(Am 10. Juli 1843 von 4 1/2 – 6 3/4 Uhr nachmittags.)
[2.40.1] Wie ich merke, so habt ihr alles wohl angesehen und so denn könnt ihr nun auch schon kundgeben, was ihr gesehen habt; und so sagt denn, was ihr auf dieser siebten Galerie oder auf dem sechsten Stockwerk als besonders auffallend erblickt habt. Ich sehe es euch an, dass ihr euch bei dieser Vorstellungsart noch nicht so recht auskennt und könnt auch die geschaute Sache nicht gehörig bezeichnen; daher muss wohl ich euch ein wenig zu Hilfe kommen.
[2.40.2] Fürs Erste, meine lieben Freunde und Brüder, merkt man auf dieser siebten Galerie schon ein wenig die Rundung derselben, während man in den unteren Galerien wegen des großen Kreises davon noch nicht etwas Merkliches hat gewahren können. Fürs Zweite merkt ihr, dass hier die Säulenrondeaus nicht mehr von dem bedeutenden Umfang sind wie auf den früheren Galerien; auch besteht ein Säulenrondeau nicht mehr aus dreißig, sondern nur mehr aus zwanzig Säulen, und der innere Platz ist darum auch etwas beschränkter. Fürs Dritte bemerkt ihr, dass hier der Boden lichtrot, die Säulen, die Wände und der Plafond aber lichtblau sind, die Tore durch die Wände des Hauptgebäudes aber ins Dunkelhochrote übergehen. An dem allem bemerkt ihr keine Flammungen, obschon sonst einen überaus starken Glanz, und sagt in euch auch aus dem Grunde: Was die äußere Pracht dieser gegenwärtigen Galerie betrifft, so steht sie offenbar den vorhergehenden etwas nach; aber was da die äußeren Galeriegeländer und die Verzierung der Rondeaus betrifft, so haben diese wenigstens auf den ersten Anblick so manches vor den vorhergehenden voraus.
[2.40.3] Fürs Erste bestehen die Galerien wie aus lauter Sternen, aus denen ganze feste Zierrate gebildet und dann zu einem brauchbaren Ganzen zusammengesetzt sein möchten. Die Sterne sind von überaus hellem Glanz und strahlen in tausendfachen Färbungen durcheinander, und die Rundtreppe innerhalb der Säulenrondeaus scheint bloß aus Sternenlinien gefügt zu sein und es ist zwischen diesen Sternenlinien kein anderes festes Material zu erschauen. Das ist jetzt aber auch alles, inwieweit unsere Sprache zur Darstellung dessen reicht, was wir hier erblicken. Aber was da betrifft die Mittelverzierung des Rondeaus, die wir wohl auch erblicken, so ist sie ein Gegenstand, der zu hoch über unserem Sprachfähigkeits-Horizont besteht, und wir können diesen Gegenstand auch darum durchaus nicht bezeichnen.
[2.40.4] Ja, ja, meine lieben Freunde und Brüder, das ist es aber eben auch, was ich euch schon anfangs angemerkt habe, und habe es gar wohl gewahrt, dass euch die Beschreibung dieses Gegenstandes ein wenig schwerfallen dürfte. Darum habe ich aber das auch gleich anfangs über mich genommen. Und so habt denn recht wohl Acht! Wir wollen uns diesem Ziergegenstand möglichst zuallernächst hinstellen und ihn mit aller Aufmerksamkeit in Augenschein nehmen.
[2.40.5] Wir sind nun in dessen möglichst vollkommener Nähe; und da seht hinab auf den Boden des Rondeaus. Was erblicken wir denn? Einen bei sieben Klaftern im Umfang habenden Sternenkreis, welcher aus sieben Reihen von Sternen zusammengestellt ist, und zwar in der Ordnung der Färbung eines Regenbogens, und dieser Kreis hat eine Breite von drei Spannen. Innerhalb dieses Kreises erhebt sich ein violetter Altar zu einer Höhe von sechs Spannen und hat einen Umfang von etwa drei Mannsklaftern, d. h. nach dem ausgestreckten Handmaß genommen. Der obere Rundrand ist mit einem Reif aus ein wenig flammendem Gold umfasst, und über dem Reif ist noch ein eine halbe Spanne hohes, aus lauter Rundsäulchen bestehendes, glänzendweißes Geländerchen angebracht, über welchen Geländersäulchen wieder ein Breitreif aus hochrotem durchsichtigem Gold angefertigt ist, über welchem gerade an den Stellen, wo unter ihm die Säulchen stehen, noch mehr ins Dunkelblaue gehende vollkommen runde kleine Kugeln angebracht sind, und jede dieser Kugeln hat um ihre Mitte noch einen kleinen hellschimmernden Sternenkreis.
[2.40.6] Aus der Mitte der eingeländerten Fläche dieses Altares aber erhebt sich eine ganz vollkommen lichtgrüne Säule, und über dieser Säule ist ein aus Sternen zusammengefügter großer Kreis angefertigt. Innerhalb dieses Kreises ist dann eine große Menge wie geometrischer Figuren aus hellroten und weißen Sternchen zusammengefügt, welche da samt ihrer Kreisumfassung einen überaus geheimnisvoll imposanten Anblick gewähren.
[2.40.7] Vom Plafond herab aber hängt an einer massiven Goldschnur ein anderer Kreis, welcher nicht aufrechtstehend, sondern horizontal in gleicher Größe über den aufrechtstehenden zu stehen kommt, d. h. über den an der grünen Mittelsäule angefertigten, sieht aber diesem in allem vollkommen ähnlich. Seht, das wäre die Gestalt des für euch etwas schwer beschreibbaren Zierakulums eines solchen Säulenrondeaus.
[2.40.8] Ihr sagt: Lieber Freund und Bruder im Herrn! Es wäre alles recht überaus erhaben, schön und gut; aber es wird dieses Zierakulum gleich den früheren sicher auch eine tiefweise Bedeutung haben, wie du dich darüber auch schon selbst ausgesprochen hast; aber was für Bedeutung, wie lautet diese? Das ist eine andere Frage. Wenn es auf uns zur Erörterung ankäme, so hätten wir schon genug getan, so wir mit der Beschreibung zurechtgekommen wären und hätten die Entsprechung dann gar sicher ewig besseren Zeiten überlassen. Aber da du uns schon aus so vielen Verlegenheiten geholfen hast, da sind wir auch hier der festen guten Meinung, dass es dir auch in diesem Falle eben nicht zu schwer ankommen dürfte, uns darüber so ein kleines Lichtchen zu verschaffen.
[2.40.9] Ja, meine lieben Freunde und Brüder, wir befinden uns hier auf der ersten Stufe über die halbe Höhe dieses Gebäudes, und da haben wir nun schon mit Gegenständen purer Weisheit zu tun. Bisher waren wir im Grund, d. h. in der Liebe, jetzt aber gehen wir aus der Liebe in die Weisheit, welches ist ein gerechter Weg vor Gott. Da aber Objekte der Weisheit ums überaus Bedeutende schwerer zu fassen sind als Objekte der Liebe, so müssen wir uns hier auch schon ein wenig mehr zusammennehmen, um nicht, wie ihr zu sagen pflegt, aus dem Sattel geworfen zu werden.
[2.40.10] Ihr sagt hier freilich: Davon sehen wir nicht so recht den Grund ein, denn in der Liebe ist ja auch die höchste Weisheit vorhanden; können wir sie dort vereint mit der Liebe erfassen, so wird sie uns auch im absoluten Zustand nicht gar zu leicht durchgehen. – Ja, meine lieben Freunde und Brüder, ihr urteilt sonst ziemlich richtig; aber diesmal muss ich euch sagen, dass ihr schon wieder einen ziemlich starken Hieb ins Blaue gemacht habt. Damit ihr aber solches von mir nicht nur allein hört, sondern auch bei euch so recht sonnenklar einseht, so will ich auch ein paar Beispielchen aufführen, die euch zur Genüge meinen Ausspruch bestätigen sollen; und so hört denn!
[2.40.11] Wenn ihr auf eurem Erdkörper hin und her wandelt und begegnet da zahllosen Gegenständen, welche alle von der Sonne wohl beleuchtet sind, da werdet ihr nicht einen finden, den ihr nicht mit euren Händen anfassen und weitertragen könntet, wenn nur sein Gewicht eure Kräfte nicht überragt; wonach ihr bei keinem Gegenstand sagen könnt, dass er nicht aufnahmsfähig wäre, und so ihr ihn ergreift, ihr auch zugleich sein Licht mit ergreift. Nun aber versucht einmal, euch an dem freien Licht zu vergreifen und tragt es in Bündeln hin und her. Ich meine, solches wird euch ein wenig schwer gehen.
[2.40.12] Seht, wo das Licht schon an einen festen Körper, welcher der Liebe entspricht, gebunden ist, da könnt ihr freilich das Licht samt dem Körper ergreifen und es dann hin und her tragen nach eurem Belieben; aber wie schon bemerkt, das freie Licht lässt solch einen Akt durchaus nicht zu. Das wäre ein Beispielchen. Betrachten wir noch ein anderes, aus dem da ersichtlich werden soll, dass der Mensch das Licht genießen und sich dasselbe leibhaftig zunutze machen kann; aber erst auf dem Wege der göttlichen Ordnung. Wie aber das, soll sogleich nachstehendes Beispielchen zeigen.
[2.40.13] Woraus und woher reift wohl die Frucht des Baumes und des Weizenhalms? Ihr sagt: Unfehlbar aus dem Licht und aus der mit dem Licht verbundenen Wärme. – Ihr habt gut geantwortet. Seht aber nun, eine Frucht ist sonach ein Produkt des Lichtes und der Wärme, und aus sonst lediglich nichts.
[2.40.14] Das Licht aber gibt sich hier der Wärme gefangen, und je mehr Wärme, desto mehr Licht wird sich auch derselben gefangen geben. Und aus diesen zweien geht dann eine vollreife Frucht hervor, die ihr dann genießen könnt und nehmt auf diese Weise dann mit der genossenen Frucht mit der leichtesten Mühe von der Welt das gefangene Licht notwendig in euch auf, und dieses gefangene Licht ist dann auch jener ätherische Stoff, der eurem Organismus die belebende Nahrung gibt.
[2.40.15] Könnte denn da nicht jemand sagen: Wenn solches offenbar und sicher richtig ist, da dürfte man ja auch sich nur der leuchtenden Sonne gegenüberstellen und das ihr entströmende Licht fleißig in sich hineinschlürfen, und man wird da jede grobe Mahlzeit ersparen. – Ich aber sage: Es kommt da nur auf eine Probe an. Die Sonnenmahlzeit ist euch ohnedies schon bekannt; es soll nur jemand zehn Tage lang eine reine Sonnenmahlzeit halten, und sein Organismus wird ihm schon am zweiten Tag kundgeben, wie viel des Nahrungsstoffes er in sich eingeschlürft habe.
[2.40.16] Aus diesem Beispiel aber könnt ihr noch klarer denn aus den vorigen erschauen, dass das Licht für sich allein in seinem freien Zustand ungenießbar ist, und sich somit niemand an ihm sättigen kann. Wenn es aber in der göttlichen Ordnung durch die göttliche Kraft selbst gefangen wird, dann erst ist es genießbar und nährend. Aus diesem Grunde soll auch der Mensch all sein Weltlicht in sein Herz gefangen nehmen, allwo es gebunden wird mit der Lebenswärme, und er wird dann aus diesem Licht eine rechte Nahrung für seinen Geist überkommen. Und desgleichen müssen auch wir hier das Geschaute der reinen Formen der Weisheit in unsere Liebe zum Herrn erst gefangen nehmen, alsdann erst werden wir die Entwicklung derselben in uns gar bedeutungsvoll erschauen und uns eine tüchtige Mahlzeit bereiten können. Der Herr wird uns dann auch diesen Altar öffnen, wie Er uns geöffnet hat den in der Allee.
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