[1.21.1] Und siehe, da wurde Kahin beruhigt in seiner großen Furcht. Die Wolke verschwand, und er weinte Tränen der Reue und ging und suchte Nahrung für die Seinen und dachte nach, wie weit er sich entfernt hatte vom Paradies, und wie er nun so gänzlich verloren hatte die Liebe des Herrn und nun hinausgestoßen war in die harte Gerechtigkeit, stehend an der Schwelle des Gerichtes aus Gott. Und da er so dachte, da vermehrten sich seine Reuetränen, und es wurde ihm immer einleuchtender, wie so gar sehr groß seine Schuld vor Gott doch sein müsse, und er dachte auch, ob es denn doch wohl noch irgend möglich wäre, je nur zu dem allergeringsten Teil der Liebe zu gelangen.
[1.21.2] Und so dachte er hin und her und auf und ab. Und siehe, da gelangte er so in diesen Gedanken an einen reichlich fruchtbeladenen Brombeerstrauch mit den Seinen; und da es alle gewaltig hungerte nach einer Speise, so wollten sie alsogleich herfallen über denselben und nach Hunger, Lust und Übermaß [davon genießen].
[1.21.3] Aber siehe, da fasste der Kahin einen rechten Gedanken und sagte zu den Seinen: „O mein Weib und meine Kinder, zieht schnell zurück eure Hände, die ihr schon vorschnell ausgestreckt habt nach dieser reichen Kost; denn noch wissen wir nicht, ob sie Leben oder Tod enthält! Und lasst uns daher vorher niederfallen auf die Erde und bekennen vor Gott unsere große Schuld, und lasst uns Ihn bitten im Staube unserer Ohnmacht, dass Er gnädig möchte segnen zuvor diese Frucht; und so Er das vielleicht doch tun wird aus Seiner übergroßen Erbarmung heraus, dann erst müssen wir Unwürdige ihm danken zuvor, und dann erst können wir mit Furcht und Zittern uns mäßig sättigen daran.“
[1.21.4] Und siehe, da traten alle einige Schritte zurück vom Strauch und taten nach dem Willen und nach der rechten Einsicht Kahins, der da laut allen vorbetete und weinend sagte: „O Du allergerechtester, großer, heiliger Gott, sehe gnädig auf uns Würmer im Staube der Ohnmacht vor Dir, Du Allmächtiger, die es nicht wagen, ihre Augen in ihrer allergrößten Schuld emporzurichten zu Deiner unaussprechlichen Heiligkeit! O gedenke unserer Schwachheit, und lasse nicht zugrunde gehen uns arme, reuige, große Sünder!
[1.21.5] Sieh, dieser Strauch vor uns scheint eine gute Frucht zu tragen als eine Speise für uns Sünder; aber wir getrauen uns nicht zu essen davon, da wir blind geworden sind durch unsere große Bosheit und daher nicht mehr sehen können, ob der Tod oder das Leben innen ist.
[1.21.6] Daher wolle gnädig anzeigen uns, wessen Geistes diese Frucht ist, damit wir Dich erst dann recht bitten können, dass Du, o Übergerechter, das Gift der Schlange ihr nehmen mögest und nur einen kleinen Tautropfen Deines Segens dann mögest fallen lassen, damit wir nicht verderben. O Herr, Du Gerechter, Du Heiliger, erhöre, erhöre, erhöre unsere schwache Bitte!“
[1.21.7] Und siehe, da kam geflogen eine glührote Wolke von den Bergen ins Tal über den Strauch; und aus derselben schlug ein heftiger Blitz mit starkem Gekrache in den Strauch. Und siehe, eine große Schlange floh zischend aus demselben hervor und nahm mit offenem Rachen die Richtung gegen Kahin; er aber erschrak über die Maßen vor derselben. Aber siehe, die Blitze ließen ihr keine Ruhe und trieben sie in aller Schnelle in den heißen Sand der weiten Wüste; und als sie vollends verschwand aus dem Gesichte Kahins, da wandte er sein Gesicht wieder zum Strauch und dankte Gott in der Stille für diese so gnädige Errettung aus der größten aller Gefahren.
[1.21.8] Und siehe, da sah er auch, wie aus dieser Feuerwolke anfingen große Tropfen zu fallen über den Strauch, so dass ringsumher weit und breit die Erde befeuchtet wurde.
[1.21.9] Und Kahin sah mit den Seinigen die große Freigebigkeit des Herrn und fiel abermals nieder mit all den Seinigen und dankte Gott in aller Inbrunst seines Herzens für so große Wohltaten und sagte, in Tränen zerfließend: „O Herr, Deine Gerechtigkeit ist groß und unbegreiflich, – aber wie groß muss erst Deine Liebe sein, da Du noch vermagst, des größten Sünders zu gedenken mit so großen Wohltaten aus Dir, o Du ewige Liebe! Wie groß muss doch die Bosheit sein, die Dich je verkennen mochte!“
[1.21.10] Und siehe, da ließ sich aus dieser noch segentriefenden Wolke eine Stimme hören und sprach vernehmliche Worte, die da lauteten: „Höre du, Kahin! Ich habe Meine Gerechtigkeit verwandelt in Liebe; jedoch aber wird die Liebe sein nur bei denen, die sie da werden suchen künftig nicht nur in der Not und Bedrängnis, sondern in ihrer Fröhlichkeit und in ihrer Freiheit.
[1.21.11] Siehe, Ich will dir einen Termin setzen auf zweitausend Jahre, und es soll in dieser Zeit keinen treffen je Meine Gerechtigkeit; und aus dieser Meiner Gerechtigkeit will Ich ein großes Gefäß bereiten und es setzen über die Sterne – und will aus Meiner Liebe ein zweites Gefäß bereiten und es setzen unter die Erde. Und so könnt ihr tun, wie ihr wollt: Werdet ihr Böses tun, so werden eure Taten füllen das Gefäß der Gerechtigkeit, und da es wird voll geworden sein, so wird es bersten an allen Orten und wird lassen herniederstürzen die ganze Schwere über alle Täter des Übels und wird sie töten allesamt; und das Gefäß der Liebe aber, so es leer bleiben wird unter der Erde, wird aufnehmen die Toten zur langen, reinigenden Qual. Und da werden, die da sich werden reinigen lassen, versetzt werden in die Gestirne zu langen Kämpfen; und die aber da werden sich erhärten aus ihrer inneren Bosheit heraus, die werden dereinst geworfen werden unter den Boden dieses Gefäßes, da sein wird ewiges Heulen und ewiges Geklaffe der Zähne im Zorn Gottes.
[1.21.12] Und nun tretet hinzu zum vom Segen befeuchteten Strauch, und esst davon zur Stillung eures Hungers, und bedenkt dabei allzeit, von wem diese Gabe ist.
[1.21.13] Und breitet euch aus im Land der Tiefe; aber auf die Berge wage keiner von euch je zu setzen seinen Fuß, denn ihre Zinnen sind heilig und sind bestimmt zur Wohnung für Meine Kinder. Wer von euch je dieses Gebot übertreten wird, der wird den allzeit da wohnenden Wächtertieren – als Bären, Wölfen, Hyänen, Löwen, Tigern und auch großen, lebenden Schlangen, die zuunterst hausen werden – zur Beute werden, desgleichen auch alle zahmen Tiere, die euch später werden untertan werden.
[1.21.14] Nur so jemand von euch würde ganz fromm werden und bestehen die Feuerprobe Meiner Liebe, dem solle gestattet werden, einzudringen in den Bauch der Berge und da zu sammeln Erz und Eisen und daraus zu bereiten Werkzeuge nach dem, wie euch lehren werden eure Bedürfnisse.
[1.21.15] Und nun esset, befruchtet und mehret euch männlich und weiblich, und wehret ab dem Samen der Schlange durch eure gerechte Furcht vor Mir, der Ich bin Gott, der Ewige, Gerechte und Heilige, amen!“
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