Am 3. Januar 1842
[1.184.1] Nach dieser endlos liebreichsten Versicherung von Seiten Abedams an die Ghemela, wodurch auch ein großer Mut in sie zurückkehrte, wurde sie vollends beruhigt in ihrem Herzen. Ihre Brust atmete wieder ganz frei, und sie machte nun alsbald von ihrem Wunsch Gebrauch und gab aus ihrem Herzen folgende Frage, welche auch in die Reihe ihrer seltenen, artig raren Fragen gehört. Diese zweite rare Frage aber lautete also:
[1.184.2] „Allerliebevollster, mein alleinig geliebtester, über alles heiliger, allmächtiger Jehova! Da Du Dich schon so unaussprechlich tief zu uns armen Sündern und Sünderinnen also gnädig herabgelassen hast und mir zu fragen erlaubt hast, wäre es Dir wohlgefällig, meiner Torheit darin aufzuhelfen?
[1.184.3] Siehe, hundert und tausend Male habe ich das Wort ‚ewig‘ und ‚Ewigkeit‘ gehört und selbst nicht minder oft ausgesprochen; aber, gewiss und wahr, noch nie habe ich es verstanden!
[1.184.4] O Jehova, so Dein heiliger Wille es wäre, – ich möchte solches wohl gar gerne erfahren!“
[1.184.5] Und der Abedam aber erwiderte ihr alsbald, ihrer Frage genügend und für alle fasslich, indem Er sagte:
[1.184.6] „Höre, Meine geliebte Ghemela, was eigentlich von Mir aus die Ewigkeit ist, solches könntest du wohl nie begreifen und bleiben zugleich am Leben. Daher wäre es unmöglich, dir die Ewigkeit von Mir aus vollends erschaulich zu machen; aber was du und alle zu fassen vermögen, da ist die Ewigkeit für den Geist das, was die Zeit ist für den Leib, nur mit dem alleinigen Unterschied, dass die Zeit um sich her alles verzehrt und vergehen macht, während die Ewigkeit auch nicht ein Atom vergehen lässt.
[1.184.7] Diese Zeit besteht und entsteht aus der beständigen Bewegung aller körperlich geschaffenen Dinge; denn würden sich diese nicht bewegen, so möchten sie mit der Zeit alle übereinander her zusammenfallen, Sonnen und Erden und Monde und alle lebenden Wesen durcheinander zu einem endlos chaotischen Klumpen, welcher sich endlich durch den endlos starken Aufeinanderdruck gar bald durch und durch entzünden und so auch dann sich selbst verzehren und am Ende gänzlich vernichten möchte.
[1.184.8] Da sich aber der Erhaltung wegen vom Größten bis zum Kleinsten alles in wohl abgemessenen, gerechten Entfernungen bewegen muss und selbst jene Teile an einem zusammenhängenden Körper wenigstens einen beständigen Bewegungstrieb in sich haben müssen, vermöge welchem sie sich bei einem aufgehobenen Hindernis alsbald zu bewegen anfangen können, so bewirken die beständigen, unter denselben Gesetzen stets zurückkehrenden Bewegungen und gegenseitig ordnungsmäßigen Begegnungen die Zeitläufe, die sich zählen lassen. Und was diese Beständigkeit in der Bewegung bewirkt, nämlich die Abnützung der sich auf dem Wege der Bewegung berührenden Teile und dadurch das entweder langsame oder schnellere Vergehen der Dinge, ist die alles verzehrende Zeit. Darum denn alles Zeitliche auch vergänglich ist, da die Dinge vergehen, und wieder andere an ihre Stelle treten, und es ist sodann das Maß der Zeit nach dem Verschwinden und Wiederkehren der Dinge bestimmt.
[1.184.9] Allein bei der Ewigkeit ist schnurgerade das Gegenteil [der Fall]! Da ist jede Bewegung nur scheinbar; im Grunde aber herrscht die vollkommenste Ruhe in allen Dingen.
[1.184.10] In der Zeit scheinen die Dinge zu ruhen, und doch bewegt sich sogar der härteste Stein in allen seinen zahllosen Teilen, und es ist nichts, das da irgend hätte eine Ruhe.
[1.184.11] In der Ewigkeit ist wieder der ganz umgekehrte Fall! Dort scheint sich alles beständig zu bewegen; aber dessen ungeachtet ist doch alles in der allerungestörtesten Ruhe von Mir aus.
[1.184.12] Damit du aber solches recht anschaulich verstehst, so will Ich dir ein sicheres und treues Beispiel geben:
[1.184.13] Siehe, so du von hier zu jenem fernen Feuerberg hinziehen möchtest, da müsstest du dich alsbald auf die Füße machen und mühsam Schritt um Schritt vorwärtsschreiten, um vielleicht in zwei bis drei Tagen dahin zu gelangen.
[1.184.14] In der Ewigkeit aber kann sich ein jeder den Weg ersparen, kann beständig auf einem und demselben Punkt verharren und kann allein mit seinen Gefühlsgedanken die unglaublichst weitesten Reisen machen und alles genau beim allervollsten Bewusstsein beschauen, während sich seine eigentümliche Person auch nicht um ein Haar von seiner bestimmten Stelle bewegt und sich somit in der beständigen, allersüßesten Ruhe befindet, – das heißt von Mir aus betrachtet.
[1.184.15] Siehe, also stelle dir die Sache vor, als schliefst du auf einem sanften, weichen Lager und hättest in deinem süßen Schlaf die schönsten Träume, dass du hin und her liefest und möchtest springen und tanzen vor Freude und möchtest auch noch dazu machen eine weite und schnelle Lustreise.
[1.184.16] Siehe und verstehe, bei aller dieser Bewegung im Traum aber könnte doch auch nicht die allergeringste ortsveränderliche Bewegung verspürt werden an deiner Person.
[1.184.17] Also ist auch nun im für dich noch jetzt unbegreiflich vollkommeneren Zustand auch die Ewigkeit geartet. Denn siehe, wie aber in und durch die Bewegung bewirkt wird die Zeit, die Zerstörung, die Vergänglichkeit und endlich der Tod aller Dinge, also wird durch die Ruhe bewirkt die ewige Erhaltung, Unvergänglichkeit und das unaufhörliche, ewige, allervollkommenste, Mir vollends ähnliche Leben aller Mir in der Liebe und ihrem lebendigen Geist vollends ähnlichen Wesen.
[1.184.18] Wie aber Ich auch keine Reise zu machen brauche, um von einer Unendlichkeit zur anderen zu gelangen, also werden auch Meine Geliebten es mit Mir nicht nötig haben, um alle endlosen Wunder beschauen zu können, darum persönlich sich überall hinzubegeben; sondern sie werden alle Mir gleich in aller ewigen Ruhe das wahre, ewige Leben genießen, obschon sie dieser Ruhe sich nie bewusst werden, sondern dafür nur einer ewigen, allerseligsten Regsamkeit, welche aber eben durch diese eigentliche geistig-persönliche Ruhe unzerstörbar, also ewig dauernd unterhalten wird.
[1.184.19] Siehe also, Meine geliebte Ghemela, das ist die Ewigkeit, und solches ist der Unterschied zwischen ihr und der tötenden Zeit!
[1.184.20] Was die Dauer betrifft, so ist dies mit der Dauer der Zeit gleichlaufend. Daher kann es ebenso gut Ewigkeiten wie Zeiten geben; nur wird die Dauer der Ewigkeit nicht empfunden wie die der Zeit, weil die Zeit das Vergangene nie mehr wiederbringt, die Ewigkeit aber selbst die für dich undenkbarste Vergangenheit als eine allerhellste Gegenwart beständig während erhält und hat nicht minder die Zukunft als schon gegenwärtig vor sich. Verstehst du solches?“
[1.184.21] Und die Ghemela entgegnete freundlichst lächelnd: „O Jehova, so Du es willst, und inwieweit Du es willst, verstehe ich es ja durch Deine Gnade; aber nur ganz vollends klar ist es mir noch nicht, wie man sich in der beständigen Ruhe dennoch bewegen kann. Siehe, solches möchte ich wohl noch recht gerne ganz verstehen, – so Dein heiliger Wille es wäre!“
[1.184.22] Und der Abedam sagte zu ihr: „Solches, liebe Ghemela, wirst du hier nie ganz vollkommen fassen, solange du noch einen Leib trägst, – aber einst im Geist vollkommen.
[1.184.23] Darum frage lieber nach was anderem, und Ich werde dir über alles antworten aus Meiner Liebe zu dir! Amen.“
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