(Am 4. August 1843 von 5 – 6 1/2 Uhr nachmittags.)
[2.55.1] Wir sind an Ort und Stelle; was sagt ihr denn zu diesem Anblick? Hat das Auge eines auf der Erde lebenden Menschen, ich meine, das Auge seiner Seele, je in seiner allertiefsten Phantasie etwas Ähnliches auch nur geahnt?! Seht, der noch außerordentlich große Rundplatz, auf dem wir uns befinden, ist hellgrünstrahlend, und dieses Strahlen ist kein wogendes, sondern ein ruhiges Strahlen. Womit wäre wohl dieser Boden zu vergleichen? Etwa mit einem überaus wohl polierten Smaragd? O welch ein matter Vergleich wäre das. Sollte man etwa den Boden mit dem allerfeinsten Seidensamt vergleichen, der da strahlt, als wären die Fäden, aus denen er bereitet ist, aus grünem Gold angefertigt? Ich sage, auch dieser Vergleich ist matt und passt nicht hierher. Ja, mit irdischen Vergleichen werden wir da durchaus nicht weiterkommen. Wir werden daher etwas höher greifen müssen; unsere Hände werden wir weit hinaus in den endlosen Raum strecken und in selbem einzelne Planetarsonnen treffen, die mit einem solchen grünen Licht ihre sie umgebenden Weltkörper erleuchten. Ja, eine Sonne muss es sein, und diese muss als eine flache Scheibe hierhergelegt werden; dann ist der Vergleich richtig.
[2.55.2] Also das wäre der Boden, auf dem wir jetzt stehen; er ist wie eine mächtig strahlende Ätherfläche einer Sonne, und dennoch ist er fest wie ein Diamant. Was sagt ihr zu dieser endlosen Pracht? Ihr seid stumm und mögt kein Wörtlein hervorbringen. Ja, meine lieben Freunde und Brüder, das ist auch vollkommen begreiflich; denn wo es uns lichtgewohnten Geistern des Himmels schwer wird zu reden, da wird es auch euch sicher umso schwerer werden, indem ihr von dergleichen Lichterhabenheiten in solcher unermesslichen Fülle noch nie in eurem Gemüt etwas zu sehen bekommen habt.
[2.55.3] Lassen wir aber dieses; den Boden hätten wir angeschaut, wenden wir unsere Blicke nun auf die unaussprechlich prachtvollste Umfassung dieses großen freien Platzes. Seht, ein weißes Geländer umgibt zuerst diesen ganzen großen freien Platz. Von zehn zu zehn Klaftern aber steigt vom Geländer aus ein über hundert Klafter hoher Obelisk. Seine strahlende Farbe ist ebenfalls blendend weiß; zuoberst aber, seht, ziert einen jeden solchen Obelisk eine bald rot, bald grün, bald blau, bald violett, bald gelb, und so noch durch mehrere Farbnuancen hindurch gar mächtig strahlende ziemlich große Kugel. Es nimmt sich dieses so aus, als stünde zuoberst eines jeden solchen Obelisken, deren es um diesen großen freien Platz noch immer mehrere Hunderte gibt, eine allerbarste Sonne, die da gar mächtig diesen freien Platz erleuchtet.
[2.55.4] Man könnte hier freilich sagen: Wozu auf einer solchen Zentralsonne noch so viel leuchtende Körper? Es wäre wohl fürs Auge wohltuender, eher auf eine Verminderung als auf eine solche Verstärkung des Lichtes anzutragen. Ich sage euch: Dafür ist eben durch die Aufstellung solcher mächtig leuchtenden Körper gesorgt. Solches, sagt ihr, ist eben nicht leicht zu begreifen. Ich aber sage euch, dass solches ganz natürlich gar leicht begriffen werden kann. Wieso denn, auf welche Weise? Dafür, meine lieben Freunde, gibt es auch wohl schon auf der Erde eine Menge recht handgreiflicher Beispiele, und das naturmäßig und geistig genommen.
[2.55.5] Seht, wenn bei euch zur Sommerszeit alle Vegetation in weißer Farbe zum Vorschein käme, und zwar sogestaltig weiß, wie da ist der Schnee des Winters, da kann ich euch ganz bestimmt versichern, ihr könntet zur Tageszeit nicht möglicherweise ins Freie treten, ohne ehestens von der überaus starken Macht des Lichtes gänzlich geschmolzen und aufgelöst zu werden; denn die Strahlen der Sonne fallen zur Zeit des Sommers zu intensiv auf die Oberfläche desjenigen Teiles der Erde, den ihr bewohnt. Zur Winterszeit aber ist die weiße Farbe von guter Wirkung; denn ohne diese würde das Licht zu wenig Wirkung haben; und es würde mit der Zeit die Kälte so sehr zunehmen, dass ihr unmöglich es in der freien Luft aushalten könntet. Aber die weiße Farbe des Schnees wirft das Licht wieder zurück und erwärmt dadurch nachträglichermaßen die Luft.
[2.55.6] Zur Sommerszeit aber muss die Vegetation die Oberfläche der Erde buntfarbig überdecken; durch diese weise Vorrichtung wird der Sonne intensiver Strahl in seinem wirksamsten Teil verzehrt, und nur der sanfte Teil desselben bricht sich aus der buntfarbigen Oberfläche des Erdbodens wieder zurück. Ihr könntet auch ein ähnliches Phänomen künstlich im Kleinen versuchen, und da gebe ich euch solches an.
[2.55.7] Stellt zur Nachtzeit auf die Mitte eines Tisches eine stark leuchtende argantische Lampe. Wenn ihr sie einzeln dastehend betrachtet, so wird ihr Licht euer Auge beleidigen; nehmt aber mehrere Lampen, stellt sie um diese weißflammende herum, und steckt aber über ihre weißen Flammen verschieden gefärbte Glaszylinder. Dadurch werdet ihr ein Licht von allerlei Farben bekommen, d. h. eine jede dieser umstehenden Lampen wird ein anders gefärbtes Licht ausstrahlen. Was wird aber davon der Effekt sein? Der Effekt wird folgender sein, dass ihr das Licht der mittleren weißen Lampe ohne den allergeringsten Anstand werdet ganz bequem anschauen können, und es wird euch vorkommen, dass es dadurch dunkler geworden ist beim Brand von wenigstens zehn Lampen, als es ehedem bei dem Brand der einen weißen der Fall war. Dass solches richtig ist, zeigt euch tagtäglich die ganze Natur wie auch die aus ihr geschöpfte Erfahrung, nach der Weise angestellt, wie ich es euch nun kundgegeben habe.
[2.55.8] Geistig muss aber die Sache auch richtig sein; warum denn? Weil sie im Geiste eher als in der Natur vorhanden sein muss. Ist sie aber geistig richtig, dann ist auch schon für die naturmäßige Richtigkeit der unumstößlichste Beweis geliefert. Wird solch ein Beweis für die geistige Richtigkeit wohl schwer zu liefern sein? O nein! Ihr selbst habt dafür schon ein recht gutes Sprichwort, welches diesfalls unsere Sache allergenügendst erklärt; und dieses Sprichwort lautet: Ex omnibus aliquid, et in toto nihil. [In allem etwas, im Ganzen nichts.] – Ein Mensch, der in allen Fächern des menschlichen Wissens bewandert sein will, in dessen seelischer Leuchtkammer wird es gewiss sehr buntstrahlig aussehen. Fasst aber alle diese Strahlen zusammen, so werden sie kaum so viel Stärke haben, um zur Nachtzeit ein Gemach allenfalls so zu beleuchten wie Sonnenkäferchen, und im Geiste wird sich solcher Effekt auch auf das Deutlichste aussprechen; denn solche vielwissenschaftlich gebildete Menschen sind weder im Einzelnen, noch im Ganzen tüchtig, um über eines oder das andere eine allen Anforderungen genügende Ansicht von sich zu geben.
[2.55.9] Ich meine, dieses ist so deutlich gegeben, dass wir darüber kein Wort mehr zu verlieren brauchen und können uns daher wohlunterrichtet wieder auf unsere herrliche freie Fläche wenden und da genügend erkennen, zu welchem Zweck hier solche Lichtwechslungen angebracht sind. Und so hätten wir den Boden dieses Platzes und seine Umfassung hinreichend betrachtet.
[2.55.10] Nun aber schaut noch in die Mitte dieses großen freien Platzes hin; dort erhebt sich noch eine mächtig große Säulenronde, welche zuoberst mit einer dunkelrot strahlenden Krone überdeckt ist. Der Säulen, die diese Krone tragen, gibt es dreißig; eine jede ist von der anderen zwei Klafter entfernt. In der Mitte dieser Säulenronde entdeckt ihr einen karminroten Altar, auf dem unser bekanntes Querholz liegt. Dahin wollen wir uns auch sogleich begeben und dann wohl Acht haben, was alles sich noch auf dieser herrlichen freien Fläche zutragen wird. Zugleich aber mache ich euch auch darauf aufmerksam, dass eben diese mächtige Säulenronde, deren Säulen von helllichtblauer Farbe sind, den von euch bisher vermissten zwölften Stock dieses Gebäudes von der Ferne herüber ansichtig bildet. Da wir nun mit diesem Anstand zurecht sind, so begeben wir uns sogleich in die Ronde hin und warten dort ab, was alles sich noch unseren Blicken darstellen wird. Und so denn gehen wir.
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