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120. Das Mittelreich. Wie die Sonnenschüler sich dort weiterentwickeln

(Am 5. Dezember 1843 von 4 1/4 – 5 3/4 Uhr abends.)

[2.120.1] Kommen sie etwa, wie ihr zu sagen pflegt, aus der Hölle zurück in den Himmel? Das wäre sehr irdisch gesprochen, denn diese Schüler kommen eigentlich nie in die Hölle, sondern nur in den Zustand, in ihrer eigenen Sphäre dieselbe zu beschauen. Es braucht nichts weiter als eines gerechten Abscheus des antipolarischen oder höllischen Zustandes, und unsere Schüler sind wieder in ihrer eigentlichen positiv himmlischen Sphäre. Da aber der eigentliche Himmel sich nicht durch die alleinigen Erkenntnisse und Einsichten erlangen lässt noch durch eine nonnenhaft untätige Gebets- und Verehrungs-Liebe, sondern lediglich nur durch die Werke der Liebe, die ein ersprießliches Wohltun gegen den Nächsten zum Grunde haben, so müssen unsere Schüler, um den wahren Himmel zu erreichen, sich nun auch gefallen lassen, sich in einen ganz ernstlich tätigen Zustand zu begeben.

[2.120.2] Worin aber besteht dieser? Das werden wir mit wenigen Worten heraushaben. Seht an die naturmäßig-geistige Sphäre eurer Erde oder das sogenannte Mittelreich, welches auch den Namen „Hades“ führt, und ungefähr das ist, was ihr als Römischgläubige, freilich ziemlich stark irrig, unter dem „Fegfeuer“ versteht. Am besten kann dieses Reich einem großen Eintrittszimmer verglichen werden, allwo alles ohne Unterschied des Standes und Ranges eintritt und sich dort zum ferneren Eintritt in die eigentlichen Gastgemächer gewisserart bequemlich vorbereitet.

[2.120.3] Also ist auch dieser Hades derjenige erste naturmäßig-geistige Zustand des Menschen, in den er gleich nach dem Tod kommt.

[2.120.4] Denn niemand kommt entweder sogleich in den Himmel noch auch sogleich in die Hölle, außer es müsste im ersten Falle jemand schon auf der Erde entweder vollkommen wiedergeboren sein aus der reinen Liebe zum Herrn, oder er müsste im zweiten Falle ein allerböswilligster Frevler gegen den heiligen Geist sein. Im ersten Falle wäre sonach der Himmel ohne Eintritt in das Mittelreich, im zweiten Falle aber auch sogleich die unterste Hölle zu erwarten; und der Himmel im ersten Falle darum, weil ihn ein solcher Mensch schon in der höchsten Vollendung in sich trägt, und im zweiten Falle die Hölle darum, weil ein solcher Mensch alles Himmlischen völlig ledig geworden ist. Doch das ist nur eine Nebenbemerkung, die nicht zur Sache gehört; daher wollen wir uns dabei auch nicht länger aufhalten, sondern sogleich unsere Blicke dahin wenden, wo und was unsere Schüler zu tun bekommen.

[2.120.5] Dieses große Mittelreich ist die Hauptwerkstätte für alle himmlischen Geister. Da bekommen alle vollauf zu tun. Denn denkt euch diesen Ort, der alle Stunden eures Tages über fünf bis siebentausend neue Ankömmlinge erhält. Diese müssen alle sogleich durchgeprüft und an den ihnen vollkommen entsprechenden Ort gebracht werden. Oder besser gesprochen: Sie müssen sobald in einen solchen Zustand hineingeleitet werden, der mit ihrer Grundliebe in eins zusammenfällt. Daher müssen sie in all ihren Neigungen erforscht und erprobt werden; und wohin sie sich dann am meisten neigen, dahin muss ihnen auch geistig der Weg geöffnet sein.

[2.120.6] Auf der Welt tut sich das freilich wohl nicht; denn das wäre der allerbarste sogenannte St. Simonismus, welcher in der kürzesten Zeit die ganze Erde in ein Raub- und Mordnest verwandeln möchte. Aber im Geisterreich wird gewisserart eben dieser St. Simonismus beobachtet, und ein jeder kann demzufolge seiner Neigung ganz ungehindert nachgehen.

[2.120.7] Man wird hier freilich sagen: Wenn es dort also [zugeht], wer wird da in den Himmel gelangen? Dort gilt es aber anders; und es heißt: Jeder Arzt muss eher seinen Patienten vom Grunde aus erkennen, bis er ihm erst eine Medizin verschreiben kann, die ihn vom Grunde aus heilen soll. Denn jenseits ist niemandem mit einer Palliativ-Kur etwas gedient. Also muss jenseits gewisserart werktätig ein jeder neue Ankömmling ein Generalbekenntnis von A bis Z seines Lebens ablegen. Und ist solches geschehen, dann erst geschieht eine Veränderung des Zustandes, welcher die vollkommene Enthüllung heißt. In diesem Zustand steht dann ein jeder Geist völlig nackt da und gelangt dann in einen dritten Zustand, welcher die Abödung, wohl auch die Abtötung alles dessen genannt wird, was der Mensch mitgenommen hat.

[2.120.8] Von da aus kommt der Geistmensch dann erst im guten Falle entweder in den ersten Himmel oder aber auch in die erste Hölle im schlimmen Falle.

[2.120.9] Wie sich dieser Ort der Abödung in der Erscheinlichkeit darstellt, hat euch mein Vorgänger in der abendlichen Gegend allda hinreichend gezeigt, wo ihr euch unter den Moosessern in der stockfinsteren Gegend befunden habt. Wie diese Geister dann daraus sukzessive in den ersten Himmel gelangen oder auch gleicherweise in die erste Hölle, das alles habt ihr bildlich klar dargestellt gesehen.

[2.120.10] Daher können wir nun sogleich die Frage lösen, was bei allen diesen Gelegenheiten unsere Schüler so ganz eigentlich zu tun bekommen. Ihr Geschäft ist erforschen und die Wege öffnen bis zum Ort der Abödung. In diesem aber haben sie vorderhand dann nichts weiter mehr zu tun; denn für das Weitere müssen schon tüchtigere Engelsgeister sorgen.

[2.120.11] Wie aber geschieht solche Erforschung und Wegeröffnung? Wir haben früher den sogenannten St. Simonismus berührt und wollen nun durch ein kleines Beispiel die Sache in aller Kürze so klar als möglich darstellen. Und so hört denn!

[2.120.12] Ein jeder Mensch, der hier seinen Standespflichten gemäß gelebt hat und auch bei seinem Austritt aus dieser Welt mit allen sogenannten geistlichen Gütern versehen worden ist, fragt jenseits sogleich nach dem Himmel. Er wird auch erscheinlichermaßen sogleich in einen Zustand erhoben, der für ihn des Himmels Örtlichkeit bildet.

[2.120.13] Solcher Himmel aber wird allzeit in seiner Wahrheit dargestellt, welche allzeit wahrlich himmelhoch verschieden ist von der, welche der neue Ankömmling in seiner begründeten Idee mit hinübergebracht hat. Dass ihm aber ein solcher Himmel ebenso wenig gefällt, als wie es hier so manchem gegenwärtigen Bischof, Prälaten, usw. der geistlichen Würden mehr, gefallen möchte, wenn sie auf einmal mit eigener Hand zum Nutzen ihrer Brüder den Pflug ergreifen müssten, das lässt sich sehr leicht einsehen.

[2.120.14] Daher verlangt auch ein solcher Himmelgast, dem es in solch einem Himmel gar nicht gut wird, gleich wieder von selbem hinaus. Und wie er wieder in seinen gewöhnlichen Zustand zurückkommt, so sucht er sogleich in sich, was ihn auf der Erde am meisten vergnügt hat. Er findet zum Beispiel, dass schöne Weiber und Mädchen seine größte Freude auf der Erde waren. Solches merken sobald die ihn erforschenden und leitenden Geister und stellen ihm vor, dass dieses für den Himmel nicht taugt, indem seine Begierde unlauter ist. Aber da protestiert er sogleich und spricht: Setzt mich nur auf die Probe, lasst mich zu den schönsten Weibern und Mädchen, und ich werde mich mit ihnen ganz gebührlich unterhalten. Nach solcher Äußerung wird dem Gast sogleich gewillfahrt. Er wird genau in jene Zustände geführt, in denen er sich nach und nach ganz leibhaftig in all jenen Szenen befindet, die ihm auf der Welt so viel Vergnügen gemacht haben. Hier aber weichen die Geister zurück und lassen ihn allein agieren; doch immer unter ihrer für ihn unsichtbaren Beobachtung.

[2.120.15] Dass der Gast hier alle seine Szenen repetiert, braucht kaum erwähnt zu werden. Was aber mit ihm dann weiter geschieht und [was] das Geschäft unserer Geister ist, in der Folge.

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