[1.91.1] Nachdem Henoch beendet hatte seine Rede, verneigte er sich gegen seine Begleiter und grüßte noch einmal die Kinder des Abends; Seth, Kenan und Asmahael aber sprachen ‚Amen‘. Und der Seth führte noch ein kleines Wort an die frei gemachten Kinder des Abends, welches also lautete:
[1.91.2] „Kinder, ihr wisst es, dass ich es war, der euch vor dreihundert Jahren das Gebot vom Adam überbrachte! Ihr seid darüber traurig geworden, und in eurer Traurigkeit habt ihr keinen Trost gefunden und habt daher den Schlaf gemacht zu eurem Freund.
[1.91.3] Das Gebot war drückend, und ihr ertrugt den Druck schlafend durch eine lange Nacht eures Herzens. Nun denn aber bin ich wieder zu euch gekommen in der Mitte solcher, die Gott geweckt im Geiste, auf dass sie empfangen können Seine höchste Gnade, welche ist die Liebe im Vollmaße, um zu reden Sein heiliges und lebendiges Wort voll Kraft und Macht. Daher haben weder der Adam, noch ich euch frei gemacht, sondern allein des großen Gottes heiliges Wort aus dem Munde Henochs und Asmahaels, den da trägt vor euch das starke Tier, und den Gott zu uns gesendet hat auf eine wunderbare Art dem eigenen Bekennen nach aus der Tiefe, davon ihr gehört habt, dass sie voll fluchbaren Argens ist. Ich aber halte dafür, dass er aus der Höhe ist; denn solche Rede wie er kann niemand führen, so er ist wahrhaftig aus der Tiefe.
[1.91.4] Weisheit ist in der stummen Tiefe sicher nicht zu Hause, und noch viel weniger die Liebe.
[1.91.5] Er aber erklärte uns das Gesetz und zeigte uns unsere große Torheit vor Gott, als wäre er ein Herr des Gesetzes. Er kam, um zu erlernen die Weisheit, und machte uns aber schon in einer Stunde alle zuschanden, dass darob sogar Henoch sich gewaltig betroffen fand.
Am 27. Mai 1841
[1.91.6] Habt ihr nicht ehedem vernommen sein Wort oder doch zum wenigsten seine überstarke Stimme? Sagt, kann jemand aus der Tiefe mit solcher Stimme reden, oder hat je jemand, solange die Erde trägt ein Menschengeschlecht, aus irgendeines Menschen Munde eine solche Rede vernommen?!
[1.91.7] Hört, nicht um auch etwas zu reden oder mir durch Plaudern zu verkürzen die Zeit, sondern um euch eure Freiheit in der Liebe Gottes voll zu zeigen, rede ich, wohin und wozu mir ein mächtiges Gefühl meine Zunge kehrt! Dieser anscheinende Fremdling, der da sitzt kleinlaut in seinem Benehmen und übergroßlaut im Wort, wird ein andermal sich von einem anderen Tier tragen lassen, und ein Volk der Erde wird dem auf dem Tier Sitzenden mit aller Zerknirschung des Herzens zurufen: ‚Hosianna Gott in der Höhe; gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, sitzend auf dem Rücken eines Füllens einer lastbaren Eselin!‘
[1.91.8] Kinder, und auch du, lieber Henoch, und du, Kenan, könnt ihr mir widersprechen, so tut es; seid ihr aber belebt vom selben Gefühl, so dürfte es sich der Mühe lohnen, auf den so überaus wortmächtigen Fremdling das alleraufmerksamste Auge und ein allerdemütigstes Herz zu richten! Denn der also erstaunlich wie er von Gott spricht, muss entweder aus der höchsten Höhe Gottes abstammen, oder aber er ist – – –
[1.91.9] Kurz, ich mag, kann und darf nicht weiter mich aussprechen!
[1.91.10] Ja, ja, wahrlich, wahrlich, das Heil ist uns näher gekommen in der Fülle alles Lebens, als wir es zu ahnen vermögen!
[1.91.11] So jemand will und glaubt, der wende sich zu dem Asmahael! Mein Gefühl sagt es mir: Der nicht durch Ihn frei wird, wie wir alle durch Sein mächtig Wort frei geworden sind nach einem kurzen Kampf mit unserer einheimischen Finsternis, der wird ewig nie zur Freiheit gelangen!
[1.91.12] O Asmahael, Du teurer, erhabener Fremdling, der Du so mutig auf dem Tier sitzt und in aller Sanftmut und Demut uns Würmer im Staub anhörst, als möchtest Du lernen von uns, während jedes bessere Wort unseres Mundes schon lange eher in Dir gewachsen ist in höchster Reinheit, bevor es erst von unseren Zungen verunreinigt wurde, mache uns frei und ewig lebendig in Dir!
[1.91.13] O verlasse uns nicht, und sei ewig unser Führer und wahrer Freimacher unserer Herzen! Amen, amen, amen.“
[1.91.14] Nachdem aber Seth seine Rede beendet hatte, so bewegte sich alsbald Asmahael in die Mitte der drei und sagte folgendes zu ihnen:
[1.91.15] „Höre, du, Seth, und du, Kenan, und du auch, Mein lieblicher, wertester Henoch! Das, was du, o Seth, hast empfunden und hast ausgegossen vor Kenan und Henoch und allen den Kindern des Abends, die es nicht erfasst noch haben, davon sollt ihr vor dem Adam und allen den übrigen Vätern noch schweigen; sie sollen nicht wissen und ahnen, wer unter der Hülle Asmahaels haust!
[1.91.16] Daher müsst ihr schweigen, wollt länger ihr Mich zum Begleiter noch haben; auch müsst ihr Mich äußerlich anders nie kennen und nennen, als nur aus der Tiefe den Fremdling, den Adam ‚Asmahael‘ nannte, nicht ahnend, dass Jehova Selbst es ist, der an der Stelle, die ‚Morgen‘ ihr nennt, zu euch ist unkenntlich gekommen, um euch auf den Wegen, die Mir nur bekannt, Selbst werktätig zur Liebe und ewigem Leben zu führen!
[1.91.17] Hätt’ Ich es gewollt, hätte Henoch schon lang’ Mich erkannt, und der Seth wär’ zuvor ihm wohl nimmer gekommen; doch wer, wie der Seth, eine schwerere Prob’ muss bestehen und denkt sich in seiner Liebsorge, Ich sei ihm gar fremd noch und ferne – fürwahr, dem steh’ Ich wohl am nächsten, und denen auch, die gleich dem Henoch Mich lieben.
[1.91.18] Ich bin –, wie der Seth es verkündet; doch jetzt müsst ihr schweigen von Mir! Insgeheim doch könnt ihr zu Mir kommen und nehmen den höchsten der Segen von Mir! So ihr zähmt der Zunge Begierde, will lang’ Ich als sichtbarer Führer noch unter euch weilen; verratet Mich aber nur durch ein kleinwinziges Wort, ja dann werd’ Ich gezwungen, euch alle sogleich zu verlassen! Hört amen, hört amen, hört amen, das sagt der Asmahael, amen, hört amen, hört amen!“
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