(Am 28. Juni 1843 von 5 – 6 3/4 Uhr nachmittags.)
[2.33.1] Wird es wohl schwer sein, von hier weiterzuziehen, so müssen wir von hier aus auch noch die gerade Linie beobachten? Gehen wir nur hinaus in den freien überaus geräumigen Raum, welcher sich vorfindet zwischen dieser weiten Rundgalerie und zwischen dem Hauptmittelgebäude, und wir werden da sobald sehen, was da zu machen sein wird.
[2.33.2] Da seht nur einmal zwischen den zwei vor uns stehenden mit Wendeltreppen versehenen inneren Säulen hinaus und sagt mir, was ihr erblickt.
[2.33.3] Ihr sagt: Lieber Freund und Bruder, für diesen Anblick finden wir keine Worte, um das zu beschreiben, was alles sich da dem armseligen Auge in der allerwunderbarsten Art darstellt! Eine Fläche voll wogenden Glanzes stellt sich unseren Blicken dar, und aus einer jeden Woge sprühen Millionen Strahlen über Strahlen, ein jeder von einer anderen Farbe; und die Strahlen ergreifen sich gegenseitig und bilden vorübergehende Formen. Die Formen gehen hier und da ineinander über und bilden eine neue Form.
[2.33.4] Dort, weiter gegen das Hauptmittelgebäude zu, sehen wir diese Strahlenwogen sich in den buntesten Kreisen drehen, und die Kreise erheben sich oft kegelförmig über den Boden, und diese Kegel schimmern in einem wechselnden Licht, dessen zauberhaft allerschönster Reiz mit keinem Wort zu beschreiben ist. Und endlich über diese Lichtkreise hin erblicken wir die unterste Säulenreihe des großen Mittelpalastes.
[2.33.5] Die Säulen scheinen sich aufwärts wirbelnde Flammen von hellroter Farbe zu sein, und hinter diesen merkwürdigen Säulen strahlt eine lichtblaue Wand hervor, welche zwischen den Säulen versehen ist, aus welchen Pforten aber ein wunderherrliches grünlich-weißes Licht strahlt. Das ist alles, was wir bis jetzt ausnehmen können.
[2.33.6] Wenn wir auf die wogende Beweglichkeit dieser Fläche hinblicken, so kommt es uns vor, als wenn der Boden irgendein Gewässer wäre, über welches dann gewisserart festen Fußes nicht darüberzukommen sein dürfte. Nur auf das Einzige können wir einen diese Sache widerlegenden Rückblick tun, dass wir in der letzten Alleeverzierung ebenfalls eine solche wogende Fläche angetroffen haben, welche darum nichts weniger als flüssig war, und so kann es wohl sein, dass dieses Lichtwogen dieser Fläche vor uns ebenfalls nur eine Augentäuschung ist.
[2.33.7] Ja, meine lieben Freunde und Brüder, also verhält es sich auch mit der Sache. Alles, was ihr hier als beweglich erschaut, ist nur ein Spiel des Lichtes, welches auf den Zentralsonnenkörpern besonders stark zu Hause ist, und das umso stärker auf irgendeinem Punkt, je mehr sich dieser dem großen Äquator solch einer Zentralsonne nähert. Daher gibt es hier ein Material, welches an und für sich zwar überaus fest ist, und nimmt eine große Politur an, viel stärker als der feinste Diamant bei euch. Wenn eine so große Fläche dann gehörig geglättet ist, da nimmt sie dann auch umso begieriger die mächtigen Lichtstrahlen aus dem einen solchen Sonnenkörper umgebenden Lichtäther auf und wirft dann nach der Übersättigung eben diese Strahlen wieder zurück. Und so entsteht aus dem Ein- und Gegenstrahlen solch eine wogende Wirkung, in der Nähe als sich zu allerlei Lichtformen bildende, durcheinanderbewegende Wogen, in der Entfernung aber zu Kreisen. Warum denn? Weil in der Entfernung alle Bewegungen wie auch alle Formen sich fortwährend mehr und mehr abrunden, welches ihr schon auf eurem Erdkörper aus verschiedenen Erscheinungen abnehmen könnt.
[2.33.8] Geht ihr z. B. auf eine bedeutende Höhe und seht euch den weiten Horizont an, der an und für sich sehr uneben ist, so werdet ihr ihn aber dennoch ganz gerundet erblicken; die Ursache liegt darin, weil die kleinen Unebenheiten gegen den ganzen weiten Horizontkreis so gut als gänzlich verschwinden.
[2.33.9] Ferner beschaut ihr eine mehrkantige Säule von einer gewissen Entfernung, und sie wird euch nicht kantig, sondern rund erscheinen.
[2.33.10] Ferner geht an einen breiten Strom und betrachtet das Fortfließen des Wassers vom nächsten Ufer angefangen bis zum entgegengesetzten hin, da wird sich diese Erscheinung am meisten bestätigen. Am nächsten Ufer werdet ihr das Stromwasser bunt durcheinanderwogend, aber am entgegengesetzten Ufer bei einer etwas längeren Betrachtung lauter ineinander verschlungene Kreise erblicken, in denen die Fluten des Stromes sich langsam fortzuwirbeln scheinen.
[2.33.11] Wie uneben die Weltkörper auf ihrer Oberfläche sind, das kann euch eure Erde zur Genüge zeigen; aber von großen Entfernungen betrachtet werden sie zu einem vollkommen runden Kreis, d. h. wenn schon nicht ganz vollkommen zirkelrund, so aber doch an der außen erscheinenden Randlinie als vollkommen eben.
[2.33.12] Es ließen sich noch eine Menge solcher Beispiele anführen; allein ich meine, dass diese genügen, um die vor uns liegende so ziemlich stark ins Wunderbare gehende Erscheinung zu begreifen, d. h. als Erscheinlichkeit selbst, ohne innere geistig entsprechende Bedeutung, auf welche wir erst bei der passenden Gelegenheit kommen werden.
[2.33.13] Wir brauchen vorderhand nichts anderes zu wissen, als dass der vor uns ausgebreitete Boden vollkommen fest ist, und wir können uns dann sogleich schnurgerade auf demselben fortzubewegen anfangen; und so denn treten wir nur wohlgemut hinaus!
[2.33.14] Wir sind heraus aus der Galerie auf dem Boden und seht, er ist fest, und da wir stehen, ist das Wogenspiel des Lichtes nicht zu erschauen, und so können wir uns nun schon gegen das Hauptgebäude hin bewegen. Macht aber einen Blick auf das Gebäude hin, welches nun schon in seiner ganzen enthüllten Pracht vor uns steht.
[2.33.15] Was sagt ihr zu diesem Werk? Ihr sagt, was ich eigentlich auch sage: Da hört das Reden auf, und man wird stumm vor dem zu großartig erhabensten Anblick! Wenn man sich so einen ins Unendliche veredelten und verherrlichten babylonischen Turm vorstellen würde, so hätte man ungefähr wohl noch das beste Bild davon; nur müsste man die schneckenartig aufwärtsführenden Gänge des babylonischen Turmes hinwegnehmen und denselben in zehn Stockwerke einteilen, von denen ein jedes einen etwas engeren Kreis beschreibt. Das wäre aber demnach nur eine nackte Form ohne Licht; hier aber ist die großartigste und edelste Form übergossen mit einer unbeschreiblichen Pracht und Glorie des Lichtes. Um wie viel steht sonach die gedachte Form dieser unbeschreiblichen, alle Begriffe übersteigenden Herrlichkeit nach.
[2.33.16] Gehen wir aber nur näher; es wird sich die Sache immer mehr und mehr entwickeln in ihrer unendlichen Pracht. Ihr seht die untere Reihe von hier so, als bestünde sie aus einzelnen großen Säulen, von denen eine jede eine Höhe von dreißig Klaftern hat. Die Höhe mögt ihr wohl richtig beurteilt haben; aber die Säule an und für sich nicht. Wenn ihr genau hinseht, da werdet ihr eine jede Säule so erblicken, als wäre sie mit Rundstäben belegt; aber wir sind jetzt schon näher, und es lässt sich nun schon recht gut ausnehmen, dass eine solche Säule, die sich in eine Entfernung hin nur als eine Säule ausnimmt, in dieser Nähe ein ganzer Kreis von mehreren Säulen ist, welche wir früher nur als einzelne Stäbe an einer großen Säule erschauten.
[2.33.17] Und nun seht, wir sind glücklicherweise schon an die große Staffelei dieses Zentralgebäudes gekommen und erblicken, dass eine jede solche Hauptsäule aus dreißig in einem Kreis herumgestellten Säulen besteht, von denen eine jede von der anderen noch so weit entfernt absteht, dass wir ganz bequem in solch ein Säulen-Rondeau treten und uns darin überzeugen können, dass es noch hinreichend Raum hat zur Aufnahme von tausend Menschen.
[2.33.18] Aber zugleich betrachtet diese herrliche Einrichtung; längs des Kreises dieser Säulen windet sich im inwendigen Raum eine überaus prachtvolle Treppe in sanfter Steigung und mit den allerprachtvollsten Geländern versehen hinauf in das nächste Stockwerk. Und seht, eine jede Säule oder vielmehr ein jeder Säulenkreis, den wir von hier erblicken, hat eine gleiche Einrichtung.
[2.33.19] Der Boden solch eines Säulenkreises ist hellgrün und die Galerien, welche die aufsteigende Treppe einfassen, sehen aus wie flammendes Gold; und da seht hinaus, der Boden dieser ersten großen, ebenerdigen Galerie ist von der Farbe eines allerschönsten Amethystes, in welchen allerlei Diamantzierarten wie ein Mosaik eingearbeitet wären. Was sagt ihr zu dieser wahrhaft entsetzlichen Pracht?
[2.33.20] Ich sehe, dass es euch hier abermals so geht wie mir, man findet für die Buchstabensprache keine Worte. Gehen wir aber nun eine solche Treppe aufwärts und beschauen das zweite Stockwerk; allda erst werden wir Dinge zu Gesicht bekommen, die alles bisher Geschaute überdecken werden. Und so dann folgt mir auf der Treppe.
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