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7. Der himmlische Palast. Der zweifache Judas Iskariot – der Mensch und der Satan. Die Abendmahlstafel

(Am 8. Mai 1843 von 5 – 7 Uhr nachmittags.)

[2.7.1] Nun seht da gerade vor uns eine breite, glänzende Treppe, welche mit lauter wie von durchsichtigem Gold angefertigten Geländern versehen ist; also diese Treppe führt hinauf in die mittlere Herrnwohnung. Unsere Gesellschaft bewegt sich nun hinauf, begleitet von den Aposteln; also folgen auch wir ihnen nach. Hier sind wir schon am Eingangstor in den großen Herrnsaal. Der Herr öffnet die Tür, und wir alle ziehen hinein in den Saal. Seht, welche unendliche Pracht und Herrlichkeit in diesem übergroßen Herrnsaal anzutreffen ist! Der Boden ist ebenfalls wie von durchsichtigem Gold, und wenn ihr deutlich auf denselben seht, so werdet ihr aus diesem Gold allenthalben eine Schrift schimmern sehen.

[2.7.2] Was etwa wohl diese Schrift besagt? Ich sage euch: Nichts mehr und nichts weniger als alle die Taten, welche unser Prior aus seiner wahren inneren Liebe verrichtet hat. Dann seht zu beiden Seiten des großen Saales fünf rote leuchtende Säulen, welche also aussehen wie weißglühendes Erz in einer viertelstundweiten Entfernung auf der Erde betrachtet, allwo es hellrötlich aussieht, und das zwar zufolge der Dichtigkeit der Luft, durch welche so ein Strahl sich durcharbeiten muss. Nur ist natürlicherweise, wie ihr es im Geiste hier erschauen könnt, das Leuchten dieser Säulen ums Unaussprechliche stärker.

[2.7.3] Seht aber nun auch auf die Fußgestelle dieser großen Säulen, wie sie allenthalben geschmückt sind ebenfalls wieder mit einer mehr denn alle Sonnen stark leuchtenden Schrift. Lest es und ihr werdet finden, dass darauf die zehn Gebote gezeichnet sind. Betrachtet aber die Schrift noch näher, und ihr werdet in einem jeden einzelnen Buchstaben eine kleinere Schrift entdecken, aus welcher Schrift der innere Sinn der Gebote erkannt werden kann.

[2.7.4] Seht aber auch in die Höhe, und ihr werdet von einer jeden Säule einen weißglänzenden überherrlichen Bogen gegen die Mitte des hohen Plafonds strahlenförmig hin- und zusammenlaufen sehen. Auf dem Punkt, wo die Bögen sich strahlenförmig ergreifen, seht ihr eine mächtig stark leuchtende Sonne, und mitten in der Sonne werdet ihr mit hellrot flammender Schrift das endlos viel bedeutende Wort Liebe gezeichnet finden.

[2.7.5] Seht aber auch die Wände dieses Saales an, welche aus den allerkostbarsten Edelsteinen erbaut sind. Nähert euch einem Teil der Wand und betrachtet sie genau, und ihr werdet allenthalben eine Schrift entdecken, und zwar in der Mitte der Gesteine gleich kleinen Sternchen schimmernd. Und wenn ihr nur ein wenig wollt zu lesen anfangen, so werdet ihr alsbald finden, dass diese Schrift das Wort Gottes enthält, und zwar im Buchstabensinn zuerst, etwas tiefer im Stein im geistigen und noch tiefer und zumeist in der Höhe den himmlischen Sinn darstellend. Diese vier Wände enthalten nur die vier euch bekannten Evangelisten; die beiden langen Seitenwände den Matthäus und Lukas, die schmäleren Wände des Hinter- und Vordergrundes den Markus und Johannes.

[2.7.6] Ihr möchtet wohl auch wissen, ob hier nirgends auch das Alte Testament zu erblicken ist? Hier in diesem Trakt nicht; aber was ihr gewisserart bei euch „zu ebener Erde“ nennt, das ist alles gebaut aus dem Alten Testament, und was ihr bei euch auf der Erde die unsichtbare Grundfeste des Hauses nennt, das besteht aus der Urkirche der Erde.

[2.7.7] Nun aber seht auf den Vordergrund hin; allda werdet ihr eine herrliche Tafel gedeckt erschauen, ein wie gebratenes Lamm in der Mitte in einer goldenen Schüssel, einen Laib Brot daneben und einen großen Kelch voll des herrlichsten Weines.

[2.7.8] Seht, nun spricht der Herr zum Prior: Mein geliebter Sohn, siehe hier eine andere Tafel; wie kommt sie dir vor? – Der Prior spricht: O Herr, Du allerliebevollster heiliger Vater! Obschon diese endlose Herrlichkeit dieses Saales mich zu Boden drückt, so bemerke ich aber dennoch, dass diese Tafel eine überaus starke Ähnlichkeit mit derjenigen hat, welche Du auf Erden vor Deinen bitteren Leiden mit Deinen lieben Aposteln und Jüngern gehalten hast.

[2.7.9] Der Herr spricht: Mein geliebter Sohn, du hast recht gesprochen, denn also sprach Ich ja an der Tafel, dass Ich weder von dem Lamm noch von dem Wein eher etwas mehr genießen werde, als bis es im Reich Gottes, also in Meinem Reich, neu bereitet wird. Siehe, hier ist es neu bereitet! Hier wollen wir demnach dieses Mahl wieder miteinander halten und dabei nicht mehr in die Traurigkeit, sondern in die allerhöchste Freude übergehen. Daher setzt euch alle mit Mir zu dieser Tafel, und zwar in der Ordnung, wie wir auf der Erde gesessen sind.

[2.7.10] Du fragst zwar hier auch nach dem Judas, ob dieser auch bei der Tafel sein wird. Was meinst du wohl, ob sich der Verräter hierher schicken möchte? – Der Prior spricht: O Herr, Du allerliebevollster heiliger Vater! Ich weiß wohl, dass Deine Gerechtigkeit so groß ist wie Deine Liebe, Gnade und Erbarmung. Aber dessen ungeachtet, ich muss es Dir offen bekennen, würde es mir dennoch etwas hart geschehen, wenn ich diesen verlorenen Apostel im Ernst für ewig missen müsste; denn Du hast ja selbst gesagt, dass dieser eine verloren ging, damit die Schrift erfüllt werde. Dieser Text hat mich denn auch heimlich in Hinsicht dieses unglücklichen Apostels stets mit einem kleinen Trost erfüllt, denn ich sagte zu mir: Der Judas musste vielleicht, wenn schon nach seiner freien Wahl, auch so ein Dir dienendes Werkzeug sein, also ein Apostel der Toten, damit eben durch seinen Verrat Dein sicher von Ewigkeit vorbestimmter heiliger Plan in die allerheiligst herrlichste Ausführung kam! Siehe, o Herr, Du allerliebevollster heiliger Vater! Solches flößte mir dann immer eine selige Hoffnung für den armen, unglücklichen Apostel ein. Noch mehr aber ward ich allzeit dadurch beruhigt, wenn ich bedachte, wie Du am Kreuz den Vater in Dir für alle Deine Feinde um Vergebung batest; und da konnte ich denn den armen Judas trotz seines Selbstmordes nicht ausschließen. Dazu war ja auch doch offenbar an dieser seiner letzten Tat der nach der Schrift in ihn fahrende Teufel schuld. Daher also möchte ich wohl auch diesen Apostel, wenn schon nicht hier, so aber doch wenigstens irgendwo nicht im höchsten Grad unglücklich wissen.

[2.7.11] Der Herr spricht: Höre, Mein geliebter Sohn, es gibt nicht einen, sondern zwei Judas Iskariot. Der eine ist der Mensch, der mit Mir auf der Erde gelebt, und der andere ist der Satan, der in seiner damaligen Freiheit sich diesen Menschen zinspflichtig gemacht hat. Dieser zweite Judas Iskariot ist wohl noch gar vollkommenst der Grund der alleruntersten Hölle – aber nicht also der Mensch Iskariot, denn diesem ward es vergeben, und inwieweit, brauchst du dich nur umzusehen. Denn derjenige, der soeben mit deinem Bruder spricht und nun auch einen Liebeverrat begeht, indem er deinem Bruder schon im Voraus Meine große Liebe zeigt, ist eben derjenige Judas Iskariot, um den du besorgt warst. Bist du nun zufrieden mit Mir?

[2.7.12] Der Prior, vor Liebe zum Herrn beinahe vergehend, spricht: O Herr, Du allerunendlichst liebevollster, allerheiligster Vater! Wahrlich wahr, ich habe Dich wohl allzeit für allerhöchst liebevoll und endlos gut mir vorgestellt. Dessen ungeachtet aber hätte ich mir nie getraut zu denken, dass sich Deine unendliche Erbarmung, Gnade und Liebe auch bis zum Judas erstrecken sollten! Denn auf der Erde hätte ich mich mit einem solchen Gedanken sicher für grob versündigt geglaubt. Aber nun sehe ich, wie endlos weit Deine unendliche Güte, Gnade und Erbarmung alle menschlichen Vorstellungen übertreffen. O Herr, was sollte ich denn tun, wie sollte ich Dich denn lieben, dass ich doch nur einigermaßen in meinem Herzen solcher Deiner unendlichen Liebe entsprechen könnte?

[2.7.13] Der Herr umarmt den Prior, drückt ihn an Seine Brust und spricht zu ihm: Siehe, Mein geliebter Sohn, so wie du Mich jetzt liebst, gibst du Mir den größten Ersatz für Meine unendliche Liebe. Daher gehe nun aber auch mit Mir an den Tisch und iss und trink das wahre lebende Abendmahl, damit du in diesem Genuss alle die Stärkung überkommst, welche dir, einem großen Fürsten in diesem Meinem Reich, stets und ewig wachsend vonnöten ist!

[2.7.14] Seht, nun setzen sie sich alle zur Tafel und an der rechten Seite des Herrn nimmt der Prior mit seinem Weib und seinem Bruder Platz. Zur linken Seite seht ihr den Johannes, dann gleich nach ihm Petrus und dann den Paulus und so auch die anderen Apostel und Jünger.

[2.7.15] An der rechten Seite des armen Bruders des Priors sitzt der Judas und nach ihm noch einige andere, die ich euch hier noch nicht nennen will. Weiter herüber seht ihr auch unseren Joseph und neben ihm die Maria; neben der Maria die Magdalena und noch andere euch wohlbekannte weibliche Wesen. Daneben seht ihr den Lazarus, den Nikodemus und noch einige große Freunde des Herrn.

[2.7.16] Ihr fragt nun, da noch mehrere Stühle unbesetzt sind, ob sich darauf niemand setzen wird? Ja, meine lieben Freunde und Brüder, ich muss auch mich zu Tisch setzen und ihr, als noch irdische Geister, dürft nicht aus Meiner Sphäre. Daher wird nichts anderes übrigbleiben, als dass auch wir nach der geheimen Beheißung des Herrn die drei noch leer gelassenen Stühle in Beschlag nehmen, und so denn esst und trinkt dort mir und allen anderen gleich.

[2.7.17] Wenn ihr an dieser Tafel – wenn auch für eure Sinne unfühlbar – werdet gespeist haben, so wird euch ein inneres, euren Geist sättigendes Gefühl sagen, dass ihr im Geiste an dieser Tafel gespeist habt. Es wird euch daraus eine große, bedeutende Stärkung werden, welche ihr gar wohl empfinden werdet. Scheut euch aber nicht, sondern in eurer Demut und Liebe genießt das Mahl des ewigen Lebens. Und so denn folgt mir ganz beherzt und unbedenklich zur Tafel!

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