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14. Die Liebe als Mittel der Erkenntnis

(Am 20. Mai 1843 von 4 1/2 – 6 1/2 Uhr nachmittags.)

[2.14.1] Ihr habt es getan und gedacht den Namen, der da heilig, heilig, heilig ist in euch! Und seht, schon lodert eine herrliche Flamme auf dem Altar, verzehrend das Holz des Lebens als eine Nahrung zur Belebung der Wesen dieser Welt in euch.

[2.14.2] Nun seht euch aber auch ein wenig um. Blickt hinauf in die überaus herrlichen Galerien dieses Prachtgebäudes und sagt mir, was ihr erschaut. Ihr sprecht: O Freund und Bruder, da sehen wir ja eine übergroße Menge Menschen beiderlei Geschlechts. Ihre Formen sind herrlich und wunderbar schön, und sie sind gekleidet herrlicher denn die Könige der Erde. Wie ist solches möglich? Sind diese auch in uns?

[2.14.3] Liebe Brüder, ich sage euch: Wo eine ganze Welt ruht, da muss ja doch auch das vorhanden sein, was die Welt trägt. Ihr sagt freilich: Gibt es denn wohl eine Welt von solcher Herrlichkeit im unermesslichen Schöpfungsraum? – Jawohl, meine lieben Freunde und Brüder! Ihr müsst andere Weltkörper nicht nach eurer Erde bemessen, denn diese ist ein Bettelstübchen nur gegen die Paläste der Fürsten. Ihr habt bei der naturmäßigen Darstellung der Sonne und einiger Planeten eures Sonnengebietes sicher die Beobachtung gemacht, um wie vieles prachtvoller und herrlicher diese eingerichtet sind denn eure Erde. Ich aber sage euch: Dieses alles ist noch eine pure Bettelei gegen so manche Herrlichkeiten der größeren Weltkörper im unermesslichen Schöpfungsraum. Auch selbst diese Welt, die ihr aus euch hervorgerufen habt und auf der wir nun herumgehen, ist noch bei weitem die herrlichste nicht.

[2.14.4] Es gibt in dem Bereich des Sternbildes Orion, Löwe und im Sternbild des Großen Hundes Sonnenwelten, vor deren Herrlichkeit und unermesslicher Pracht ihr beim kürzesten Anblick schon vergehen würdet.

[2.14.5] Doch ihr möchtet wohl wissen, was das für eine Welt ist. Wie werden wir aber solches herausbringen? Fragt ihr einen Bewohner dieser Welt, so wird er euch höchstens mit einem fremden Namen bereichern; das wird aber dann auch alles sein, was ihr davon erfahren mögt. Sage ich es euch, so werdet ihr auch nicht viel mehr gewinnen. Ihr sollt es aber in euch finden. Seid ihr solches imstande, so wird die Erkenntnis dieser Welt für euch in der geistig wissenschaftlichen Sphäre erst nützlich sein.

[2.14.6] Wie aber solches anstellen? Das ist freilich eine andere Frage. Wir wollen aber solches dennoch versuchen. Ein Beispiel soll uns da den Weg zeigen. Und so habt denn Acht! Wenn ihr beispielsweise von irgendeinem Punkt, da ihr euch befindet, irgendeinen Gegenstand erschaut, der sich in einer mäßigen Entfernung von euch befindet, so könnt ihr leicht bestimmen, welchen Gegenstand ihr erschaut habt, denn ihr könnt euch in diesem Falle, wie ihr zu sagen pflegt, orientieren.

[2.14.7] Wollt ihr den Gegenstand näher beschauen, so braucht ihr nichts als entweder eine tüchtige Augenwaffe oder eine allfällige Hinreise zu dem vorher beobachteten Gegenstand. Das wäre somit der natürliche Weg. Wenn ihr euch aber gleich anfangs bei einem merkwürdigen Gegenstand befindet, so wird es schon ein wenig schwerer zu bestimmen sein, von welchen äußeren Aussichtspunkten dieser Gegenstand wohlerkenntlich am vorteilhaftesten zu erschauen ist. Und habt ihr solche Punkte in der weiten Peripherie des merkwürdigen Gegenstandes in eurer Nähe auch wirklich aufgefunden, so werdet ihr denn doch genötigt sein, diese Punkte alle zu bereisen, um von ihnen aus die Überzeugung einzuholen, wie sich euer naher Gegenstand von ihnen aus beschauen lässt. Habt ihr solches getan, so habt ihr dann schon sicher dieses Resultat überkommen, dass dieser Gegenstand sich hauptsächlich nur von einem Punkt am vorteilhaftesten ausnehmen und erkennen lässt.

[2.14.8] Das wäre alles klar und verständlich, sagt ihr; aber unsere Welt, auf der wir sind, will uns noch nicht bekannt werden. – Macht nichts, meine lieben Freunde und Brüder, wir sind mit unserer Erörterung aber auch noch nicht am Ende. Es wird schon zu rechter Zeit uns alles noch klar werden. Habt nur Acht auf den weiteren Verlauf meiner beispielsweisen Verhandlung.

[2.14.9] Wenn ihr auf der Erde seid und schaut bei einer sternhellen Nacht den gestirnten Himmel an und habt zugleich auch eine gute Sternkarte bei euch, so wird es euch eben nicht zu schwer werden, bald einen und bald den anderen Stern beim Namen zu nennen. Habt ihr aber dadurch etwas gewonnen? Kennt ihr jetzt den Stern? Oder werdet ihr ihn erkennen als einen schon von der Erde aus beobachteten, wenn ihr ihn selbst betreten würdet? Ich sage euch: Solches wird ebenso wenig der Fall sein wie jetzt.

[2.14.10] Ich setze aber den umgekehrten Fall, ihr befändet euch auf irgendeinem von der Erde noch gar wohl sichtbaren Stern, z. B. auf einem Sonnenkörper im Sternbild der sogenannten Plejaden. Wenn ihr aber dann wieder zurückkommt auf eure Erde, würdet ihr da wohl mit Bestimmtheit angeben können, welcher aus den etlichen neunzig Sternen dieses Sternbildes gerade derjenige ist, auf dem ihr euch befunden habt? Solches, meine ich, wird auch etwas schwer sein, weil die Sterne dieses Sternbildes nur von eurer Erde gesehen eine solche Form bilden, in ihrer eigentlichen Stellung aber sind sie durch unermessliche Räume voneinander entfernt. Und wenn ihr euch demnach auf einem oder dem anderen Stern befindet, so werden die anderen, welche von eurer Erde aus gesehen dieses Sternbild ausmachen, sich unter ganz anderen Sterngruppen des gestirnten Himmels befinden, und ihr werdet es in der Wirklichkeit sicher ewig nicht herausbringen, welche Sterne von eurer Erde aus gesehen das Sternbild der Plejaden formierten. Daher ihr denn auch nicht bestimmen können werdet, auf welchem Stern dieses Sternbildes ihr euch befunden habt.

[2.14.11] Ihr sagt: Das ist wieder richtig; aber noch immer befinden wir uns auf einer fremden Welt. – Ich sage euch: Auch dieses ist richtig, sage euch aber noch hinzu, dass sich auf diese für euch gewöhnliche Beobachtungs- und Erkennungsweise diese Welt nicht wird erkennen lassen. Wie werden wir denn hernach solches entziffern? Denn es hilft da weder Beobachtung, noch Mathematik, noch Sternenkarte und die allerbesten mathematischen Sehwerkzeuge.

[2.14.12] Solches ist richtig; aber dessen ungeachtet gibt es ein ganz einfaches Mittel, solch eine Welt mit der leichtesten Mühe von der Welt zu erkennen. Ich werde euch im Verlaufe dieses meines begonnenen Beispiels nur so kleine Stößchen versetzen, und ihr werdet dadurch bald von selbst, wie ihr zu sagen pflegt, den Nagel auf den Kopf treffen. Jetzt will ich euch das erste Stößchen versetzen; und so habt denn Acht!

[2.14.13] Wisst ihr, woher eure Kinder sind? Wisst ihr, wo sich ihr geistiges und ihr seelisches Prinzip ehedem aufgehalten hat, als bis sie euch aus den Weibern sind geboren worden? Ihr sagt: Solches wissen wir durchaus nicht. – Ich frage euch aber wieder und gebe euch dadurch ein neues Stößchen: Wie erkennt ihr aber demnach die geborenen Kinder als die eurigen und die Kinder euch als ihre Eltern? – Diese Frage soll euch schon so einen recht starken Wink geben. Ist es nicht die Liebe, die euch die Kinder gibt? Werden sie nicht in der Liebe empfangen? Seht, wenn das Kind zur Welt geboren wird, da umfassen es die Mutter und der Vater sogleich mit großer Liebe, und das ist schon die erste Taufe. Hat das Kind auch noch keinen Namen, so hat es aber dennoch ein Zeichen glühend in die Herzen der Eltern eingegraben, welches unerlöschlich ist. Dieses Zeichen ist nichts anderes als die Liebe. Durch diese Liebe wächst die beiderseitige Erkenntnis und Bekanntschaft immer größer und entfaltet sich immer mehr und mehr und wird am Ende so intim und stark und mächtig, dass ihr euer Kind unter jeder Zone sobald erkennen werdet, und das Kind wird dasselbe ganz sicher imstande sein, besonders wenn es notabene in irgendeiner kleinen Not steckt.

[2.14.14] Seht, in euren Kindern habt ihr auf dem Weg der Liebe eine bei weitem wunderbarere Welt für beständig kennengelernt, als diese da ist, welche wir jetzt betreten, und ihr werdet das Merkmal nicht leichtlich vergessen und verlöschen aus euren Herzen.

[2.14.15] Wie gefällt euch dieses Stößchen? Könnt ihr den Nagel noch nicht auf den Kopf treffen? Ich sehe, es will euch dieser Hieb noch nicht so ganz und gar gelingen. Wir wollen daher noch ein Stößchen versuchen: Ihr kämt nach einem fernen Landgebiet des Erdteiles Amerika, und alldort zwar in eine Stadt. Es ist euch alles weltfremd, und ihr mögt schauen, wie ihr wollt, und horchen, wie ihr wollt, so wird euch kein bekannter Strahl außer der Sonne, des Mondes und der Sterne in die Augen fallen, und kein bekannter Laut wird euren Ohren begegnen, und ihr werdet euch so fremd vorkommen, dass ihr euch beinahe selbst nicht kennt.

[2.14.16] Aber da ihr euch so in den Gassen herumtreibt, kommt euch auf einmal ein Mensch unter, der euch so von ganzem Herzen freundlich anblickt. Dieser Blick hat euch diese Gasse schon etwas freundlicher gemacht, und ihr werdet sie euch am meisten merken.

[2.14.17] Dieser Mann aber geht auf euch zu, spricht euch in eurer Muttersprache an, und die noch sehr fremde Gasse wird euch schon nahe ganz heimatlich vorkommen. Der Mann aber nimmt euch auf mit aller Liebe; ihr zieht mit ihm in sein Haus. Dadurch ist diese ganze fremde Stadt euch auf einmal so heimlich geworden, dass ihr anfangt, sie in eurem Herzen zu umfassen.

[2.14.18] Der Mann führt euch ferner in mehrere Häuser, allda ihr überall liebevollst und freundlichst aufgenommen werdet; und ihr seid in der fremden Stadt wie zu Hause. In kurzer Zeit lernt ihr auch noch dazu die Landessprache kennen, und ihr seid wie Eingeborene. Die Gegenden dieser fremden Welt oder des fremden Erdteiles werden euch ganz heimatlich ansprechen, und ihr seid sozusagen in diesem Land ganz zu Hause. Und werdet ihr es auch auf eine Zeit verlassen, und dann wieder dahin kommen, so werdet ihr es sicher auf der Stelle erkennen.

[2.14.19] Was ist aber das Kennzeichen, welches Merkmal hat wohl das Land, dass ihr es wieder so schnell erkennt? Fragt die Liebe und das freudige Gefühl eures Herzens und sie werden euch augenblicklich kundgeben den Grund, auf welchem eure Erkenntnis dieses Landes ruht. Auf diese Weise werdet ihr auch nun mit der leichtesten Mühe von der Welt nach kurzem Verlauf unserer Betrachtungen auf dieser Welt diese Welt selbst also erkennen, dass es euch eine Unmöglichkeit wird zu sagen: Wir kennen sie nicht! Ich sage euch: Wie die Liebe alles in allem ist, so ist auch alles aus der Liebe!

[2.14.20] Wonach lässt sich wohl eine Frucht erkennen? Ihr sagt: Aus der Form, Farbe und dem Geschmack. – Wessen Produkte aber sind Form, Farbe und Geschmack? Sie sind Produkte der Liebe. Ihr erkennt am Geschmack die Muskatellertraube; warum denn? Weil dieser Geschmack einem bestimmten Teil eurer Liebe entspricht. Also wollen wir denn auch hier sehen, welchem Teil unserer Liebe diese Welt entsprechen wird. Und haben wir das mit der leichtesten Mühe gefunden, so haben wir auch schon alles. Das Wie, Wo und Woher wird sich dann von selbst künden.

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