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46. Ineinanderfließen von Ewigkeit und Zeit. Die Katze und die Maus

(Am 19. Juli 1843 von 4 3/4 – 6 3/4 Uhr nachmittags.)

[2.46.1] Ich habe vernommen und wohl eingesehen euer vergleichend aufgestelltes Bild und muss euch noch obendrauf hinzu bekennen, dass ihr auf eurer Erde in kurzer Zeit Besitzer von Millionen werden könntet, so euch der Haupttreffer aus den Lotterien so sicher wäre, als wie grundrichtig eure aufgestellte Vergleichung die innere Bedeutung unseres vorliegenden Ornamentes darstellt. Ihr habt den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber das will hier eben nicht zu viel gesagt haben; denn wo man den Nagel nirgends anders als auf den Kopf treffen kann, da hört es dann auch auf, eine Kunst zu sein, ja sogar ein Gelingen, einen Nagel auf den Kopf zu treffen. Denn ihr hättet auch ebenso gut sagen können: Die untere Spitzpyramide bedeutet eine „Maus“ und die hängende Kugel eine „Katze“ – und ihr hättet die Sache ebenso richtig bezeichnet als mit der „Zeit“ und mit der „Ewigkeit“. Dass aber solches alles richtig ist, wird sogleich unsere nachfolgende Betrachtung zeigen.

[2.46.2] Dass eine Kugel, welche nirgends einen Anfang und nirgends ein Ende hat, am allerfüglichsten die Ewigkeit bezeichnet, also wie auch die der Ewigkeit innigst verwandte Unendlichkeit, das ist schon eine uralte sinnbildliche Wahrheit.

[2.46.3] Ein Kreis bedeutet wohl auch die Ewigkeit, aber nur so, wie sie gewisserart als eine unendliche Zeitenfolge zu betrachten ist; aber die Ewigkeit in sich, welche gewisserart weder eine Vergangenheit, noch eine Zukunft, sondern eine fortwährende Gegenwart all des schon vor undenklichen Zeiten Geschehenen und des nach undenklichen Zeiten noch zu Geschehenden wie in einem unendlichen Zeitenknäuel vollkommen gegenwärtig darstellt, wird durch eine Kugel symbolisch bezeichnet.

[2.46.4] Eine Spitzpyramide von kreisrunder Form aber bezeichnet allerdings die Zeitenfolge; warum denn? Weil fürs Erste die Kreisrundung der Spitzpyramide den Ausgang aus der Ewigkeit dadurch anzeigt, dass sie eigentlich eine gestreckte Kugel beschreibt, deren Kreise sich gegen die Streckpunkte stets mehr und mehr beengen. Schneidet ihr eine solche nach zwei Seiten gestreckte Kugel bei der Mitte auseinander, d. h. durch den Gürtel, so werdet ihr dann zwei Pyramiden bekommen, welches aber so viel sagt, dass durch diese Manipulation die eigentliche Ewigkeit in sich zu einer Zeitenfolge ist ausgedehnt worden. Und da ihr die ausgestreckte Kugel durch den Gürtel auseinander teilt, da liegen alle Fakta dazwischen; denn da ist ihr Anfang und ihr Ende.

[2.46.5] So könnt ihr euch auch keine begrenzte Zeit denken, wohl aber eine eingeteilte. Wo ihr aber die gestreckte Kugel als die zur Zeitenfolge ausgedehnte Ewigkeit abteilt, da steckt, wie gesagt, irgendein Faktum von seinem Anfang bis zu seinem End dazwischen, ohne das an keine Zeiteinteilung zu denken ist. Denn denkt nur einmal nach, wie lange messt ihr wohl schon die Zeit? Von eurer Geburt an bis zur gegenwärtigen Lebensperiode. Seht, das ist euer Durchschnitt; dieser schließt den Anfang und das Ende eures irdischen Lebens in sich, und nach beiden Seiten hin ist eine endlos ausgestreckte Linie, deren Ende nirgends als nur für euch bei eurem Lebens-Durchschnitt zu finden ist, d. h. vor eurer Geburt ist eine ewig lange Zeit vergangen, und nach eurem Übertritt wird ebenfalls wieder eine unendliche Zeitenfolge fortwähren.

[2.46.6] Nun seht unser Ornament an; eine Kugel, gänzlich vollkommen durchsichtig, hängend an einer ebenfalls vollkommen durchsichtig glatten Schnur. Diese Kugel berührt mit ihrer untersten Sphäre die Spitze unserer Rundpyramide. Was will solches denn sagen?

[2.46.7] Die in sich komplette Ewigkeit oder Unendlichkeit, welche durch die Kugel dargestellt wird, dehnt sich in der Pyramide zu einer ewigen Zeitenfolge aus und fließt aus der Kugel wie aus einem ewigen Urborne, gleichsam durch die Spitzpyramide in die taten- und werkreichen Zeitperioden aus.

[2.46.8] In diesem nun so viel als möglich erklärenden Satz werdet ihr sicher so ziemlich klar ersehen, dass euer Bild zur vorläufigen Erklärung dieses Ornamentes ein sicher ganz überaus wohlgelungenes war, denn ihr mögt es wenden und drehen, wie ihr wollt, so werdet ihr allzeit dasselbe Endresultat bekommen.

[2.46.9] Aber wie ginge es denn mit der Katze und mit der Maus? Seht, ihr dürft die Sache nur umkehren und das Bild ist wieder richtig. Die Katze ist ein Tier, das fortwährend mit der Mordlust für Mäuse und auch andere mausähnliche Tierchen erfüllt ist; die Pyramide stellt sonach eine Maus dar, wie schon im Anfang bezeichnet wurde, und die Katze die Kugel.

[2.46.10] Wie aber die Katze, ein Raubtier, fortwährend die Mäuse verschlingen will, verschlingt ja auch die Ewigkeit fortwährend alle die aus ihr herausgetretenen Zeitfolgen und alle Werke in denselben.

[2.46.11] In der Ewigkeit könnt ihr alles: Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges wie auf einem Punkt beisammen treffen. Wenn es aber also anzutreffen ist, so muss es als ein Verschlungenes anzutreffen sein.

[2.46.12] Seht auf unsere Katze; könntet ihr sie geistig beschauen, so würdet ihr in diesem Tier nichts anderes als ein Aggregat von nahe zahllos vielen Mäusen und mausähnlichen Tierchen erschauen. Dass solches richtig ist, dafür spricht die ziemlich bedeutende Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Tiergattungen. Bei der Katze ist alles nur mehr abgerundet, welches die größere Inhaltskomplettheit darstellt, ähnlich mit der Kugel. Bei der viel kleineren Maus ist alles mehr gespitzt; das bezeigt die bei weitem geringere Inhaltskomplettheit.

[2.46.13] Ihr sagt hier freilich: Wenn ein erklärendes Bild vollkommen richtig sein soll, da muss es auch den Abgang und nicht nur allein den Auf- oder Rückgang, also das Ausbeuten ebenso gut wie das Wiederverzehren bezeichnen. Es ist wahr, die Katze verschlingt die Mäuse, wie die Ewigkeit die Zeitenfolgen und ihre Werke; aber die Zeitfolgen und ihre Werke gehen auch aus der Ewigkeit hervor. Ob aber auch die Mäuse aus der Katze hervorgehen? Darüber scheinen die vielen Weisen des Morgenlandes zu schweigen; und wir sind der Meinung, dass wir solches auch mit einem zentralsonnengroßen Stein der Weisen in der Hand kaum herausbringen werden!

[2.46.14] Ja, meine lieben Freunde und Brüder, mit eurer irdischen Weisheit dürfte es da wohl ein wenig schwer gehen. Aber es war dennoch bei den alten Weisen ein ganzer Wust von Sprichwörtern, mittels deren man für einen wirklich Weisen so ziemlich dartun könnte, dass aus den Katzen durch eine gewisse naturgemäße kreisförmige Umbildung die Mäuse am Ende wieder aus der Katze hervorgehen. Ihr sagt schon: Jedem Lappen gefällt seine Kappen; die Alten haben gesagt: Similis simili gaudet – gleich und gleich gesellt sich gern, und dergleichen noch eine Menge ähnlicher Sprichwörtchen.

[2.46.15] Ihr wisst aber, dass bei dem Umstehen eines Tieres dessen animalischer Nervengeist allein nur in eine höhere Ordnung aufsteigt; der zurückgebliebene Körper als ein Aggregat von unteren Naturpotenzen zerfällt dann wieder und kehrt durch den Kreisgang genau wieder auf den Punkt zurück, der sein ordnungsmäßiger Vorgänger ist.

[2.46.16] Die Katze nimmt das Leben derjenigen Tierwelt, die sie verzehrt, in sich auf und befördert in sich dasselbe zu einer höheren Stufe. Aber der Leib der Katze macht eine Rückbewegung, und die in ihm noch vorhandenen Kräfte bilden sich durch den Zyklus wieder zu Mäusen und darum – (jedem gefällt das Seinige) – gefällt auch der Katze ihr Wesen, welches durch den geordneten Zyklus zurückgekehrt ist in der Maus und in allen jenen Tierchen, die mit dieser auf einer verwandten Stufe stehen.

[2.46.17] Also seht nun, dass auch dieses Bild richtig ist, und wir haben bei dieser Gelegenheit unser Ornament möglichst umfassend beleuchtet und wollen uns, da hier aus der sehr durchsichtigen Materie nicht viel mehr herauszubekommen ist, sogleich um ein Stockwerk höher begeben, also ins neunte oder in die zehnte Galerie.

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