[1.49.1] Und als der Henoch solches geredet hatte, da frohlockte Adam, und die Eva hatte große Freude. Und es sprach zum Beschluss der Adam: „Amen, der Herr, unser aller heiligster Vater, sei mit uns allen, und so begeben wir uns zur Ruhe, und diese Ruhe sei mit allen unseren Kindern! Amen.“
[1.49.2] Und so legten sich diese drei Menschen zur Ruhe und schliefen wohl bis an den heiteren Morgen, da ein frischer Wind gar munter stärkend sie erweckte. Die Zeit des Niederlegens war nach eurer Rechnung die neunte Stunde und die Zeit des Aufstehens, ebenso gerechnet, die dritte Stunde morgens. Und als sie nun so gestärkt vollends auf ihren Beinen sich befanden, da verrichtete ein jeder ein stilles Herzensopfer, und nach solch heimlicher Verrichtung aber erhob sich alsbald Adam und sprach folgendes Gebetlein im Angesichte Henochs und der Eva:
[1.49.3] „O großer, liebevollster, heiligster Vater, in Deinem allerheiligsten Namen, der da ist voll Macht, Kraft und aller Herrlichkeit, habe ich in Deinem Angesichte wieder einen neuen Tag erlebt. O Herr, lasse diesen ganzen Tag über mich so denken und handeln, dass der späte Nachruf der Abendröte mir sanft tönend zuwehen wird: Adam, frohlocke; denn dein Auge hast du nicht abgewandt vom Angesichte Jehovas und deine Füße nicht aus dem Geleise der Wege der ewigen Liebe, und wie da ging die Sonne still erleuchtend und erwärmend durch das Firmament, so folgte dein Herz dem stillen Wehen des ewigen Geistes!
[1.49.4] O Vater, der Du nie noch Dein Aug’ und Ohr von mir abgewandt hast, wende es auch heute und in alle Ewigkeit nimmer weg von mir!
[1.49.5] O Herr, da ich heute wandeln werde, da zermalme Deine Liebe jeglichen Stein auf dem Wege meiner Wanderschaft, auf dass meine Füße nicht darüber gleiten möchten, mir zum Falle, oder mir ein Stein durch einen harten Anstoß gar meinen Tritt verletze und dann mich hindere, Deine Wege mit geraden Gliedern ferner zu verfolgen!
[1.49.6] O Herr, zähle am Morgen meine Haare, und lasse nicht zu, dass am Abend eines fehle, und so auch jeden Schweißtropfen, auf dass am Abend keiner unrein befunden werden möchte!
[1.49.7] O Herr, segne und stärke mich Schwachen, auf dass ich, kräftig aus Dir, da könnte heute und fortan, solange es Dir gefallen wird, meine Kinder, die Du mir gegeben hast, in Deinem allerheiligsten Namen segnen!
[1.49.8] O heiligster Vater, erhöre meine schwache Bitte im Namen aller Deiner Kinder und aller Kreatur! Amen.“
[1.49.9] Und als Adam solches aufrichtige Gebetlein vollendet hatte, siehe, da wandte er sich zu dem noch stille betenden Henoch, sagend: „Henoch, siehe, ich habe nun laut vor Gott und vor dir gebetet, und ich habe eine große Kraft erlangt, dass ich euch alle würdig und wirksam zu segnen vermöchte; somit falle auf dich mein erster Segen! Und da du nun gesegnet bist, so stehe auf und verrichte auch du dein Gebet vor Gott und vor mir laut, damit ich und deine Mutter uns würdigst und überaus fromm erbauen möchten an deinem sanften Morgenrot in deinem liebeerfüllten Herzen. Du hast vernommen mein Gebet, in welchem ich mein menschliches und väterliches Anliegen treulich dem Herrn vortrug aus der innersten Tiefe meines Herzens; da du aber nicht beten kannst als ein Vater, sondern als ein Sohn, so lasse laut werden die Stimme der kindlichen Liebe deines Herzens! Amen.“
[1.49.10] Und als der liebefromme Henoch solchen Wunsch Adams vernommen hatte, da stand er alsogleich auf, dankte inbrünstig Mir und dem Adam für den empfangenen Segen und begann endlich, dem Wunsch Adams zufolge, folgendes Gebetlein an Mich zu richten, sagend:
[1.49.11] „O großer Gott, o heiligster Vater, Du ewige Liebe voll der unermesslichsten Erbarmung und voll der heiligsten Gnade! Obschon ich wohl weiß, dass Du nur des Wortes im Herzen achtest und nicht hörst auf den Ton der Zunge und nicht ansiehst den Hauch der Lunge und missachtest jede Gebärde des Fleisches, so will ich aber dem frommen Wunsch Deines Sohnes Adam nach meine Zunge anstimmen zu Deinem Lob.
[1.49.12] O Du heiligster Vater, siehe, als ein schwaches Kind streckte ich gestern meine müden Glieder auf das gesegnete, weiche Lager und ruhte daselbst zur Kraft Deiner Milde bis an den heutigen heiligen Morgen Deiner unendlichen Gnade und stand so voll und überfüllt von Deinen Erbarmungen auf!
[1.49.13] Wer vermag zu ergründen die Größe Deiner unendlichen Liebestaten an mir? O dass ich nur den unendlich kleinsten Teil davon zu begreifen vermöchte!
[1.49.14] Was ist der Mensch gegen Dich, dass Du seiner gedenkst, o Du, vor dessen leisestem Hauch Ewigkeiten fliehen wie leichte Schneeflocken vor dem heftigsten Sturm!
[1.49.15] Wie groß, wie unendlich groß muss Deine Liebe sein, dass der schwache Mensch noch bestehen mag vor Dir, da er doch ist voll Undankbarkeit in aller seiner vermeintlichen Liebe und Demut vor Dir, da er doch ewig nie wissen kann und wird, ein wie großer Schuldner er gegen Dich ist, und ebenso auch nie ganz ermessen wird können seine endlose Niedrigkeit vor Dir!
[1.49.16] O heiligster Vater, siehe daher gnädig herab von Deiner unendlichen Höhe, Macht und Stärke auf mich ebenso unendlich Schwachen, und nimm gnädigst auf meine höchst unvollkommene Liebe zu Dir; denn siehe, hätte ich auch die vollste Liebe aller meiner Brüder und Väter in mir, was wäre selbst dann meine Liebe?
[1.49.17] Weltenalle sind ja nur ein Tautropfen vor Dir! Oh, so sei denn diese meine schwache, unvollkommene Liebe zu Dir alles, was ich dankbar gegen Dich vermag; o stärke mich darinnen mehr und mehr nach Deiner Barmherzigkeit! Amen, amen, amen.“
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