(Am 17. August 1843 von 5 1/2 – 7 1/4 Uhr nachmittags.)
[2.60.1] Nun spricht der Älteste, und wir wollen ihn hören, denn er hat sich die Sache weise überlegt, und ihr werdet euch verwundern, mit welcher tiefen Weisheit unser Mann zum Vorschein kommen wird. Seine Worte aber fangen also an zu lauten:
[2.60.2] Hoher Abgesandter dessen, der da allmächtig ist und erschaffen hat alles Licht und alle Masse der Welt! Dein Rat ist so überaus gut, triftig und allerinnerlichst weise, dass sich darüber von mir, als dem Weisesten dieses Ortes, nicht die allerleiseste Einwendung machen lässt.
[2.60.3] Wahr ist es, dass die Liebe oder der Drang im Herzen zu seinem Schöpfer alles vermag; denn wenn ich mit meinem Herzen als dem Grund meines Lebens den Schöpfer ergriffen habe, so habe ich mich auch sicher vollkommen mit Ihm verbunden und somit in eins gestellt, und da ich dadurch mit dem Grund meines Lebens auch meinen Willen vollkommen dem allmächtigen Willen des Schöpfers unterworfen habe, so ist es auch nicht anders denkbar, als dass ich fürder nur das wollen kann, was da ist der Wille des allmächtigen Gottes.
[2.60.4] Bis hierher, erhabener Gesandter, wäre alles in der vollkommensten Ordnung und lässt sich nicht im Geringsten irgendeine Einwendung machen; aber nun kommt etwas anderes. Wenn sich dieses mit dem obigen Grundsatz vereinen lässt, dann ist freilich wohl alles gewonnen; lässt sich aber solches nicht tun, so bleibt, wie bisher, die Erlangung der Kindschaft Gottes ein überaus fragliches Problem, und wir können höchstens den frommen Wunsch in uns danach tragen, aber ungeachtet dessen dennoch nie die Kindschaft Gottes überkommen. Dieser Punkt, der dem oberen Grundsatz zuwiderläuft, ist aber folgender:
[2.60.5] Mir ist es bekannt, dass alle Weltkörper samt ihren Bewohnern mit einem vollkommenen Menschen in vollkommener, unabänderlicher Korrespondenz stehen, und zwar so, dass eine Welt entspricht einem Gliedteil, eine andere wieder einem anderen; und so korrespondieren zahllose Welten mit den zahllosen Einzelheiten, aus denen ein vollkommener Mensch durch die Macht der göttlichen Weisheit geschaffen ist.
[2.60.6] Nun aber wissen wir auch, dass die Glieder und alle die Teile eines Menschen wohl zu einem und demselben Lebenszweck dienlich sind; aber die Erfahrung lehrt es nur zu augenscheinlich, dass aus dem Fuß nie eine Hand, aus der Hand nie ein Kopf, aus dem Mund kein Ohr, aus der Zunge kein Auge, aus der Nase keine Brust u. d. m. werden kann. Also hat der Mensch ein lebendiges Herz in sich, und dieses liegt wirkend in seiner Brust. Von diesem Herzen lebt zwar der ganze Leib, und es ist nicht zu behaupten, dass an und für sich irgendein Teil des Leibes zufolge der göttlichen Ordnung weniger wichtig ist als der andere; aber dessen ungeachtet hat alles Leben doch nur im Herzen seinen Grundsitz, und die Glieder des ganzen Leibes können nie das Herz ersetzen.
[2.60.7] So dasselbe unwiderlegbar wahr ist, wie möglich können dann diejenigen, wenn auch in ihrer Art vollkommenen Geschöpfe die Kindschaft Gottes überkommen, so sie in ihrer Art nicht eben auch dem Herzen des großen Gottes entsprechen, da sie nicht sind auf einer Welt, die da von Gott Selbst aus korrespondierend gestellt ist mit Seinem Herzen? Was nützte es einem Glied, so es auch den größten Drang in sich empfinden würde, in ein Herz umwandelt zu werden? Wird solches je geschehen?
[2.60.8] Also bin ich der Meinung, da wir Bewohner dieser Welt nach unserer Wissenschaft nur mit dem Auge des Herrn korrespondieren, dass wir darum nimmer können Korrespondenzen Seines Herzens werden, oder wir können nimmer die volle Kindschaft Gottes überkommen, außer wir müssten eher gänzlich zunichtegemacht werden. Alsdann erst ließe sich eine neue Umgestaltung mit unserer Bestandsordnung denken. Solches aber geschieht sichtbar durch die Händeauflegung der Mutigsten auf den flammenden Altar, allda sie dann im Augenblick zu sein aufhören und von ihnen nichts übrigbleibt, als jenes stumme Fluidum, welches in einem jeden Wesen, sei es eine Welt, ein Stein, eine Pflanze oder ein anderes lebendiges Geschöpf, mit dem Herzen des Schöpfers gänzlich unbewusstermaßen in der Entsprechung steht.
[2.60.9] Siehe nun, erhabenster Gesandter, dies ist der zweite Grundsatz, der für uns Bewohner dieser Welt den ersten von dir ausgesprochenen wenigstens für meine bisherige Erkenntnis notwendigerweise gänzlich zunichtemacht.
[2.60.10] Weißt du mir dagegen ein anderes Licht zu zeigen, durch welches diese meine gegründete Erkenntnis widerstrahlt wird, so gib es mir gnädigst kund, und ich will dasselbe also aufnehmen und es mir also eigen machen, als hätte nie ein anderes Licht die inneren Gemächer meines Lebens erhellt.
[2.60.11] Nun spreche wieder ich: Höre, mein achtbarer Ältester dieses Hauses! Du hast weise gesprochen in deiner Art; aber deine Weisheit ist nicht geschmeidig und nicht flüssig, weil sie stets von der schroffen äußeren Form ausgeht. Du treibst dich fortwährend in lauter Entsprechungen herum und bleibst daher auch gleich einem Glied am Leib haften und kannst nicht verlassen deine Stelle.
[2.60.12] Siehe, das ist aber ja nur das Eigentümliche der äußeren gerichteten Form; aber der reine freie Geist hat kein Gericht und kann daher in seiner Ganzheit allzeit vollkommen mit der Liebe Gottes in der Entsprechung stehen. Denn es gibt in der ganzen Unendlichkeit kein anderes Leben, als das Leben, welches ausgeht aus der Kraft der Liebe in Gott.
[2.60.13] Korrespondierst du schon deiner wesentlichen äußeren Form nach nicht mit dem Herzen Gottes, so aber korrespondierst du deinem Leben nach so gut wie ich vollkommen mit dem Herzen Gottes; und wäre solches nicht der Fall, so hättest du ewig kein Leben und dein Geist wäre kein Geist, wenn er nicht wäre eine Kraft mit der unendlichen Kraft der ewig lebendigen Liebe im Herzen Gottes.
[2.60.14] Deinem formellen Wesen nach, welches in harte Entsprechungen eingeschichtet ist, kannst du freilich wohl nicht die Kindschaft Gottes überkommen, aber in deinem Geist so gut wie ich, wenn du durch die Liebe zu Gott denselben deiner schroffen Wesenheit entbinden kannst.
[2.60.15] Solches aber ist nur dadurch möglich, wenn du dich in deiner inneren Begierlichkeit gänzlich aller Weltpracht und Herrlichkeit völlig flott [frei] machen kannst und dann mit der gesamten Kraft deines Lebens nichts als allein das Wesen der Liebe Gottes ergreifst.
[2.60.16] Dieses Wesen aber ist das Göttlich-Menschliche, oder es ist der dir undenkbare Gott in Seiner Wesenheit ein vollkommener Mensch, der da auf einer Welt, „Erde“ genannt, Selbst das Fleisch angenommen hat und ward ein Mensch vollkommen also, wie alle von Ihm geschaffenen Menschen es sind.
[2.60.17] Und dieser vollkommene Mensch aller Menschen hat sogar einen schmerzlichsten Tod Seines Fleisches aus unendlicher Liebe zu all Seinen Geschöpfen erleiden wollen, um ihnen dadurch die endlos heilige Pforte zu öffnen, durch welche sie als Seine Kinder also zu Ihm gelangen und Ihn sehen und sprechen können wie ihresgleichen, als wären sie ebenfalls Götter also, wie Er es ist von Ewigkeit.
[2.60.18] Der Name dieses Menschen aller Menschen, der da ist Gott von Ewigkeit und hat erschaffen alle Dinge, heißt nunmehr Jesus, welcher Name besagt, dass Er ist ein Heiland aller Seiner Geschöpfe. Und Sein Wort, das Er geredet hat, ward gerichtet an alle Kreatur, und somit hat Er auch alle Seine Kreatur zum Heil Seiner Liebe berufen, und du bist davon so wenig ausgeschlossen als ich, Sein Zeitgenosse auf Erden, es war.
[2.60.19] Er Selbst sagte: „Ich aber habe noch viele Schafe, die nicht in diesem Schafstall sind; und diese will Ich hierherführen, damit da ein Hirt und eine Herde werde!“
[2.60.20] Siehe, unter solche Schafe oder Geschöpfe, die nicht [in diesem Schafstall (der Erde) sind, gehörst auch du], wie alle Bewohner dieser großen Welt; ergreift diesen Gottmenschen Jesus in eurem Herzen und legt keinen Wert auf eure Welt, so seid ihr schon Kinder Gottes, wie ihr da lebt und webt.
[2.60.21] Ich sage dir nicht, als solltest du darob dein großes überprachtvollstes Haus niederreißen und an dessen Stelle setzen unansehnliche Wohnhütten; aber reiße es in deinem Herzen nieder, und besitze es also, als besäßest du es gar nicht. Gib alles dem Herrn zu eigen und wandle in aller Demut und Liebe zu Ihm wie zu deinen Kindern, Brüdern und Schwestern, so wird der Geist des Herrn Selbst über dich kommen und dich leiten in alle Weisheit der Himmel! Siehe, das tut not; alles andere aber ist null und nichtig vor dem Herrn.
[2.60.22] Denke dir einmal, wie groß die Liebe des Gottmenschen sein muss, da Er, der ewige alleinige Herr und Schöpfer der Unendlichkeit, Selbst völlig arm sein will, damit alle Seine Kinder desto reicher würden!
[2.60.23] Wenn du aber nun solches aus der Tiefe der rein göttlichen Weisheit und Liebe in mir erfahren hast, so suche du allen Reichtum zu fliehen; gib alles mit der größten Liebe der unendlichen Liebe des Herrn wieder zurück und suche im Besitz Seiner Selbst, und nichts anderem dazu, den allerhöchsten Reichtum, dann wirst du das allerhöchste Gut besitzen in unendlicher Fülle!
[2.60.24] Suche nicht die Kraft und die Macht des Herrn dir eigen zu machen, sondern suche vielmehr ein Allerschwächster und Allergeringster in Seinem Reich zu werden und nichts zu besitzen als Seine Liebe und nichts zu wünschen, als nur bei Ihm zu sein, dann wirst du ewig wohnen wie ein zartes, vielgeliebtes Kindlein auf den allerheiligsten Armen des ewig allerliebevollsten Vaters!
[2.60.25] Siehe, das ist der wahre Grundsatz; nach diesem lebe und du wirst nicht brauchen samt den Deinen auch nur mit einem Finger den Altar anzurühren und wirst dennoch ganz vollkommen die Kindschaft Gottes auf dieser deiner Welt zu überkommen vermögen.
[2.60.26] Stoße dich aber nicht an meiner nun bei weitem weniger schönen Form, als da ist die deinige; denn an der Form ist nichts gelegen. Eure endlos schöne Form ist nur ein äußeres Bedürfnis für diese Welt, welche vom Herrn gestellt ist, zu erleuchten mit ihrem mächtigen Licht nahe zahllose andere kleinere Welten, welche nicht also, wie diese, mit dem Licht umhüllt sind. Also ist für diese Welt solche Zartheit der äußeren Form deines Wesens ein Bedürfnis, da ihr mit einer anderen unmöglich auf dieser Welt bestehen würdet; aber ganz anders verhält es sich mit der Schönheit des Geistes. Diese richtet sich nimmer nach der äußeren Form, sondern lediglich nur nach der alleinigen Liebe zum Herrn; denn diese ist die wahre und allerhöchste Schönheit des Lebens!
[2.60.27] Nun überdenke du, mein achtbarer Ältester, diese meine Worte, und sage mir dann, inwieweit du sie verstanden hast und inwieweit nicht, und ich werde dir dann sobald jeden dir möglich aufstoßenden Zweifel aus dem Grund deines Lichtes also erhellen, dass du mit leichter Mühe auf den wahren Grund der ewigen Wahrheit Gottes schauen sollst – und also tue das!
[2.60.28] Seht, unser Ältester und alle seine Kinder fallen auf ihr Angesicht und fangen an, in ihren Herzen sich zu regen. Wir aber wollen abwarten, was da herauskommen wird.
Kein Kommentar bisher