[1.69.1] Und siehe, als die Kinder solche Rede aus dem Munde Adams vernommen hatten, da schlugen sie sich auf die Brust und weinten ernste Tränen der Reue, dass sie kaum besänftigt zu werden vermochten. Denn sie sahen nun wohl ein, was sie verloren hatten; aber das Verlorene wiederzuerhalten, sahen sie keinen Weg und glaubten sich als schon vollends gerichtet.
[1.69.2] Als aber Adam sah ihre ernste Reue, sprach er zum Seth: „Höre, mein geliebter Sohn, erhebe dich, öffne deinen Mund, und richte ihre Herzen auf voll Frieden und Liebe zu Jehova! Amen.“
[1.69.3] Und alsobald erhob sich Seth und fing an, folgende sehr denkwürdige Rede an sie zu halten, sagend nämlich: „Höret, Kinder, die ihr da vor unseren Augen und Ohren weint gerechter Reue Tränen! Unser Gott und guter heiliger Vater ist zwar ein allergerechtester Herr, aber auch ein aller Liebe vollster Vater voll Erbarmung. Denkt, dass wir keine Handlung begehen können, die Gott als Gott kümmern oder zuwider sein könnte; denn welcher Unterschied wäre im Grunde, ein Sonnenstäubchen oder eine Welt zu zerstören?!
[1.69.4] In Beziehung auf Gott ist sowohl eines wie das andere ein pures Nichts, – wie auch wir alle zusammen nichts sind gegen Ihn. Wie aber könnte oder möchte das Nichts etwas begehen an dem Nichts, das da etwas wäre im Anbetracht gegen Gott,
[1.69.5] ingleichen es auch uns nicht kümmert, was die fast gänzlich unsichtbaren Tierchen unter einem modernden kleinsten Blättchen, das ein leiser Hauch dem Moos entführte und mit einem daranhängenden Tautröpfchen ins Meer fallen ließ, machen! Jedoch ist dieser Vergleich fast eben gar kein Vergleich gegenüber dem, wie unendlichmal viel weniger eine ganze Welt samt uns gegen Gott ist. Und so sind wir und all unser Tun und Lassen soviel als gar nichts gegen Gott.
[1.69.6] Aber höret! Eben dieser Gott hat denn doch eines, das Ihn gar sehr kümmert, und dieses eine ist eben Seine eigene, ewige Liebe selbst, durch welche wir – und alle Dinge unseretwegen – entstanden sind. Durch und in dieser Liebe ist Gott unser Vater und wir Seine Kinder. In dieser Seiner Liebe kümmert Ihn das Unbedeutendste wie das Allergrößte in gleicher Sorgfalt; und so gibt sich auch mit dieser Liebsorge in allen Dingen Seine unverkennbare Göttlichkeit und väterliche Liebe kund.
[1.69.7] Der Liebe Gottes ist demnach auch nicht einerlei, wie wir handeln, ob so oder so. Wenn wir die Liebe zwar für selbständig betrachten, so ist auch diese so beschaffen, dass sie blind ist gegen alle Handlungen ihrer Kinder gleich einer zärtlichen Mutter gegen ihren Säugling; allein, es wäre aber Gott ohne Liebe kein Gott, und die Liebe ohne Gott wäre keine Liebe. Und so sind Gott und dessen Liebe ein Wesen und ist Gott mächtig in Seiner Liebe und die Liebe heilig durch Gott. Und dieser also einige Gott ist samt und sämtlich unser liebevollster, heiligster Vater, wie wir nach Seinem Ebenbild vollkommen Seine Kinder sind, da auch wir ein Herz und in ihm einen Geist der Liebe haben, wie in unserem ganzen Wesen eine lebendige Seele voll Verstand, dass da auch der Verstand ist gleich dem Wesen Gottes für sich und die Liebe des Geistes im Herzen mit ihrem freien Wollen gleich der Liebe in Gott. Und wenn aus der Seele und aus dem Geist ein Wesen wird durch das freie Wollen, so sind dann auch wir vollkommen Gott in allem ähnlich und somit erst Seine Kinder.
[1.69.8] Wie aber Gott für uns in der Liebe nur Gott ist und unser aller liebevollster, heiligster Vater, so können auch wir nur in der Liebe Seine Kinder werden. Die Vereinigung Gottes mit Seiner Liebe ist aber gleich dem Gehorsam. Wenn wir nun in unserem fürwitzigen Verstand gehorchen den empfundenen Anforderungen des Geistes und vereinigen somit das Licht mit der Liebe, so werden wir dadurch Kinder der Liebe voll Weisheit, voll Wohlgefallen Gottes und Kinder voll des ewigen Lebens.
[1.69.9] Nun sehet also, liebe Kinder: Da ihr im Fürwitz des Verstandes ungetreu geworden seid eurer innersten Liebe aus Gott in euch, so wurdet ihr ungehorsam in eurer Seele wie eurem Heiligtum, so auch der Liebe in Gott. Eure Liebe hat sich dann zurückgezogen; ihr lebtet nur in eurer Seele, nach äußerer Ausdehnung (wenn’s möglich wäre ins Unendliche) strebend. Nun urteilt selbst und sagt, was da fester sei: ein sich nach allen Seiten ausdehnender Nebel, wenn auch seine flüchtige Größe ganze Weltgegenden umhüllt, oder ein kleines, rundes, gleich einem Tautropfen durchsichtiges Steinchen? Seht, darin auch liegt der Grund eurer Furcht und der Grund eurer Blindheit!
[1.69.10] Ist das Steinchen nicht also fest, dass es niemand zu zermalmen vermag und widersteht jedem Sturm, jedem Druck, jedem Schlag?! Ja, ihr saht zwar den Tiger einen mächtigen Stier plötzlich zerreißen in kleine Stücke; aber wahrlich, hätte dieser Tiger in ein solches kaum eigroßes Steinchen gebissen, um seine ärgste Waffe wäre es geschehen gewesen! Und hätte er es als Ganzes verschlungen, so würde er seinen Tod verschlungen haben, und in seiner Verwesung wäre das Steinchen unversehrt geblieben!
[1.69.11] Sehet Kinder, diesem Steinchen gleicht der Mensch in seinem Gehorsam, – dem Nebel aber als purer, äußerer Verstandesmensch! Geschieht es aber nicht, dass, wenn Winde Nebel an Nebel drängen, daraus Wassertropfen werden und, wenn mehrere und viele solcher Tropfen zusammenfließen, am Ende einen See ausmachen?! So aber die große Schwere der Wassermasse in der Tiefe sich sehr drückt, so ergreifen sich unter solchem Druck endlich seine Teilchen und bilden einen durchsichtigen Stein, der dann ist ein fester Strahlenstein, einerlei mit Thummim, der da ein Sinnbild ist und ein großes Wahrzeichen des wiederkehrenden Gehorsams durch die wahre Reue.
[1.69.12] Sehet, ihr seid durch euren Ungehorsam zum Nebel geworden! Es kamen aber nun allerlei Winde und drängten und ängsteten euch von allen Seiten. Ihr empfandet den Druck und weintet Tränen des Schmerzes. Sehet, da ist der Regen! Aber es ist nicht genug, dass ihr zu Wasser wurdet gleich den einzelnen Tropfen, sondern ihr musstet zu einem See werden in eurer Reue. Ihr seid es nun geworden. Es drückt euch zwar jetzt mehr denn früher in der Tiefe eures Lebens; aber hört und seht und begreift wohl: Durch eben diesen jetzigen letzten Druck hat sich euer zweifaches Leben gleich den Wasserteilchen wieder ergriffen, und ein neuer Stein des Lebens und der wahren Weisheit hat sich in euch gestaltet. Darum seid froh und voll heiteren Mutes; denn nicht, um euch zu verderben, sind wir gekommen, sondern dass euch ein neues Leben werde in der wahren Liebe zu Gott, unser aller heiligstem Vater. Amen.“
[1.69.13] (NB. Höret, das ist der sogenannte Stein der Weisen, den die Welt nimmer zu finden vermag, noch je mehr finden wird.)
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