Am 17. März 1841
[1.74.1] Als aber die Väter solches Wortwunder aus dem Rachen des Tieres vernommen hatten, siehe, da entsetzten sie sich gewaltig und schlugen sich auf die Brust, bereuten ihren Fehler und gelobten Mir im Herzen, den ganzen Tag über nichts zu sich zu nehmen, weder Speise noch Trank. Bei einer halben Stunde baten sie Mich im Herzen um Vergebung, und außer dem Henoch getraute sich keiner, die Augen von der Erde zu erheben.
[1.74.2] Und eben diese Zeit benützte das Tier etwas seitwärts zu seiner Mahlzeit. Als das Tier nun fertig war mit den drei Böcken, kam es alsbald zurück, sprang zu einer nahen, frischen Quelle und kühlte sich alldort die Zähne und die Zunge, damit seine Wut gekühlt würde und gemildert seine Blutgierde.
[1.74.3] Nach dem aber begab es sich wieder zum Asmahael hin und bot selbem gleichsam fürs Fernere seine Dienste an.
[1.74.4] Henoch aber, die Väter anblickend, fragte leise den Adam, ob er noch etwas begehre, oder ob man sich zur Abreise anschicken sollte.
[1.74.5] Adam aber entgegnete mit noch zitternder Greisenstimme: „O Henoch, siehe, die Angst hat mir die Glieder gelähmt, dass ich mich nicht zu erheben vermag, und, wie du siehst, auch der Mutter Eva, – und wir müssen und sollen fort gen Abend! Wie aber werden wir es denn anstellen, dass wir weitergelangen mögen?
[1.74.6] Und siehe, lieber Henoch, auch den übrigen geht es nicht viel besser denn mir! Daher schaffe uns Rat aus deiner Liebe zu Gott, was da zu tun sein wird; denn wahrlich, ich empfinde tief den Frevel unserer Lauheit, aber auch ebenso tief die Schwäche meiner Glieder!
[1.74.7] O Wahrheit, o Wahrheit, wie furchtbar mächtig bist du! Dieses Tier ist ein treues Bild deiner Schonungslosigkeit. Du schonst keines Menschen, und mag er der erste oder der letzte Bewohner der Erde sein! Dir ist jedes Alter gleich. Du schlägst die Väter samt ihren Kindern und schonst ihrer schwachen Mütter nicht. Unsere Häupter drückst du zur Erde nieder, und die Gliedmaßen lähmst du zur Untätigkeit. Wo ist außer Gott noch ein Wesen, das da ertragen könnte die ganze Bürde deiner Schwere?!
[1.74.8] O sanfte, zarte, heilige Liebe! Wenn du mit der Wahrheit nicht Arm in Arm wandelst als heiligster Lebenssegen Jehovas, o dann ist die Erkenntnis der für sich allein stehenden Wahrheit wahrlich ein Tod den Menschen.
[1.74.9] O Kinder, sucht fürder ja keine Wahrheit für sich mehr, sondern einzig und allein nur die Liebe! Und soviel Wahrheit diese mit sich führen wird, soviel wird’s auch gerecht sein dem Menschen und frommend zum Leben.
[1.74.10] Wem aber der Herr mehr geben wird der Wahrheit denn der Liebe, den wird sie am Ende erdrücken, oder der Herr Selbst wird müssen sein Lastträger in der großen Wahrschwere werden.
[1.74.11] Daher lehrt auch ihr allen euren Kindern in der Zukunft in der Liebe die Wahrheit, und den Brüdern aber in der Wahrheit die Liebe!
[1.74.12] Und nun, Henoch, tue, was du vermagst, und denke, höre und sehe, was die Wahrheit für sich allein getan hat an uns allen! O Henoch, vereine deine Bitte mit der meinen, damit uns der Abend nicht hier antreffe! Amen.“
[1.74.13] Henoch aber kehrte sich in seinem Herzen zu Mir und ließ folgende stille Seufzer in seiner Brust auftauchen, welche also lauteten: „O Du großer, heiliger, liebevollster Vater aller Menschen und über alles mächtiger Schöpfer, Gott der Unendliche und Ewige und Allerheiligste! Sehe gnädig auf uns arme, schwache Würmer im Staub von Deiner unermesslichen Gnadenhöhe [herab], und schaue aus der unendlichen Fülle Deiner Liebe auf unsere grenzenlose Schwäche, die wir, geschlagen von der großen Macht Deiner Wahrheit, hier im Angesichte Deiner Vatermilde schmachten!
[1.74.14] O lasse uns erheben von dem harten Boden der Erde mit neugestärkten Gliedern und voll fröhlichen Mutes, und führe uns nach Deinem heiligen Willen, dahin es Deine Gnade und Dein Wohlgefallen gut Rat hält, und lasse nicht zu, dass den Vätern irgendein Wehe begegne, sondern gebe, dass wir alle beständig in Deiner Liebe und Gnade wandeln möchten!
[1.74.15] O heiligster Vater, erhöre mein stilles Flehen und Seufzen! Amen.“
[1.74.16] Nachdem er aber solches gesprochen hatte im Herzen voll Liebe und lebendigen Vertrauens, siehe, da vernahm er alsbald in sich ein mächtig süßes, heiliges Wort, welches zu ihm sagte:
[1.74.17] „Höre, Henoch! Ich habe dein Seufzen wohl vernommen und habe erhört deine Bitte! Trete hin zu deinen Vätern, tröste sie voll Segens aus Meiner großen Erbarmung und versichere sie Meiner Größe und Meiner Verheißung, greife ihnen dann unter die Arme, und sie werden alle, von einer großen Kraft gestärkt, sich Jünglingen gleich erheben und werden voll Munterkeit vollenden die noch bevorstehende Bahn nach Meinem Willen.
[1.74.18] Das Tier aber lasse nicht betreten die Wohnung Adams, noch den Grund und den Boden, sondern nach vollbrachter Reise lasse es wieder in Frieden ziehen an den Ort seiner Bestimmung.
[1.74.19] Und nun gehe und übe, was dir geboten wurde, und erziehe den Fremdling Asmahael zu Meiner Ehre, amen; höre in aller Liebe, amen.“
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