahre Sein, ins freie, unzerstörbare Sein.

[2.124.31] Ich lasse dann aus vielen kleinen Gedanken wieder einen großen werden, einen lebendigen, einen freien, der dann Mir Selbst gleichen muss, darum er wieder wird, wie er war ursprünglichst in und aus Mir.

[2.124.32] Daher kümmere dich fürder nicht der äußeren Vergänglichkeit, sondern denke: Alles, was da tritt aus dem Dasein, kehrt allzeit in ein vollkommeneres Dasein wieder zurück, hinauf bis zum Menschen und von da wieder zu Mir Selbst zurück.

[2.124.33] Und so wird ewig nichts verlorengehen, auch deine leisesten Gedanken nicht!

[2.124.34] Solches also begreift alle wohl, und seid in Mir allzeit heiteren Mutes! Amen.“

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