[1.26.1] Und nun wende dich auf eine kurze Zeit gen Hanoch zurück, und Ich will euch da noch im Vorübergehen zeigen, wie es da ausgesehen hat nur erst nach einem Zeitlauf von dreißig Jahren.
[1.26.2] Und siehe, Hanoch hatte sich nun auch das allerschönste Weib ausgesucht und noch dazu zwei Kebsweiber und trieb mit ihnen Unzucht über die Maßen. Dadurch verfinsterte sich sein Verstand so sehr, dass er ganz und gar vergaß auf seine ganze Regierung; und die wenigen Gedanken, die zu denken er kaum noch fähig war, waren nur beschäftigt mit Wohlleben, Glanz, weichen Kleidern und Hurerei.
[1.26.3] Wenn ihm seine Untertanen nur recht viele und gute Gerichte von Früchten aller Art brachten und recht viel Geflimmer vor seine Wohnung und recht weiche Kleider, geflochten aus dem feinsten Gras, das da wuchs am Fuße der Berge, so war er damit auch schon vollends zufrieden und ließ dabei die Gesetze Gesetze und die Regierung Regierung sein.
[1.26.4] Und siehe, da merkten seine Untertanen, dass er lau geworden war, und machten sich zugute seine Blindheit. Da merkten es auch seine Diener, wie die Sachen standen, und waren sehr pfiffig und schlau, wie die Schlange selbst, und suchten daher ihren Herrn auf alle mögliche Weise beständig einzuschläfern und erlaubten auch lügnerischerweise – gleichsam im nachsichtigen Aufgebot vom Fürsten – den Untertanen alle nur möglichen Belustigungen, wenn sie ihnen nur recht fleißig ihre stets vermehrten Gaben lieferten.
[1.26.5] Und siehe, da diese Diener nun sahen, dass sie ungestraft tun könnten, was sie wollten, da fingen sie an zu regieren und gaben den Untertanen Gesetze, fürs Erste, dem Fürsten zu erweisen eine göttliche Verehrung durch allerlei Opferungen, und fürs Zweite zugunsten zu geben die schönste Tochter irgendeines Untertanen; und welcher Untertan dieser Glückliche geehrt sein werde, dem würden erlassen alle Abgaben, und er werde ein freier Besitzer seines Hauses werden und werde Eintritt haben in das Haus des Fürsten und werde sich da können unterhalten mit dessen Dienern und werde alle Jahre einmal anschauen können seinen Fürsten und ihm danken für eine so große, auszeichnende Gnade.
[1.26.6] Und siehe, da hatte die Schlange einen wahren Geniestreich, wie ihr sagt, ausgeführt. Denn nun fingen die Eltern an, ihre Töchter immer zu Hause zu behalten, und verwendeten alle Aufmerksamkeit darauf, dass diese nur recht zart und schön wurden, um sich dadurch einst vielleicht auch einen Freiheitsstand zu bereiten. Und eine solche Schöne sah dann keinen Gemeinen mehr an, da sie sich bestimmt fühlte für den Fürsten.
[1.26.7] Was geschah nun aber durch diese gegenseitigen Betrügereien? Nichts anderes als das Allerärgste, was ihr euch nur je durch eure tiefsten Gedanken vorzustellen vermögt, nämlich: Die Diener brachten endlich die ganze Regierung an sich unter dem schlauen Vorwand, dass sie nämlich dem Fürsten Hanoch sehr gut gezüngelt begreiflich machten, dass er nun nicht mehr Fürst, sondern ein Gott des Volkes sei, und dass es entwürdigend wäre für seine unendliche Hoheit und unaussprechliche Erhabenheit, als welche seine nun göttliche sei, den Würmern der Erde Gesetze zu geben, und wollten aus der unermesslichen Hochachtung für seine über alles erhabene Heiligkeit dieses entwürdigende Geschäft auf sich nehmen; und so solle er nichts tun, als nur bloß mit einem Wink entweder sein Wohl- oder Missfallen äußern und die Schätze, die sie sammeln würden in großen Mengen für ihn, allerhuldreichst und allergnädigst annehmen.
[1.26.8] Übrigens möchte er sich dem Volk nur einmal zeigen im Jahr, wo dann alles niederfallen werde vor ihm und werde ihn anbeten im Staub; und so er dann aber jemandem von den bestaubten Würmern eine besondere Gnade bezeigen wolle, so möchte das von ihm durch einen starken Tritt auf den Kopf eines Wurmes geschehen mit seinem heiligen Fuß.
[1.26.9] Und so jemandem diese hohe Gnade zuteil werden möchte etwa der Opferung einer schönen und reizenden Dirne halber, so solle dieser aufgehoben werden alsobald von der Erde und schauen die göttliche Erhabenheit des Herrn aller Macht und Kraft und soll dann werden ein freier Bürger der heiligen Stadt des erhabenen Gottes Hanoch.
[1.26.10] Und siehe, diese feinen Reden seiner Diener schmeichelten seiner eigenliebigen Eitelkeit so sehr, dass er in alles alsogleich vollends einwilligte. O des ungeheuren Narren!
[1.26.11] Und siehe, jetzt hatten die Diener erreicht, wonach sie schon lange gestrebt hatten, nämlich die Gesetzgebung, Bestrafung und somit die sämtliche Regierung, und so entstanden jetzt statt einem zehn Fürsten, die da zwischen Menschen, ihren Brüdern, und den sonstigen Tieren auch nicht den allergeringsten Unterschied machten und sie nur in vernünftige und unvernünftige Bestien teilten. Und nur, wenn irgendein solches vernünftiges Tier zu ihrem Vorteil irgendeinen schlau-bösen Streich in eine günstige Ausführung gebracht hatte, dann wurde ihm das Recht erteilt, sich auch Mensch nennen zu dürfen.
[1.26.12] Und als diese zehn Fürsten sahen, wie ihren Gesetzen blindlings gehorchten – natürlich aus zu großer Furcht vor den unendlichen Misshandlungen – die Tiermenschen, so wählte nach und nach jeder von ihnen ebenfalls zehn Diener aus den freien Bürgern der Stadt und erhob sie in einen gewissen Adelsstand samt ihren Weibern und Kindern. Dafür aber mussten freilich ihre Töchter, so sie ihnen schön und reizend genug waren, ihnen zu Huren gegeben werden, mit denen sie Kinder zu hundert und tausend zeugten, welche alle dann den Tiermenschen zur Ernährung übergeben wurden; und so sie erwachsen waren, so wurden die männlichen ebenfalls zu Tiermenschen, die weiblichen, so sie durch die List der Schlange meistens sehr schön und reizend wurden, aber wurden gemacht ebenfalls wieder zu Huren und oft schon beschlafen in ihrem zwölften Jahr und wurden dadurch unfruchtbar gemacht. Und so sie dann nach kurzer Zeit alle ihre Reize verloren hatten, so wurden sie hinausgestoßen zu den Tieren und mussten arbeiten für dieselben und wurden genannt ‚Huhorä‘, das heißt nach eurer Art ‚Menschen, die das Vieh warten‘.
[1.26.13] Und siehe, so ging dann diese Lebensweise mehr denn dreißig Jahre fort. Dann aber, da die Menschen auf diese unzüchtige Weise sich vermehrt hatten bis auf mehrere Hunderttausende und sich ausgebreitet hatten weit und breit im Land und somit nicht mehr übersehen werden konnten, so wurden mit der argwohnlosen Einwilligung Hanochs, ihres nun gänzlich kraft- und tatlosen Gottes, noch zehn Städte erbaut und wurden benannt nach den Namen der zehn Fürsten, die da hießen:
[1.26.14] Kad (der Dieb), Kahrak (der Hurenmeister), Nohad (der Betrüger), Huid (der Böse), Hlad (der Kalte), Uvrak (Same der Schlange), Farak (der Grausame), Molakim (der Lügner), Uvrahim (der feine Schmeichler) und Thahirak (der große Frevler).
[1.26.15] Und nun siehe, jede dieser Städte wurde erbaut genau nach dem Muster der Stadt Hanoch; und so ward auch in jeder Mitte errichtet eine hohe Burg gleich der hohen Wohnung Hanochs und ward umgeben mit einem Wall und Graben. Und denke, da die Menschen damals noch keine Werkzeuge, als: Krampen, Spaten, Hauen und Picken, hatten, so mussten sie daher ihre Hände gebrauchen und mit ihren Fingern die Erde gleich den Schermäusen aufwühlen.
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