[1.65.1] Nach dieser großen Lichtspende Henochs aber erhoben sich alle und dankten stille im Herzen Mir für diese Gabe durch Henoch. Und Adam verlangte nach einer kleinen Leibesstärkung, welche ihm auch alsbald gereicht wurde; und da er sich gestärkt hatte mit etwas Honig, Milch und Brot, so dankte er für diese Gabe Mir und sprach dann zu seinen Kindern:
[1.65.2] „Kinder! Dahier verlor ich einst alles durch mich selbst, – und wahrlich, tausendmal mehr, als ich damals verlor, hat mich der Herr, unser liebevollster, gnadenreichster, heiligster Vater, wieder nun dahier finden lassen!
[1.65.3] O Paradies, du schöner Garten, du lichter Ort, da ich noch in der Hand Gottes prangte gleich einer aufgehenden Sonne und in aller Fülle des Lebens mächtiger war denn der Zug aller Welten, da ich war dein übermütiger Einwohner und du mein schwacher Träger!
[1.65.4] Ich fiel einst, und du, schönes Augenblendwerk, vermochtest mir nicht aufzuhelfen! Des Mächtigen Fall hat dich gedrückt, und dein Flaumenboden wurde zusammengedrückt gleich einer frischen Wolle, die ein Wind dem Baum entreißt und sie dann fallen lässt zur Erde, auf dass sie zertreten werde von unseren Füßen.
[1.65.5] Durch meine genötigte Flucht bist ohne Last du zwar aufgeschossen zur eitlen Höhe deiner Schwachheit, es drückt dich zwar keines Mächtigen Fuß mehr; aber es ist auch nicht viel Rühmendes an dir außer der eitlen Erinnerung, dass du einst mein schwacher Träger warst.
[1.65.6] Allein der Herr sah in Seiner Erbarmung, dass für den fallsüchtigen Schweren dein Grund zu locker war; daher setzte Er Steine unter meine Füße, dass ihre Festigkeit mich bewahren sollte vor einem künftigen Fall.
[1.65.7] O des guten Bodens, auf dem jetzt meine Füße ruhen, der mich nun schon nahe neunhundert Jahre vor einem neuen Fall gesichert hat, was zu tun du nicht einmal dreißig Jahre vermochtest! Dieser gute Boden machte nun auch oder war die demütigende Ursache, dass ich nun dein festerer Träger geworden bin, denn du einst als der meinige warst. Denn nun habe ich dich unendlichmal herrlicher in mir selbst aufgerichtet durch die große Gnade von oben und bin versichert, dass du in mir ewig zu keinem Fall gelangen wirst; und sollte es auch möglich sein, dass du fielest in mir, so wirst du mich nicht beugen und niederdrücken, sondern ich werde dich mit der Gnade von oben wohl aufzurichten vermögen, auf dass du ein beständiger Einwohner bleiben mögest dessen, an dessen Haare dem Herrn mehr gelegen ist als an der ganzen Erde, die ehedem deine wankende Trägerin war!
[1.65.8] O Kinder, traurig kam ich hier an, denn ich musste meinen Verlust beweinen, wie ich ihn schon früher tausendmal beweint habe; aber es war diesmal der letzte Seufzer und die letzte Träne, die da deine kahle Wand befeuchtet hat. Von nun an werde ich dich nimmer betreten, du alte, hohle Nussschale eines ausgebrannten Lebens, sondern mein Fuß wird nun frohlockend wandeln auf eigenem Grund, da die Frucht des ewigen Lebens auf selbem zur Reife gediehen ist.
[1.65.9] O Kinder, mir ist überaus wohl zumute, und dir, mein Henoch, sei mein ewiger Segen dafür!
[1.65.10] Kinder, hat jemand noch einen Zweifel, so behalte er ihn für meine Hütte auf den Nachmittag; und so lasst nun die Kinder zusammentreten, auf dass ich sie segne und ihnen sage, dass sie sich morgen wie allzeit vor dem Aufgang einfinden möchten am geheiligten Ort des Opferbrandes! Amen.“
[1.65.11] Und siehe, als nun der Adam diese seine Lob-, Schmäh-, Dank-, Preis-, Abschieds- und Anordnungsrede vollendet hatte, da vollzogen seine Kinder alsobald seinen Willen. Da eilten alle Kinder jubelnd herbei, wurden dann gesegnet vom Adam und sodann feierlichst geladen, zu kommen am Sabbat zur rechten Zeit. Nach dem wurden die Kinder im Frieden und unter Meinem Lob wieder entlassen.
[1.65.12] Danach aber sagte Adam: „Nun denn, meine Kinder, lasst uns gen Mittag ziehen und tun alldort dasselbe, was wir hier taten!
[1.65.13] Der Herr sei mit dir, Henoch, und mit uns allen und Asmahael und mit allen unseren hier und überall wohnenden Kindern!
[1.65.14] Der Herr führe uns und bereite aller Kinder Herzen auf unsere segnende Ankunft und Seine große Erbarmung und Gnade, dass sie morgen mit wohlbereitetem und verständigem Herzen erscheinen möchten zur Verherrlichung Seines Namens und zur Belebung ihrer Seele und Erweckung ihres noch schlafenden Geistes!
[1.65.15] Und nun lasst uns wandeln frohen Mutes gen Mittag! Henoch und Asmahael seien meine Führer, und die übrigen folgen mir nach der vorigen Ordnung. Doch, da die Sonne ihre Strahlen schon stark angespannt hat, so lasst uns einen schattigen Waldweg ziehen, auf dass unsere Glieder nicht ermatten vor der Zeit der bestimmten Ruhe nach der treu getanen Pflicht; auf dem Weg aber soll jeder schweigsam wandeln und wohl achten, wohin er seine Füße setzt, auf dass er nicht Schaden leiden möchte in seiner Geradheit.
[1.65.16] O Herr, Du bester, heiligster Vater, ziehe Dein mildes Auge nicht weg von uns allen! Amen.“
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