(Am 20. November 1843 von 4 3/4 – 5 3/4 Uhr abends.)
[2.111.1] Wenn man aber diesen Hauptgrund der Hölle gründlich erschauen will, so muss man ihn zuerst dort erschauen, wo das jewaige Licht des Auges für die Eindrücke empfänglich ist, und von diesem Gesichtspunkt dann mittels geistiger Wendung auch auf das Geistige entsprechendermaßen folgerecht schließen. Will man aber das, so muss man zum Voraus als unabänderlich bestimmt annehmen und einsehen, dass die Lebensverhältnisse und die Äußerungen derselben unter einem und ebendemselben ewig unveränderlichen Herrn stets die einen und dieselben sind. Mit anderen Worten gesagt:
[2.111.2] Der Mensch lebt im Geist genau auf ein Haar genommen ebenso fort, wie er mit seinem Leibesleben, welches nur ein Mit- oder Mittelleben ist, hier auf der Erde lebt.
[2.111.3] Man wird hier sagen: Das klingt sonderbar. Damit scheint es nicht seine völlige Richtigkeit zu haben, denn das geistige Leben muss doch sicher etwas anderes sein und unter ganz anderen Verhältnissen gedacht werden als das naturmäßige Leben.
[2.111.4] Ich aber sage: Wer so spricht, der hat sicher noch keine Ahnung von dem, wie er naturmäßig lebt. Frage:
[2.111.5] Lebt denn bei Leibesleben der Leib oder der Geist? Was ist das Prinzip des Lebens? Ist es der Leib oder der Geist? Ich meine, der nur etwas klarer zu denken vermag, wird doch nicht die Prinzipien des Lebens im Leib, sondern nur allein im Geist suchen. Denn wären die Lebensprinzipien im Leib, so wäre der Leib unsterblich. Der Leib aber ist sterblich, somit kann er auch nicht die Grundfesten des Lebens in sich haben, sondern nur der Geist, der unsterblich ist. Das Leben des Leibes ist daher nur ein durch das des Geistes bedingtes. Der ganze Leib verhält sich passiv und völlig negativ zum Geist. Daher ist sein Leben auch nur ein erregtes Mitleben, gerade also, wie irgendein Werkzeug auch in der Hand eines Handwerkers passiv wirkend mitlebt, solange es der Handwerker in seiner lebendigen Hand dirigiert. Lässt er es aber fallen oder legt er es zur Seite, dann hat es mit dem Mitleben des Werkzeuges und mit seiner effektiven Tätigkeit ein Ende.
[2.111.6] Wer wird wohl so toll und dumm sein und etwa den Satz aufstellen wollen: Der Handwerker muss sich nach den Verhältnissen des Werkzeuges richten, statt das ganz Klare einzusehen, dass nur der Handwerker sich brauchbare Werkzeuge nach seinem Bedürfnis wie nach seinem Verhältnis verfertigt. Wenn also der Werkmeister die Verhältnisse des Werkzeugs nach seinem Verhältnis bestimmt, so wird es etwa doch auch klar sein, dass die Verhältnisse des mitlebenden Leibes von denen des lebendigen Geistes abhängen, aber nicht umgekehrt.
[2.111.7] Und so lebt der Geist allzeit nur ganz allein aus seinen eigenen Lebensprinzipien und in seinen allzeit eigenen Lebensverhältnissen, an denen der Leib so wenig zu ändern vermag, wie das tote Werkzeug an den Verhältnissen des Handwerkers.
[2.111.8] Wenn aber jemand einem Handwerker zusieht, wie er sein Werkzeug gebraucht, und hat die Einsicht in den Plan, was der Handwerker mit dem Werkzeug hervorbringen will, kann der wohl nur einigermaßen vernünftigerweise behaupten und sagen: Es muss am Ende durch den Gebrauch des Werkzeuges doch etwas ganz anderes zum Vorschein kommen und müssen sich ganz andere Verhältnisse mit dem Produkt entwickeln, als welche in der klaren Absicht des Werkmeisters laut des vorliegenden Planes liegen? Wäre das nicht eine unsinnige Behauptung? Ganz sicher, denn was da in die offenbare Erscheinlichkeit tritt, ist doch sicher der Effekt des lebenden Werkmeisters, nicht aber des Werkzeuges.
[2.111.9] Also ist auch das Lebensverhältnis des Geistes stetig, ob im oder ohne Gebrauch des werkzeuglichen Leibes. Und wer demnach die Hölle hier gründlich beschauen will, der beschaue sie hier unter demselben Verhältnis im Leibesleben wie einst im absoluten geistigen. Denn die Hölle ist auf der Welt ebenso genau von Zug zu Zug gegenwärtig, wie sie im absoluten geistigen Zustand sich beurkundet. Nichts mehr und nichts weniger gibt es weder hier noch dort; und also in diesem Bild werden wir sie auch am klarsten und am effektvollsten beschauen.
[2.111.10] Um aber das eigentliche Bild der Hölle für jedermann auf dieser Welt noch klarer und anschaulicher zu machen, wollen wir zum Voraus noch den sehr kleinen Unterschied zwischen dem naturmäßigen und geistig absoluten Lebensverhältnis der Menschheit dartun, und das so viel wie möglich auf eine handgreifliche Weise.
[2.111.11] Stellt euch einen Schreiner vor. Dieser hat einen Kasten zu verfertigen. Zu dessen Verfertigung bedarf er mehrerer euch bekannter Werkzeuge. Er arbeitet fleißig darauf und wird in etlichen Tagen mit seinem Kasten fertig. Zum Fertigwerden des Kastens war besonders sein Trieb, der ihn zum Fleiß anspornte, der Grund. Warum war er denn fleißig und gehorchte seinem inneren Trieb? Weil er des Nutzens wegen den Kasten sobald als nur immer möglich hatte fertigmachen wollen. Frage aber weiter: Woher rührt denn dieser Trieb, was ist sein Grund? Dieser Trieb rührt von der schöpferischen Fähigkeit des Geistes her. Wie denn? Weil der Geist diese Eigenschaft in sich hat, dasjenige, was er in seiner Idee geschaffen hat, auch sogleich objektiv zu realisieren.
[2.111.12] Im absolut geistigen Zustand kann er das, denn was er denkt, ist auch da. Aber in Verbindung mit seinem ihn hemmenden Leib kann er das mit der äußeren Materie nicht. Daher muss er seinen Leib als das Werkzeug nur zur sukzessiven Tätigkeit antreiben, um auf diese Weise dann seine Idee nach und nach zu realisieren. Und diese Einrichtung ist vom Herrn aus darum also getroffen, damit der Geist sich in diesem Leben vor allem und bei jeder möglichen Gelegenheit in der allernotwendigsten Eigenschaft alles Lebens fortwährend übe, welche Eigenschaft, als die Mutter der Demut, die göttliche Geduld heißt. Denn das muss ein jeder nur ein wenig reif Denkende einsehen, dass die Geduld fürs ewige Leben umso notwendiger ist, indem dieses Leben kein Ende hat, da sie schon für das naturmäßige Leben der Grund von allen guten und großen Effekten ist, während dieses Leben nur ein vergängliches ist.
[2.111.13] Könnte unser Schreiner seinen Kasten sogleich erschaffen, wie er ihn in seiner Idee sich vorgestellt hat, so wäre ihm das sicher lieber. Aber wo bliebe da die über alles wichtige Übung für die Geduld und wo die wechselseitige äußere naturmäßige Sicherheit, wenn in dieser materiellen Welt dem noch an seinen Leib gebundenen Geist seine ursprüngliche schöpferische Eigenschaft unbeschränkt zu Gebote stände?
[2.111.14] Nach der Ablegung dieses Leibes bekommt zwar ein jeder Geist diese Eigenschaft wieder. Der Gute allein nur reell effektiv, der Böse phantastisch und chimärisch; denn wie sein Grund, so seine Wirkung.
[2.111.15] Nun seht, in diesem vorgeführten Beispiel ist der Unterschied zwischen dem naturmäßigen und absolut geistigen Leben handgreiflich dargetan, welcher kurz gesagt darin besteht, dass der Geist im naturmäßigen Leben seine Ideen nur langsam und nie ganz vollkommen zu realisieren imstande ist, weil ihn daran seine grobe Materialität hindert, mit der er umkleidet ist, während er im absoluten Zustand seine Idee plötzlich realisiert haben will. Der Wille ist immer derselbe, die Idee ebenfalls, nur die Ausführung ist beschränkt im naturmäßigen Leben. Und so ist diese Beschränkung der einzige Unterschied zwischen den beiden Leben, und sonst ist gar kein Unterschied vorhanden. Dass dieser Unterschied in der Materie haftet, braucht kaum erwähnt zu werden. Da wir nun solches sicher handgreiflich und sonnenklar kennen, so wollen wir sogleich so ganz eigentliche Bilder der Fundamentalhölle anführen.
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