Am 21. Dezember 1841
[1.177.1] Als solches die sieben vom Abedam vernommen hatten, dankten sie Ihm voll Reue und Ergebung in Seinen Willen und begaben sich dann auf ihren angewiesenen Platz.
[1.177.2] Als sie nach kurzem dort anlangten, kamen ihre Weiber und Kinder zu ihnen, das heißt ihre Söhne, welche keine Jünglinge mehr waren, sondern ebenfalls Greise von etlichen hundert Jahren, und deren Mütter.
[1.177.3] Da diese bemerkten, dass ihre sonst heiteren Väter trauerten, so fragten sie dieselben, was ihnen doch fehlen möchte, darum sie also trauerten.
[1.177.4] Und der Kisehel antwortete ihnen mit folgenden Worten, sagend nämlich: „Kinder, fragt nicht, darum wir das erste Mal gerecht trauern, sondern seht hin gen Morgen und betrachtet, wie herrlich dort nun wieder die Grotte Adams strahlt! Und doch wisst ihr alle und habt alle euer erstaunliches Leid bezeigt darum, dass ihr heute früh bei unserem Herzug an ihrer Stelle einen zerstreuten, großen Steinhaufen bemerkt habt!
[1.177.5] Wie kommt euch nun die Sache vor? Denkt in euch darüber nach!
[1.177.6] Ich sage euch, es ist Einer am Altar beim Henoch dort! Kehrt in eure Herzen, ja in Gott Jehova Zebaoth kehrt, und sucht in der Liebe eurer Herzen den heiligen Vater! Und also bereitet, zieht ehrfurchtsvoll hin zum Altar, und ihr werdet dort finden – hört! –, was ihr suchtet!
[1.177.7] Und nun verlasst uns wieder, und befolgt meinen Rat, so werdet ihr glücklich sein, ja glücklich, glücklich, unaussprechlich überglücklich!“
[1.177.8] Und alle Kinder und Weiber, als sie solches vernommen hatten, kehrten zurück auf ihren vorigen Platz und getrauten sich die so herrlich strahlende Grotte vor übergroßer Ehrfurcht nicht anzublicken, sondern alle warfen sich auf ihr Angesicht nieder und lobten und priesen die große Güte, Macht und Herrlichkeit Gottes. Und ihre Herzen wurden voller und voller von der Liebe zu Jehova.
[1.177.9] Der Kisehel aber wandte sich zu seinen Brüdern, sagend folgendes zu ihnen: „Brüder, wie ist euch denn ums Herz, was fühlt ihr?
[1.177.10] Seht, ich möchte schier zerspringen vor Liebe! Es zieht mich übermächtig hin zum Altar! Wahrlich, wäre ich nicht gar so vermessentlich tief gefallen, so könnte mich kein Feuer abhalten! Mitten durch himmelan lodernde Flammen möchte ich dringen zu Ihm, ach zu Ihm, zu Ihm!
[1.177.11] Aber meine Schuld, meine größte Schuld vor Ihm, dem Allerheiligsten, hält lahm meine Füße! Meine Seele bebt, und da ich stehe, wankt die Erde, und ich vermag noch nicht zu Ihm, zu Ihm!
[1.177.12] Den ich nun über alles liebe, Den fürchte ich nun auch über alles! Ich fürchte nicht Seine unendliche Macht, die mich ewig verderben kann, auch nicht Seinen Zorn, der mich auf ewig vernichten kann, und nicht Seinen Grimm, der mich auf ewig verfluchen und töten kann, sondern ich fürchte, Ihn zu wenig zu lieben!
[1.177.13] O warum bin ich denn nicht ganz Liebe? Warum sind meine Knochen nicht Liebe? Warum nicht mein ganzer Leib?
[1.177.14] Ja, Brüder, das Feuer des Herzens soll mir eher alle Knochen durchdringen, verzehren in Liebe den ganzen Leib, eher kann ich mich Ihm nicht nähern und ihr alle nicht! Der Gerechte ist rein, da er die Sünde nicht kennt, darum, da er sie schon geflohen hatte von der Mutterbrust her; wir aber taten uns so lange gütlich in der Sünde, dass sie uns am Ende schon vorkam, als wäre sie ein blankes Recht vor Gott!
[1.177.15] Die Sünde aber hat uns dadurch auch durch und durch verhärtet, dass wir darum nicht fähig sind, uns ganz in Liebe umzugestalten; aber dennoch muss es geschehen, und das neu vom Herzen aus!
[1.177.16] Die Flamme der Liebe in unserem Herzen muss so heftig werden, dass sie unseren sündhaften Leib verzehren wird und aus der Asche des verzehrten Leibes ein neuer Leib, ganz durchaus liebefähig, erstehen wird, mit welchem Leib angetan wir uns erst Ihm nähern können!
[1.177.17] Ja, Brüder, eher könnte ich mich Ihm unmöglich nahen; denn aus allen Sündenfreveln halte ich nun den für den größten, Ihn – den heiligsten, liebevollsten Vater, den ewigen, unendlichen Gott! – zu wenig zu lieben und in einer so unvollkommensten Liebe sich Ihm nahen!
[1.177.18] O Brüder, versteht es wohl; denn ihr habt es mit mir empfunden, was das sagen will: sich unwürdig Ihm nahen!
[1.177.19] Darum beachtet wohl diese Worte! Wahrlich, Ewigkeiten werden diesen schrecklichen Eindruck nie aus meinem Geist verwischen, als ich dastand, ein Sünder vor Gott!
[1.177.20] O Brüder, bedenkt es! Bedenke es, du ganze Erde! Denn Gott ist es, den du nun trägst!
[1.177.21] Meine matte Zunge stammelt, die Erde bebt, die Sonnen donnern, nie erfassend ganz den Gott! Ein Gott ist es, ein heiliger Vater, den ihr preist!
[1.177.22] O wie heilig bist du nun, o Erde, da deines allmächtigen Schöpfers Fuß dich berührt!
[1.177.23] Wie heilig nun auch du, schöner Glanz der Sonne! O Sonne, achte, achte samt meiner Nichtigkeit darauf, wer Der ist, der Sich heute von dir bescheinen lässt!
[1.177.24] O Vater, Du heiliger Vater! Du kamst zu uns, zu uns unwürdigen Sündern, nicht Kindern, wie wir uns oft genug frevelnd Deine Kinder nannten!
[1.177.25] Wer kann Deine unendliche Erbarmung fassen, wer die Größe Deiner Liebe?!
[1.177.26] O helft mir Ihn loben und preisen, Ihn, der zu uns Sündern kam, ihr alle meine Brüder, ihr Kinder alle, du Erde, du Sonne, und du, mein ganzer sündiger, harter Leib! Helft mir Ihn loben, ihr Geschöpfe alle und ihr Engel alle; denn Er allein ist gut, Er allein ist heilig und Er allein voll der allerhöchsten Liebe, Macht und Kraft!
[1.177.27] Ihm allein gebührt alle Ehre, alles Lob, alle unsere Liebe jetzt und ewig! Amen.“
[1.177.28] Nach diesen Worten verstummte er und fiel weinend zur Erde nieder, – desgleichen auch alle seine Brüder.
[1.177.29] Abedam aber sagte zum Henoch: „Siehe, so wie der hat Mich noch keiner gefunden! Er hat zwar gesündigt in seiner Blindheit; da er Mich aber erkannt hatte, ist er größer geworden denn alle, die hier sind! Denn siehe, er hält sich für den Allergeringsten und Allerunwürdigsten! Darum lasst uns zu ihm und seinen Brüdern ziehen und ihnen aufhelfen! Wahrlich, Kisehel hat Mir heute das herrlichste Opferfeuer angezündet; denn er hat sich selbst ganz vom Feuer seiner Liebe verzehren lassen, darum er wollte ganz zu Liebe werden. Und Ich sage euch, er ist es geworden!
[1.177.30] Darum gehen wir hin zu ihm und richten ihn auf! Was ihr da sehen und hören werdet, ist euch noch in keinen Sinn gekommen. Und so lasst uns gehen! Amen.“
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